Veranstaltungstipps:Die Woche in München

Komik von den Coen-Brüdern, Klassik von Goethe und Kult von Leonard Cohen. Die Tipps der Woche immer donnerstags auf sueddeutsche.de.

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Faust-Inszenierung, Gabriela Neeb

Quelle: SZ

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Tragödie

Goetheteilchen-Beschleuniger

Habe nun, ach! Teilchenphysik durchaus studiert, mit heißem Bemühen - das können wahrscheinlich die meisten Wissenschaftler der Schweizer Forschungseinrichtung Cern behaupten; stammt doch aus ihrer Hand der weltgrößte Teilchenbeschleuniger. Da witterten einige dem Defätismus verfallenen Vereinigungen gleich den Gau: die ganze Welt könne in ein schwarzes Genfer Loch aufgesogen werden! Bis jetzt aber sitzt zumindest das Münchner Volkstheater nach wie vor im weiß-blauen Loch und gibt seine Antwort auf Cern, Globalisierung, Popkultur und Machtstreben: Simon Stolberg inszeniert Goethes Faust, oder zumindest das, was davon übrig blieb.

Denn der erst 29-jährige Regisseur, der mit seiner Don-Quijote-Inszenierung in diesem Jahr zum Nachwuchsfestival "radikal jung" eingeladen war, bringt kaum einen Text auf die Bühne, ohne ihn vorher historisch zu entladen, auf unsere Zeit zu polen und mit Gags und Klamauk zu elektrifizieren.

In diesem Spannungsfeld findet sich nun auch Heinrich Faust (Jan Viethen) wieder, der mit seinem Teilchenbeschleuniger und den fünf Forscher-Kollegen nach dem sucht, was "die Welt im Innersten zusammenhält". Und kommt gleich zur Sache, ohne langwierigen Eingangsdialog über das Theater, aber dafür mit scharfen, schnellen Witzen, die so vielleicht nicht ganz im Original stehen, dafür umso mehr als Goethebeschleuniger wirken.

"Größtenteils werden aber immer noch die Texte verwendet, die so auch in der Tragödie stehen", so die Dramaturgin Katja Friedrich, aber "weggestrichen und umgebaut wurde schon einiges". Und auch auf der Bühne wird viel umgebaut, jedoch nicht materiell, sondern personell: Die Forschergruppe löst sich schnell ins Abstrakte auf, um als Gretchen (Barbara Romaner) oder multipler Fünfer-Mephisto auf Faust einzuwirken, der sich den anziehenden Versuchungen der Gegenwart stellen muss: Berühmtheit als Popstar, die wirtschaftliche Weltherrschaft als Global Player. Was von alledem aber macht glücklich? Das Volkstheater hat bestimmt eine elementare Antwort parat.

Faust, nach J. W. Goethe. Premiere: Do., 2. Okt., 19.30 Uhr, Volkstheater, Brienner Str. 50, 5234655

(SZ-Extra vom 2. Oktober 2008/Matthias Weigel/jh) Foto: Gabriela Neeb

Kultfabrik, Apartement 11

Quelle: SZ

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Party

Tanzen bis die Füße schmerzen

Donnerstag: Gewaltig: Das Electric Lounge Orchestra bedient bis Freitagnacht in der Muffathalle mehr als 30 Plattenspieler gleichzeitig - dazu mischt Bülent Kullukcu Sphären-Klänge (20 Uhr, Zellstraße 4). Happy Birthday: Die Hip-Hop-Partynacht von Max Merl, "Watcha Want", feiert im Atomic Café dritten Geburtstag mit Stargast DJ Beware von Radio FM4 aus Wien (22 Uhr, Neuturmstraße 5). Doppelspitze: Die DJ-Stars Ian Pooley und Tonka zeigen sich in der Roten Sonne von ihrer besten Elektro-Pop-Seite (22 Uhr, Maximiliansplatz 5).

Freitag: Wumm! Das "Bavarian Mobile Disco"-Team und Taming the White Rhino spielen im Pimpernel auf. Das verdrehte Motto: "Turrrrbotrnk Gttrrare" (22 Uhr, Müllerstraße 56).

Samstag: Buchstaben über der Stadt: Thees Uhlmann alias Tomte gibt ein hinreißendes Konzert bei der Musikexpress-Party im 59:1 (22 Uhr, Sonnenstraße 27). Paul Kalkbrenner stellt seinen Techno-Film im City-Kino vor (siehe Seite 6) und legt danach im Harry Klein seinen Minimal auf (23 Uhr, Friedenstraße 10).

