Veranstaltungstipps:Die Woche in München

Die Woche der Verwerter: Von wem kupferte Walt Disney ab, wie viele alte Hits spielt R.E.M und welches Buch wurde fürs Kino verfilmt. Die Tipps der Woche immer donnerstags auf sueddeutsche.de.

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Michael Stipe, Reuters

Quelle: SZ

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Pop

Flucht vor dem Fluch des Erfolgs

Mit dem neuen, ruppigen Album sehnen sich "R.E.M." zu ihren Anfängen zurück und spalten die Fan-Gemeinde. Das Leben im Rockolymp ist nicht jedermanns Sache. Da sitzen sie nun, Michael Stipe, Mike Mills und Peter Buck, als R.E.M. haben sie in den vergangenen 28 Jahren Weltruhm erlangt. Pop-Klassiker wie "Losing My Religion", "Man on The Moon" und "Everybody Hurts" sowie die Alben "Green", "Out of Time" und "Automatic for The People" erhoben das Trio aus dem amerikanischen Staat Georgia zu Rock-Heroen. Halbgöttern, denen es an Antrieb fehlt, wie Kritiker mosern.

Das 2004 erschienene Werk "Around The Sun" bezeichnete die Band im Nachhinein selbst als misslungen. Das Knurren der Fans nahm sie aber keineswegs zum Anlass, nun wieder im Stil von "Losing My Religion" eingängigen Pop auf Platte zu pressen. Auf ihrem aktuellen Album "Accelerate" ("beschleunige!") machen sie den Titel zum Programm. In 36 Minuten rocken Gitarrenbretter zu Stipes Reibeisenstimme. "Accelerate" spaltet seine Hörerschaft. Die einen vermissen neue Einfälle und eine klare Struktur. Die Pro-Fraktion lobt die Rückkehr zum rauen Sound der frühen Bandgeschichte.

Tatsächlich erinnert das 14. R.E.M.-Studioalbum mit ruppiger Gitarrenrock-Atmosphäre an eine Phase, in der die Band noch fern vom Weltruhm war. Glücklich machte sie der Erfolg nicht unbedingt. Immer wieder betonten die drei, dass sie ihn mehr als Fluch als als ein Geschenk betrachten. Nun soll also eine Rückkehr in jene Zeit stattfinden, als Stipe als Kunststudent am College eingeschrieben war? 28 Jahre auszublenden, ist unmöglich. Was der Band auf dem neuen Album allerdings gelingt, ist die Hinwendung zum Politischen. Stipe wendet sich wütend gegen Missstände in der amerikanischen Gesellschaft. Die düstere Grundstimmung, etwa in "Houston", sollte die Fans der Hits keine Angst vor dem Konzert einjagen. Bei 36 Minuten Albumlänge bleibt in der Olympiahalle viel Zeit für die Hits.

R.E.M., Di., 23. Sep., 20.30 Uhr, Olympiahalle, 21839182

SZ-Extra vom 18.09.2008/Andrea König/jh Foto: Reuters

Disney, Hypo-Kunsthalle

Quelle: SZ

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Kunst & Zeichentrick

Transatlantischer Kulturaustausch

Spieglein, Spieglein, an der Wand - wer hat die schönsten Bilder im ganzen Land? Die Kultur des "Alten Europa'" hat Walt Disney beeindruckt: Von einer Reise brachte er 1935 etwa 350 illustrierte Bücher - Märchen, Literatur, Kunstgeschichte - mit in die USA. Kunst des 19.und frühen 20. Jahrhunderts diente seinen Zeichnern als "Bild-Fundus" für die Erschaffung der Welten von Micky, Schneewittchen, Bambi, Alice und Mowgli, so die These der Ausstellung.

Murnaus expressionistischer Film "Nosferatu", das Städtchen Rothenburg ob der Tauber, eine Landschaft von Caspar David Friedrich, ein Böcklin'scher Pan und Tier-Karikaturen von Heinrich Kley spiegeln sich in Arbeiten der Disney-Studios bis 1967. Diese sind ebenso zu sehen wie Skizzen, Figuren, Filmhintergründe oder der Kurzfilm "Destino" von Disney und Salvador Dali - eine Rarität. Die Schau war bereits in Paris und Montreal zu sehen. Extra für Bayern thront ein Original-Kachelofen aus Neuschwanstein im Raum, als sei er Disneys Dornröschen-Film entsprungen, für den das "echte" Märchenschloss Modell war. Wie König Ludwig, so Kurator Diederen, bediente sich Disney aus Versatzstücken, um ein phantastisches Gesamtkunstwerk entstehen zu lassen. Ein lustvoller Blick auf ein Stück Kulturgeschichte - und eine Reise in die Kindheit!

