Verein "Mitsprache":Überzeugen für andere

Verein "Mitsprache": Beeindruckend und überzeugend: Monika Schulte-Rentrop.

Beeindruckend und überzeugend: Monika Schulte-Rentrop.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Monika Schulte-Rentrop sucht mit ihrem Verein "Mitsprache" Paten für Migranten-Kinder. Sie "selbständiger und stärker" zu machen, das ist ihr Ziel.

Von Sabine Buchwald

Der Satz fällt irgendwann in einem langen Gespräch mit Monika Schulte-Rentrop. Sie zitiert einen ihrer Paten, die sie vermittelt an Schüler, die neu in München sind, fremd in der Stadt und fremd in der deutschen Sprache: "Er hat gelächelt." Nach drei Monaten. Endlich. Ein großer Vertrauensbeweis eines Kindes an einen fremden Erwachsenen, der es gut mit ihm meint. Ein Kind, das sich einfinden muss in eine neue Kultur, eine neue Schule, eine ihm oftmals ungewohnte Art zu leben.

Monika Schulte-Rentrop war viele Jahre Lehrerin an einer Mittelschule in Nymphenburg, an der es sogenannte Ü-Klassen gibt. Klassen für Kinder mit "nichtdeutscher Herkunftssprache", so der amtliche Terminus. Kinder, die Griechisch sprechen, weil ihre Eltern am Peloponnes arbeitslos geworden sind; Jugendliche, die nur Farsi können und hier wohnen, weil ihre Familie in Iran nicht mehr sicher ist. Mädchen und Jungen, die nicht mal nach der Schule ihre Muttersprache Paschtu sprechen können, weil sie alleine, also "unbegleitet" nach Deutschland gekommen sind. Jeder einzelne Schüler bringe eine eigene Geschichte mit, sagt Schulte-Rentrop. Und auf die nimmt der Schulalltag selten Rücksicht.

Viele müssen quer durch die Stadt zum Unterricht fahren, denn für Ü-Klassen gibt es keine Sprengelpflicht. Sie sollen auf Deutsch schreiben und lesen lernen und können beides manchmal in ihrer Muttersprache nicht. Die Unterschiede zwischen den Schülern sind riesig und nicht nur kultureller Art. Manches, was sie in ihren wenigen Lebensjahren erfahren haben, können sich Münchner Kinder nicht mal vorstellen.

Die Lehrkräfte, die vor solchen Klassen stehen, wissen das sehr wohl. Einzelförderung würde Defizite entschärfen, aber das können sie nicht leisten. 24 Kinder, 20 verschiedene Sprachen, Monika Schulte-Rentrop hat das erlebt, sie kennt das System Regelschule. Sie ist ihm 40 Jahre treu geblieben trotz Montessori-Zusatzausbildung. "Ich wollte diese Pädagogik in die öffentlichen Schulen tragen", erklärt sie. Deshalb hat sie sich nie an eine der privaten Monte-Schulen zurückgezogen.

"Hilf mir, es selbst zu tun", ist ein Erziehungsgrundsatz der italienischen Ärztin Maria Montessori. Im Prinzip setzt Schulte-Rentrop mit der ehrenamtlichen Vermittlung von Patenschaften und ihrem Verein "Mitsprache" diesen Grundsatz um. Die Paten übernehmen die Betreuung, die in den Schulen nicht möglich ist. Sie werden zum verlängerten Arm einer Gesellschaft, in der die Türen nicht besonders weit offen stehen für Außenseiter. "Diese Kinder selbständiger zu machen und zu stärken", sagt Schulte-Rentrop, darum gehe es ihr.

Studierende sind beliebte Paten

Sie mit passenden Paten zusammenzubringen, ist schwieriger als es im ersten Moment zu sein scheint. Oft sind es formale Hürden und praktische Unwägbarkeiten, die eine Vermittlung in die Länge ziehen. In ihrer Kartei führt die pensionierte Lehrerin gut 50 Erwachsene. Es sind überwiegend Frauen, darunter viele Studierende, die noch näher an der Lebensrealität der Kinder sind.

Wer sich als Pate meldet, will am liebsten augenblicklich starten. Auch die Kinder, die in der Regel von ihren Lehrern vorgeschlagen werden, möchten sich möglichst schnell verabreden. Das geht aber nicht, ohne das schriftliche Einverständnis ihrer Eltern oder ihres Vormundes. Monika Schulte-Rentrop hat Briefe in 18 Sprachen in ihrer Mappe, in denen sie den Ablauf und das Ziel ihrer Arbeit erklärt: auf Englisch, auf Französisch, auf Albanisch, sogar im Kurmandschi-Dialekt.

Dennoch kann es dauern, bis die Eltern mit einer Unterschrift antworten. Dann erst kann ein Termin gefunden werden: mit dem Lehrer, einem Elternteil, dem Paten und der Vermittlerin. Schulte-Rentrop ist immer dabei. Lehrer und Schüler bevorzugen ein Treffen nach dem Unterricht, den Paten wäre es lieber am Abend nach der Arbeit oder am Wochenende. "Mein Kalender ist voll mit geblockten Terminen", sagt Schulte-Rentrop. Sie hält sich bereit, sie tut es für die Sache, seit fast zehn Jahren.

Klare Worte und offenes Auftreten

2004, als sie noch Lehrerin war, hat sie die ersten Patenschaften initiiert, 2008 folgte dann die Vereinsgründung. Mit 55, als ihre beiden Söhne selbständig waren, wäre sie gerne Schulleiterin geworden. Sie hätte Einfluss genommen auf das System. Für diesen Posten sei sie zu alt, hörte sie damals. Sie hat geschluckt und nicht nachgelassen in ihrem Engagement. 69 Jahre alt ist sie heute, und sie ist eine Frau, deren Erscheinung beeindruckt. Knallrote Lippen zum hellgrauen Haar, sie kommt offen auf andere Menschen zu, spricht mit klaren Worten. Das können gute Lehrerinnen.

Schulte-Rentrop kann auch Sponsoren überzeugen, ohne die der Verein nicht existieren würde. Das Geld fließt an die Paten für Eintritte, für Fahrkarten, und es finden regelmäßige Treffen statt zum Austausch. Eine Art Paten-Supervision bei Häppchen und Wein. "Gehen Sie ganz runter mit Ihren Erwartungen", rät Monika Schulte-Rentrop, wenn es anfangs nicht gleich läuft zwischen dem Kind und dem Erwachsenen.

Was gut funktioniert, sind die Kooperationen, die sie zusätzlich auf die Beine stellt. Tanztheaterprojekte mit dem Theater der Jugend etwa, in denen nicht die Sprache, sondern Bühnenpräsenz zählt. "Nach einer Aufführung entsteht ein Gefühl, das bleibt", sagt Monika Schulte-Rentrop. Ein Gefühl des Erfolgs, das sie selber kennt. Bei "Kinder zum Olymp" der Kulturstiftung der Länder, wurden bereits zwei dieser Projekte ausgezeichnet. Das Magazin Emotion hat Monika Schulte-Rentrop zur "Frau der Zukunft 2012" gekürt.

Die größte Belohnung aber für die 69-Jährige ist ein Lächeln eines Patenkindes. Auch dann, wenn es erst nach drei Monaten kommt.

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