Sonntag: Servus auf der Wiesn: Das 175. Oktoberfest geht bis 23 Uhr in die letzte Runde. Warum nicht dem Schatz noch ein Lebkuchenherz kaufen (Theresienwiese)?

Montag: Melancholie: Im Schwarzen Hahn legt DJ Norbert nur Moll-Platten von Nick Cave, Tindersticks und Tom Waits auf (20 Uhr, Ohlmüllerstraße 8).

Dienstag: UKW: Das "Downtownradio" sendet live aus dem Substanz und bringt die seelenvolle Band Boy Android mit (20 Uhr, Ruppertstraße 28). Yo! In der Glockenbachwerkstatt steht das Mikrophon allen B-Boys und It-Girls frei zur Verfügung bei der "Open Mic Party" (20 Uhr, Blumenstraße 7). Im Feierwerk stellt sich die Popakademie München vor. Mit dabei sind Akademie-Schüler wie die Rocker Kalas, Milos und Sternenkind (19.30 Uhr, Hansastraße 39).

Mittwoch: Holareiduljöh! Im Platzhirsch wird bei der "Alpenparty" ein Jodlseminar angeboten (20 Uhr, Rosental). DJ Jan Krause, auf Michael Reinboths Plattenlabel Compost mit seiner intelligenten Elektro-Band Beanfield unter Vertrag, gibt im Café am Hochhaus eines seiner wunderbaren Gastspiele mit vielen abgedrehten Tüfteleien am Plattenspieler (21 Uhr, Blumenstraße 29).

(SZ-Extra vom 2.Oktober 2008/acb/jh) Foto: Julia Häglsperger

Macbeth-Inszenierung, Hösl

Quelle: SZ

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Musiktheater

Die tödliche Macht der Leidenschaft

Dieser "Macbeth" ist eine Premiere in mehrfacher Hinsicht: Die mit Spannung erwartete Inszenierung eröffnet nicht nur die Spielzeit 2008/2009 an der Staatsoper. Sie markiert gleichzeitig den Beginn der Intendanz von Nikolaus Bachler am altehrwürdigen Haus - der gebürtige Steiermärker hatte seit 1999 das Burgtheater geleitet. Um nun zu zeigen, in welche Richtung die musiktheatralische Reise unter seiner Ägide gehen soll, hat er zum einen einen Stoff ausgewählt, der verdeutlicht, was er unter "den Spielplan mediterraner machen" versteht - die großen Verdi-Opern zum Beispiel.

Zum anderen hat Bachler für die Inszenierung seinen Landsmann, den Kärntner Martin Kusej, erstmals ans Haus geholt. Der gilt als Opernregisseur der starken Emotionen. Aus den Stoffen arbeitet er vornehmlich das menschlich Bewegende heraus - mit Erfolg: Unter anderem leitete er 2005 und 2006 den Bereich Schauspiel der Salzburger Festspiele. Und er wird den Münchnern in Zukunft noch viel zu sagen haben: 2011 übernimmt er die Intendanz des Bayerischen Staatsschauspiels.

Als Leitlinie für seine Interpretation des "Macbeth" greift er auf ein Verdi-Zitat aus einem Brief zurück: "Das Sujet dieser Oper ist weder politisch noch religiös: Es ist phantastisch", schrieb der Komponist darin und unterstrich damit die mögliche "romantische" Lesart von Shakespeares schaurig-schöner Vorlage. In rasantem Tempo rollen in Verdis Oper die Köpfe: Kaum weissagen die Hexen, dass Macbeth auf dem Thron von Schottland sitzen wird, schon metzelt er, angetrieben von der mordlüsternen Gattin, den regierenden König. Und das Blut nährt immer neue Gewalt.

Kusej konzentriert sich in seiner Inszenierung stark auf das Dreigestirn Macbeth (Zeljko Lucic), Lady Macbeth (Nadja Michael) und die Hexen. Deren Triumfeminat wiederum deutet er psychologisch klar als Wünsche beziehungsweise unerfüllte Sehnsüchte - womöglich gar als die Kinder, die das Mörderpaar leiblich nie hatte. Dass es in dieser Auslegung des wuchtigen Dramas nicht nur um ein paar politische Morde geht, die die beiden verüben, zeigt schon der Blick auf ein einziges der ausdrucksstarken Bühnenbilder: Ein Meer von Totenköpfen umbrandet die beiden und illustriert ihren Status als Massenmörder. Klar, dass Kusej und sein Dirigent Nicola Luisotti diesen "Macbeth" auch musikalisch in ein Fest der dunklen Klänge verwandeln wollen. Die werden leidenschaftlich und mächtig von der "sotto voce", der im Halblaut vibrierenden Stimme, der Lady Macbeth angeführt.

