München:Vergewaltigung einer Elfjährigen: Tatverdächtiger ist einschlägig vorbestraft

Die Polizei nimmt den 43-Jährigen an seinem Arbeitsplatz fest. Zuletzt wurde er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 17 Fällen verurteilt, erst im November war er aus der Psychiatrie entlassen worden.

Von Isabel Bernstein und Julian Hans

Die Tat war grausam, die Polizei ermittelte mit Hochdruck - und der Erfolg kam prompt: Weniger als 48 Stunden hat es gedauert, bis die Fahnder einen Mann festnehmen konnten, der dringend verdächtigt wird, am Dienstag in Fasangarten ein elfjähriges Mädchen schwer sexuell missbraucht zu haben. Als die Ermittler am Donnerstag um zehn Uhr am Arbeitsplatz des Tatverdächtigen klingelten, versuchte der Mann zu fliehen, wurde aber schnell gefasst. Er sitzt in Untersuchungshaft und schweigt zu den Vorwürfen.

Es handle sich um einen 43 Jahre alten Münchner, der schon mehrfach wegen Sexualstraftaten vor Gericht stand, sagte Oberstaatsanwältin Anne Leiding, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I, am Donnerstag. Der gelernte technische Zeichner ist in München geboren und achtfach vorbestraft; in sieben Fällen ging es um sexuellen Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung sowie Besitz von Kinderpornografie. In einem Fall wurde er wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 17 Fällen verurteilt. Das letzte Urteil liegt neun Jahre zurück: Im Februar 2010 hatte er wegen Kindesmissbrauchs vier Jahre und elf Monate bekommen. Damals wurde eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Seit November 2018 lebte der Mann in einer therapeutischen Wohngemeinschaft in Großhadern. Die verantwortlichen Ärzte der psychiatrischen Klinik in Haar hatten zuvor bei der Staatsanwaltschaft angefragt, ob Lockerungen im Vollzug möglich seien. Die Staatsanwaltschaft habe dem zugestimmt, "wenn aus ärztlicher Sicht nichts dagegen spricht", erklärte Leiding. Die Zustimmung der Behörde sei aber nicht notwendig gewesen, die Staatsanwaltschaft werde lediglich angehört.

Sexualstraftäter können nach Verbüßen ihrer Strafe nicht ohne weiteres weggesperrt werden. "Das ist das normale Vorgehen in unserem Rechtsstaat, dass nach einem Weg gesucht wird, wie diese Personen wieder in die Gesellschaft eingegliedert werden können", sagte Leiding. Die Lockerungsstufen lägen "ausschließlich in der Verantwortung der Ärzte". In der Lockerungsstufe D konnte der 43-Jährige in einer Wohngemeinschaft leben, wo er zwar unter Beobachtung stand. Allerdings wurde er nicht rund um die Uhr bewacht. Das Gutachten, das Voraussetzung für die Lockerungen war, wurde von vier Ärzten unterschrieben. Seitdem habe es eine "Vielzahl weiterer Begutachtungen" des Mannes gegeben, erklärte Leiding. Trotzdem wurde er rückfällig. Nun soll die Fachaufsicht für den Maßregelvollzug in Bayern den Fall prüfen.

Mehr als einhundert Polizisten waren seit Dienstag im Einsatz, um die Tat aufzuklären. Der als Wolf maskierte Täter hatte die Elfjährige gegen 16.30 Uhr in eine Grünanlage in der Nähe des S-Bahnhofs Fasangarten in ein Gebüsch gezerrt, ihr den Mund zugehalten, den Schulranzen vom Rücken gerissen, sie zu Boden geworfen und missbraucht. Anschließend befahl er ihr, noch fünf Minuten liegen zu bleiben.

Obwohl der Täter Latexhandschuhe trug, hinterließ er laut Polizei eine Fülle von Spuren. "Die Spurensicherung hat in der Unterwäsche des Mädchens männliche DNA festgestellt", sagte Ignaz Raab, Leiter des Kommissariats für Sexualdelikte. "Die Eingabe in der Datei ergab den Treffer." Zudem wurden Aufzeichnungen der Videoüberwachung am S-Bahnhof ausgewertet. An einer Stelle sei zu sehen, wie der Tatverdächtige seinem Opfer in 20 Metern Entfernung folgt, berichtete Raab.

Da der Tatverdächtige von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch macht, könne er vorerst nur eine Theorie aufstellen, wie sich die Tat ereignet hat, sagte der Kommissar: "Ich denke, er arbeitet im Münchner Süden. Sie waren wahrscheinlich in der gleichen S-Bahn. Sie ist am Fasangarten ausgestiegen, er ist ihr gefolgt. Er hat die Parkanlage ausgenutzt, um über sie herzufallen."

Als die Polizei Donnerstagfrüh zur Wohnung des Mannes kam, war er nicht zu Hause. Bei einer Durchsuchung sei weder in der Wohnung noch am Arbeitsplatz die Wolfsmaske gefunden worden. Jedoch seien am Arbeitsplatz Gummihandschuhe gefunden worden, die denen ähnlich seien, die der Täter trug. Allerdings nicht in den persönlichen Sachen des Mannes.

Dass die Festnahme so schnell erfolgte, sei sehr wichtig für das Opfer und ihre Familie, sagte Leiding. Auch für die Schulen und Kindergärten in der Nähe des Tatortes ist die Nachricht eine Erleichterung. Die Polizei hatte in den vergangenen Tagen starke Präsenz vor Ort gezeigt, um die Bevölkerung zu beruhigen. Der Fahndungserfolg habe gezeigt, dass "Umfang und Intensität der Polizeiarbeit angemessen" gewesen seien, erklärte Polizeisprecher Marcus da Gloria Martins.

Raab sprach von einer sehr guten Zusammenarbeit der Kräfte aus Hundestaffel, Spurensicherung und Rechtsmedizin. Bei der intensiven Spurensuche seien unter anderem auch die zwei Zeuginnen gefunden worden, denen im Vorbeifahren mit dem Rad und im Vorbeigehen aufgefallen war, dass im Gebüsch etwas vor sich ging. An eine Straftat dachten sie allerdings nicht gleich.

Die Pressekonferenz der Polizei München im Livestream zum Nachschauen:

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