Verdacht auf Volksverhetzung:Durch alle Instanzen

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Wegen Hasspostings im Internet wird ein Mann erst bestraft, dann freigesprochen - und jetzt wird der Fall neu aufgerollt

Von Susi Wimmer

Hat Arvid M. den ausländerfeindlichen Hasskommentar auf der Internetseite der Stadtwerke München gegen Muslime abgesetzt oder nicht? Am Ende ging es vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht gar nicht um die Frage der Schuld, sondern vielmehr darum, ob der Freispruch von Arvid M. vor dem Landgericht München im Jahr 2018 gerechtfertigt war. Die Staatsanwaltschaft hatte über drei Jahre lang durch alle Instanzen geklagt und bekam am Ende Recht. Der Vorsitzende Richter Reinhold Baier rügte die vorangegangene Entscheidung als "rechtsfehlerhaft", die Causa muss erneut vor dem Landgericht München I verhandelt werden.

In diesen Zeiten, in denen über Hass-Postings und Meinungsfreiheit im Internet oft angeregt diskutiert wird, ist dieser Fall aktueller denn je. Am 6. Februar 2016 soll Arvid M. auf der Seite der Stadtwerke München-Bäder gegen 9 Uhr mittels seines Facebook-Accounts folgenden Kommentar abgegeben haben: "Sehr schönes Bad, ist denn auch sichergestellt, dass Muslime und sonstige Rapefugees keinen Einlass erhalten und Frauen belästigen, bzw. das Wasser verschmutzen?" Es folgen weitere rassistische Beleidigungen und Begriffe wie "aussortieren". M. ist im Management tätig, zum Zeitpunkt des Posts lebte der heute 52-Jährige mit Frau und zwei Kindern in einem Haushalt. Die waren sicher perplex, als eines Morgens um sieben Uhr die Polizei zu einer Hausdurchsuchung vor der Tür stand.

Wie die Leitende Oberstaatsanwältin Regina Sieh in ihrem Plädoyer in der Revisionsverhandlung ausführte, fand man bei der Durchsuchung Hinweise "auf eine eindeutig nationalsozialistische Gesinnung" des Herrn M. Die Polizisten stellten einen Dolch mit Hakenkreuz, eine entsprechende Fahne sowie ein Buch mit Joseph Goebbels Reden sicher. Der Dolch, führte Verteidiger Thorsten Ebermann aus, sei ein Erbstück des Großvaters, die Fahne ein Mitbringsel von einer Afrikareise und das Buch stamme aus der Abiturzeit von M. im Jahr 1986. Im Falle einer Verurteilung sei sein Mandant lebenslang mit dem Stempel der Ausländerfeindlichkeit stigmatisiert. Der zweite Verteidiger Florian Mangold erklärte, es blieben verschiedene Möglichkeiten offen, wer an jenem Tag den Facebook-Account benutzt haben könnte. Abgesehen davon könnten die Äußerungen auch verfassungsrechtlich von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.

Im März 2017 hatte das Amtsgericht München einen Strafbefehl gegen Arvid M. wegen Volksverhetzung ausgestellt, gegen den der Manager Einspruch einlegte. Im Oktober 2017 wurde die Angelegenheit dann vor dem Amtsgericht verhandelt, Arvid M. wurde freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung gegen das Urteil ein und nach einer neuen Verhandlung vor dem Landgericht bestätigte die Kammer im Oktober 2018 den Freispruch.

Eine Täterschaft, so entschied die Kammer damals, sei nicht sicher nachzuweisen, zumal der Facebook-Account auch von Familienmitgliedern oder Firmenkollegen hätte genutzt werden können. Im Jahr 2016 soll M. sich im Streit von seinem Arbeitgeber getrennt haben, und auch seine Ehe ging zu dem Zeitpunkt unschön in die Brüche. Da könnte es sein, dass ihm jemand schaden wollte. Der sechste Strafsenat des Bayerischen Obersten Landesgericht verwies jedoch auf Lücken in der Beweiswürdigung. Jetzt wird der Fall erneut komplett aufgerollt.

Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) war im Jahr 2006 zunächst von der Staatsregierung abgeschafft worden. Im Jahr 2018 aber hat das BayObLG mit Sitz in München seine Arbeit wieder aufgenommen und ist in Strafsachen für alle Revisionen zuständig, die in erster Instanz vor bayerischen Amtsgerichten verhandelt wurden.

© SZ vom 24.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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