"Macbeth" von Verdi, Inszenierung: Martin Kusej, Premiere: Do., 2. Okt., 19 Uhr, Staatsoper, Max-Joseph-Platz 2, 21839182

(SZ-Extra vom 2. Oktober 2008/Susanne Hermanski/jh) Foto: Wilfried Hösl

Burn After Reading, AP

Quelle: SZ

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Geheimdienstposse

Sexiest Trottel alive

George hin, Brad her. Der neue Film "Burn After Reading" der Brüder Ethan und Joel Coen (No Country For Old Men) geht etwas schleppend los. Das liegt am schwelgerischen Tempo, in dem sie ihre Figuren vorstellen: eine selten schöne Selection ausgemachter Trottel und Schufte unserer Tage. Bei der Pressekonferenz in Venedig haben die beiden zu Protokoll gegeben, sie hätten mit Burn After Reading ihre "Idioten-Trilogie" mit George Clooney vollendet - nach Oh Brother Were Art Thou und Intolerable Cruelty.

Doch die erste Szene gehört nicht George, noch Brad, sondern John Malkovich in der Rolle des altgedienten CIA-Mannes Osborne Cox. Diesen Namen sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ozzie durchmisst in seinen guten Lederschuhen die CIA-Headquaters von Washington und tritt durch die Tür seines Chefs. Der hat schlechte Nachrichten für ihn: Weil Ozzie Alkoholiker ist, fliegt der Fliegenträger mit dem fiesen, kahlen Schädel. Fristlos.

Osborne Cox sinnt auf Rache und ist wild entschlossen, daheim auf der Chaiselongue seiner Gattin Katie (Tilda Swinton) - die kälter ist als die Eiswürfel in seinem Bourbon - ein Enthüllungsbuch über seine Zeit beim CIA zu schreiben. Unglücklicherweise taucht bald darauf in einem Fitnessclub eine CD-Rom mit den ersten Kapiteln auf. Der glückliche Finder, einer der Trainer, ist Chad Feldheimer alias Brad Pitt. Pitt zeichnet ihn so einfältig wie eine Rumpfbeuge und trägt dazu als Reminiszenz an seine frühe Rolle des Johnny Suede (1991) hell gebleichte Haarspitzen.

Freilich ist dieser Chad viel zu phantasielos, alleine aus dem Fundstück Kapital zu schlagen. Dabei hilft ihm seine hoch motivierte Kollegin Linda, gespielt von Joel Coens Ehefrau, Frances McDormand (Fargo). Linda repräsentiert zwei der größten Irrungen der modernen Frau: Erstens will sie ihren Körper runderneuern lassen - mit Hilfe kostspieliger Eingriffe der Schönheitschirurgie - um bessere Chancen auf dem Heiratsmarkt zu haben. Und zweitens glaubt sie, diesen im Internet auf irgendwelchen Dating-Seiten zu finden. Dass dort so mancher Fisch, der ins Netz geht, faul ist, merkt sie noch. Doch lernt sie daraus nicht. Auch nicht als Harry Pfarrer auftaucht. Der ist George Clooney und sieht auch fast so aus. Nur leider ist er bereits verheiratet und unterhält zudem eine Langzeitaffäre mit Katie Cox.

So schließt sich also der Kreis, und das Narrenschiff kann endlich Fahrt aufnehmen. Der russische Botschafter darf dabei auch noch mitmischen, es werden Schüsse fallen und einige der trefflichsten Wortsalven auf Screwball-Comedy-Niveau abgefeuert. Und manchmal fliegen deren Kugeln auch langsam wie in Zeitlupe. Wie aus dem Munde Brad Pitts, wenn er als göttlich tumber Thor in der Rolle des Erpressers die Grabesstimme übt: "Ooosboorne Cooox?"

(SZ-Extra vom 2. Oktober 2008/Susanne Hermanski/jh) Foto: AP

Kaspar Häuser Meer

Quelle: SZ

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Drama

Kinder des Grauens - Die Satire ,,Kaspar Häuser Meer'' im Werkraum

"Es ist einerseits ein grässliches Thema, andererseits wird es mit Humor betrieben" , sagt Lars-Ole Walburg, der im Werkraum "Kasper Häuser Meer" inszeniert. In der Satire geht es um nichts Geringeres als die Serie von Kindsmorden durch Eltern, die in den vergangenen Monaten die deutsche Gesellschaft erschütterte. Erzählt wird darin indes nicht aus der Perspektive der Opfer, sondern von der Warte dreier Jugendamtsmitarbeiterinnen aus.

