Verbindungshaus:Eine Bleibe nur für Bundesbrüder

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„Es ist ein riesengroßer Spielplatz“, sagt Niklas Beck über das Verbindungshaus, in dem er wohnt. (Foto: Robert Haas)

Die Studentenverbindung AGV bietet ihren Mitgliedern Zimmer für 180 Euro im Monat

Von Irmengard Gnau

Um diese Lage dürften Niklas Beck wohl so einige beneiden. Wer kann schon von sich sagen, dass er als Student in München ein Zimmer mitten in der Innenstadt hat, unweit der Oper und des Viktualienmarkts? Der 22-Jährige grinst. Das ist natürlich schon super. "Nur ein bisschen laut" sei es. Kein Wunder, schließlich wohnt Beck über einer Wirtschaft, die Touristen wie Einheimische anzieht. Ein Zimmer hier bekommt nur, wer einen Bund fürs Leben schließt: Das Haus gehört dem Akademischen Gesangsverein München (AGV), einer Studentenverbindung, deren Wurzeln bis ins Jahr 1861 zurückreichen.

Seit knapp einem Jahr ist Beck Mitglied beim AGV. Zum vergangenen Wintersemester bewarb sich der Ulmer an der Technischen Universität für ein Maschinenbaustudium, nach wenigen Tagen erhielt er die Zusage. Studieren allein aber war Beck zu wenig, er wollte in München auch seine Leidenschaft weiter verfolgen. Bevor er sich für das Ingenieurstudium entschied, absolvierte er drei Jahre lang eine musische Fachausbildung in Krumbach, Beck spielt Saxofon und Klarinette. Also war eine der ersten Suchen in München die nach einem Ensemble. Bei der Big Band des AGV wurde er fündig. Bei der Vorstellungsrunde fragte ihn einer der Musiker, ob er nicht auch Mitglied in der Verbindung werden wolle, erzählt er. Im Gegensatz zu anderen Studentenverbindungen ist der AGV nicht schlagend und nicht farbentragend, religiös ungebunden und unpolitisch. In den verschiedenen Orchestern, Combos und Theatergruppen dürfen auch Nicht-Mitglieder mitspielen. Doch da die Mitgliedschaft zunächst auf Probe ist - ein Jahr lang müssen sich Neulinge als "Fux" beweisen - dachte sich Beck: Warum nicht? Und trat ein.

Heute, ein Jahr später, ist er sich seiner Sache sicher. Mitte Oktober wird er, wenn alles wie geplant läuft, vom "Fux" in den Vollmitgliedsstatus wechseln und zum "Burschen" werden. Womit ihn die Verbindung überzeugt hat? "Es ist ein riesengroßer Spielplatz", sagt der 22-Jährige - in einem riesengroßen Haus. Die verschiedenen Musengruppen, wie die Musik- und Theaterensembles heißen, ermöglichen gemeinsames Spielen und regelmäßige Auftritte. Die Gemeinschaft mit seinen "Bundesbrüdern" - etwa 70 aktive studentische Mitglieder hat der AGV zurzeit, hinzu kommen mehrere Hundert ehemalige, die Altherren oder "Philister" - prägen die Studienzeit des Ulmers zu einem großen Teil. Wenn er nicht gerade in der Uni in Garching ist, ist er im Vereinshaus.

Seit Mitte August wohnt Beck nun auch noch dort. Seine ersten beiden Semester in München konnte er mit einer Untermiete überbrücken, das Zimmer fand er bei einem Altherren der Vereinigung. Nach einem Jahr Mitgliedschaft können sich die AGVler dann auf eines der 17 Zimmer im Wohnheim bewerben. Die Miete ist sehr günstig, je nach Zimmergröße liegt sie bei maximal 180 Euro pro Monat, erzählt Beck. Unvergleichlich mit dem freien Wohnungsmarkt in München.

"Meine Kommilitonen machen regelmäßig große Augen, wenn ich ihnen das erzähle." Die Gefahr, dass viele junge Männer nur deshalb dem AGV beitreten, um ein günstiges Zimmer zu ergattern, sieht er aber nicht. Einige Vereinigungen bieten ihre Zimmer durchaus im Internet an und verweisen damit auf ihre Tätigkeit. Beim AGV sei das nicht üblich. "Außerdem ist das Zimmer bei uns stark an Engagement geknüpft." Sollte ein Bewerber den Eindruck fragwürdiger Motive hinterlassen, haben die übrigen Wohnheimbewohner ein Vetorecht.

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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