Verhandlungen über Koalition:Zeit für Gespräche

Sabine Nallinger und Christine Strobl bei Kommunalwahl in München, 2014

Christine Strobl von der SPD (l.) will Zweite Bürgermeisterin bleiben, Sabine Nallinger von den Grünen (r.) will es werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Wer bekommt welchen Job in München? Und warum hat die Stadtratsfraktion nicht so gearbeitet, dass sie bei der Wahl mehr Stimmen bekommen hat? Die Münchner SPD hat viel zu besprechen - untereinander und mit den Grünen.

Von Dominik Hutter und Silke Lode

Sie werden viel Zeit zum Reden und Aufarbeiten haben. Sehr viel mehr als ursprünglich gedacht, denn eigentlich wollte die SPD-Stadtratsfraktion am Donnerstag per Flugzeug nach Rom reisen. Wegen des Lufthansa-Streiks müssen die Stadträte ihre Abschlussfahrt nun per Bahn antreten: München-Roma Termini, neun Stunden dauert das normalerweise. Neun Stunden, in denen die Politiker gemeinsam mit Dieter Reiter darüber diskutieren können, woran es gelegen hat, dass die SPD zwar weiterhin den Oberbürgermeister stellen darf, im Stadtrat aber arg gerupft daherkommt. 24 Sitze statt der bisherigen 33. Das sitzt.

Entsprechend groß ist der Unmut in Teilen der Partei. Die Außenwirkung der Fraktion sei verbesserungsbedürftig gewesen in den vergangenen Jahren, das hört man immer wieder. Diese Kritik richtet sich vor allem an den Vorsitzenden, Alexander Reissl, dem zwar große Fachkompetenz, aber gelegentlich auch ein Hang zur Ruppigkeit attestiert wird.

Bislang ist unklar, ob die Fraktionsspitze neu besetzt wird - zumal in dieser Frage die neue, stark veränderte Rathausmannschaft entscheidet. Die aber ist in Rom nicht dabei. Zuverlässig steuern lässt sich diese Personalie ohnehin nicht, die Wahl ist geheim. Das Problem: Reissl, der zweifellos politische Verdienste für sich in Anspruch nehmen kann, müsste fairerweise entschädigt werden, falls man sich für jemand anderen entscheidet. Für seine jetzige Stellvertreterin Beatrix Zurek beispielsweise, die sich so mancher gut in dieser Rolle vorstellen könnte. Ideale Trostpflaster in solchen Fällen sind Referentenposten - für die dem Sparkassenangestellten aber die Qualifikation fehlt. Eine erneute Blamage à la Boris Schwartz, der deshalb als Kommunalreferent scheiterte, will die SPD unbedingt vermeiden.

Einige Posten sind zu besetzen

Dies ist aber beileibe nicht die einzige Personalie, die es im Zug zu besprechen gilt. Denn natürlich würde die SPD, und vor allem Amtsinhaberin Christine Strobl, gerne den Posten der Zweiten Bürgermeisterin behalten. Den fordert auch Sabine Nallinger für sich, die gescheiterte OB-Kandidatin der bei den Wahlen erstarkten Grünen. Beide Seiten stufen die Bürgermeisterfrage als Verhandlungsmasse in den Koalitionsgesprächen ein, geklärt ist offenbar noch nichts. Reiter will sie erst ganz am Schluss diskutieren und kündigt an, dies den Grünen an diesem Montagabend nochmals deutlich zu sagen. Ohnehin geht es bei den Stellvertreterposten vor allem ums Prestige: Zwar gibt es eine Hierarchie bei der Chefvertretung, die Themengebiete können aber zwischen den beiden Bürgermeistern beliebig aufgeteilt werden.

Frei wird auch ein Job, den Reiter sehr gut kennt: der des Wirtschaftsreferenten. Nach dem bisherigen Koalitionsvertrag hatte die SPD ein Vorschlagsrecht, doch es gibt auch Stimmen, die die Personalie aus den Bündnisgesprächen heraushalten wollen und sich eine offene Ausschreibung wünschen. Das würde etwas dauern - in der Zwischenzeit müsste wohl Reiters Vize Kurt Kapp die Geschäfte führen.

Koalitionsvertrag muss abgesegnet werden

Ein Vorschlagsrecht für Referentenposten hat im rot-grünen Bündnis bereits Tradition. Die bislang im Koalitionsvertrag festgehaltene Aufteilung wird von der CSU als Postenschacherei scharf kritisiert. Nichtsdestotrotz halten Spitzenpolitiker von SPD und Grünen eine Fortführung der Praxis auch in der neuen Amtszeit für sehr wahrscheinlich. Zu klären gibt es einiges: Mitte 2015 geht der grüne Umwelt- und Gesundheitsreferent Joachim Lorenz in den Ruhestand, ein Jahr später enden die Verträge von gleich mehreren Ressortchefs. Interessant ist dabei vor allem die Nachfolge von KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle, der ebenfalls pensioniert wird. Bislang hatten die Koalitionäre dieses zentrale Amt stets einvernehmlich besetzt.

Neuwahlen der Fraktionschefs stehen auch bei den Grünen an. Für die Doppelspitze wollen Gülseren Demirel und Florian Roth erneut kandidieren. Andere Bewerber haben sich bislang nicht gemeldet und die Chance auf Wiederwahl stehen für Demirel und Roth nicht schlecht: Sabine Nallinger hat bereits am Abend der Stadtratswahl ihre Unterstützung signalisiert. Wählen werden die Grünen am 28. April, am Abend soll die Basis auch den ersehnten Koalitionsvertrag absegnen.

Das Papier, das Grundlage für die Zusammenarbeit in den nächsten sechs Jahren sein soll, muss nun unter enormem Zeitdruck erarbeitet werden. "Bis zur ersten Osterferienwoche müssen wir Schnittmengen und Kontroversen kennen", sagt Demirel. Auch erste Absprachen mit weiteren Partnern müssten bereits stehen. Gerade die Grünen sind an dieser Stelle deutlich nervöser als die SPD - denn die könnte zur Not auch mit der CSU regieren.

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