"Die Profanisierung des Grauens, dieses erhöhte Distanzvermögen der Situation, halte ich für eine clevere Variante des schwierigen Themas", sagt der Regisseur: "Der Humor entzündet sich schließlich nicht daran, dass man sich über einzelne Fälle lustig macht oder über die Arbeit des Jugendamts. Er entfacht sich an der Situation der Zusammenarbeit in einem Büro - eher wie in der Fernsehserie Stromberg. Und ich hoffe doch sehr, dass so mancher Lacher dabei dem Publikum im Halse stecken bleibt."

Entgegen der Uraufführung in Freiburg, die sich stark auf die Wortwirkung konzentrierte, setzt Walburg den sehr elaborierten Bühnentext auch bildhaft in Szene. Die Probenfotos sprechen von einem ganzen Babypuppenheer, das die ungelösten Fälle versinnbildlicht und von überhöhender Travestie: Die drei Frauen vom Amt werden von Männern gespielt.

Das Stück hat die 38-jährige Autorin Felicia Zeller als Auftragswerk geschrieben. Wer nun den Eindruck hat, das Ganze sei lediglich eine auf Provokation angelegte Theater-Dekadenz, täuscht sich wohl. Bei den Mühlheimer Theatertagen 2008 hat das Stück den Publikumspreis gewonnen - nicht etwa den Lorbeer einer möglicherweise längst wirklichkeitsfernen Kritikergilde.

Kasper Häuser Meer, Premiere: Do., 3.Okt., 20 Uhr, Werkraum, Hildegardstr.1, 21839182

(SZ-Extra vom 2. Oktober 2008/Susanne Hermanski/jh) Foto: A. Pohlmann

Leonard Cohen, dpa

Quelle: SZ

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Singer-Songwriter

Rente für einen Heiligen

Ganz profane Ursachen gebaren den bis heute leuchtenden Fixstern der Pop-Sinnsucher, den Großmeister eines melancholischen Folk-Gottesdienstes, den Oberzeremonienmeister einer blues-getränkten Schwermut: Bevor der bereits 32-jährige Leonard Cohen mit "Suzanne" 1967 groß herauskam, hatte er bereits zwei Romane und vier Gedichtbände geschrieben, aber eben auch gemerkt, dass sich mit Literatur ein vergeistigtes Aussteigerleben - am liebsten auf der griechische Künstlerkolonie-Insel Hydra - schwer finanzieren lässt. Also griff er zur Gitarre.

Weil sich aber zudem die meisten Fremdkompositionen schnell als ungeeignet für den knarrigen Bass des jüdischen Weltreisenden aus Kanada erwiesen, musste der sein dunkles Organ schließlich mit eigenem Material in Szene setzen. So begann die Weltkarriere des von vielen nahezu als Heiligen verehrten Schöpfers von lyrisch-philosophischen, gerne auch politisch durchdrungenen Balladen wie "Dance Me to The End of Love", "Bird on The Wire","So Long, Melanie" oder "Hallelujah".

Nicht minder profan ist der Grund, der die Legende Cohen nun nach 15 Jahren wieder auf die Bühnen brachte: Während der fünf Jahre, die er sich in ein Zen-Kloster zurückgezogen hatte, brachte seine Managerin sein Vermögen durch. Cohen muss also schlicht wieder seine Rente erarbeiten. Nach allem, was von den bisherigen Konzerten bekannt ist, scheint das ein Glücksfall zu sein. Auch in der Münchner Olympiahalle wird sich wohl ein fast altersloser, ja jugendlich beschwingter 73-Jähriger präsentieren, der mit eher noch gereifter Stimme, fit, gelöst, weise und verschmitzt die alten Kämpfe Revue passieren lässt. Kämpfe, die zwar ausgestanden sind, deren Wert sich aber bis heute erhalten hat.

An dem als einmalige Tour geplanten Comeback hat Cohen dem Vernehmen nach so viel Geschmack gefunden, dass er weitermachen will. Und auch sein sonstiger kreativer Output ist nicht übel: Parallel zum Münchner Konzerttermin erscheint im Blumenbar-Verlag die von Größen wie Karl Bruckmaier, Jens Friebe oder Wolf Wondratschek übersetzte deutsche Fassung von Cohens neuem "Buch der Sehnsüchte".

Leonard Cohen, Mo., 6. Okt., 20 Uhr, Olympiahalle, 21839281

(SZ-Extra vom 2. Oktober 2008/Oliver Hochkeppel/jh) Foto: dpa

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