Das Bild zeigt Henri Rousseaus geheimnisvolle Urwald-Welten (links) und Disneys Trickfilm-Klassiker "Das Dschungelbuch". Walt Disneys wunderbare Welt und ihre Wurzeln in der europäischen Kunst, 19.September bis 25. Januar 2009, täglich 10-20 Uhr; Hypo-Kunsthalle, Theatinerstraße 8, 224412

SZ-Extra vom 18.09.2008/Tanja Baar/jh Foto: Hypo-Kunsthalle

Party,ddp

Quelle: SZ

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Party

Donnerstag: Prickelnd: Zum 250. Geburtstag des Champagners Moët & Chandon lassen vier Münchner Clubs legendäre Party-Epochen auferstehen: Im P1 feiern die Gäste wie am Hofe Ludwig XV. in Versailles (23 Uhr, Prinzregentenstraße 1); das Hugo's lädt in die wilden Zwanziger, ins verruchte Berlin (21 Uhr, Promenandeplatz 1-3); der Nightclub im Bayerischen Hof feiert das Jahr 1978 im Studio 54 mit dem Original-DJ Nicky Siano (23 Uhr, Promenadeplatz 2-6); und das rauschende Hier und Jetzt erlebt man in der "Moët Fabulous Lounge" im Lenbach (22 Uhr, Ottostrasse 6).

Freitag: Zucker, Brot und Peitsche: Verrucht wird es in der "Fetish Lounge" zu Clubsounds von DJ B. Nasti im Palais. Dresscode: Latex, Lack, Leder (22 Uhr, Arnulfstraße 16). Länderdreieck: Auf der "K7 Records Europa Tour" liefern der Brite Swayzak, der Pariser DJ Joakim und das Münchner Kindl Upstart internationale elektro-minimale Beschallung in der Roten Sonne (23 Uhr, Maximilliansplatz 5). Tom Novy legt zum "Wiesn Season Countdown" im 8 Seasons auf (21 Uhr, Maximillianstraße 2).

Samstag: O'zapft is: Des Röckerl zurechtg'zupft, de Haferl poliert - die Wiesn geht los. Gspusis: Vom Zelt in die Muffathalle zu den DJs Moonbootica, Lars Moston, Lützenkirchen, Tonio Barrientos und Gilbert Martini (22 Uhr, Zellstraße 4). Hoffen auf gutes Wetter: Auf der Baaderstraße wird mit japanischem Tanz, Cocktails, Grill-Spezialitäten und der kuriosen Musik von Kamerakino (20 Uhr) gefeiert (14-22 Uhr) Es wird wieder oktoberfestlich in der Schrannenhalle gefeiert - täglich rund um die Uhr oben im Saal und Donnerstag bis Freitag von 22 Uhr an im Kellerclub. Für eine zünftige Festzeltstimmung sorgen DJ Harry Flint, Klangverwalter, Stefan Kufner, Mike, Hyni, Andi Kessler, Steve Lane und Harry(Viktualienmarkt 15).

Sonntag: Schwerelos: Wiesn-Kontrast-Programm mit Newton Faulkner. Der Engländer mit der sanften Blues-Stimme bringt das Ampere mit Texten über Hinterwäldler, Strände und Surrey zum Träumen (20 Uhr, Zellstrasse 4). Zappenduster: "Rosa Sonne"-Elektrobeats gibt es im Cafe am Hochhaus mit dem selbsternannten Diplom-Gangster DJ Anette Party (20 Uhr, Blumenstraße 29).

Montag: Glamourös: Das Lenbach präsentiert täglich die "Wiesn-Disco 2008". Dirndl-Madeln und fesche Burschen feiern nach Zeltbesuch auf zwei Ebenen zu Wiesn-Hits und Clubsounds mit Münchner DJs wie Nikias Hofmann, Petko und Thorleif (20 Uhr, Ottostraße 6).

Dienstag: Sommer-Mix: Mêlée aus Orange County kommen ins 59:1 (21.30 Uhr, Sonnenstraße 27).

Mittwoch: Lecker: Ur-"Britwocher" Henning Furbach serviert im Atomic Café britische Indie-Delikatessen und kleine Schwedenhappen (22 Uhr, Neuturmstraße 5).

SZ-Extra vom 18.09.2008/Anne Oloff/jh Foto: ddp

Friedliche Zeiten, ddp

Quelle: SZ

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Tragikomödie

Die Angst vor der großen Freiheit

Wir schreiben das Jahr 1968. Die Mutter - ebenso schön wie blond - klemmt hinter dem Lenkrad der Familienkutsche und stiert panisch in die regenschwere Nacht. Der Scheinwischer kämpft vergebens, ihre Sicht zu klären. Irene ist überzeugt: "Jetzt kommen die Russen!" Und lieber will sie sich das Leben nehmen, als denen in die Hände zu fallen. "Jetzt fahr ich in die Donau. Aber keine Angst, ich nehm' Euch mit!", ruft sie ihren Kindern zu. Die hocken zu dritt auf der Rückbank, und diesmal ist ihnen doch ein bisschen mulmig.

Ansonsten sind sie ja schon viel gewöhnt von ihrer ewig unglücklichen Mutter. Aus der Perspektive der Kinder Ute (Nina Monka), Wasa (Leonie Brill) und Flori (Tamino Wecker) erzählt Neele Leana Vollmar die mehr komische denn tragische Geschichte der Famlie Striesow. Während sich deren Nachbarschaft in piefiger Gemütlichkeit und dem Nachkriegswohlstand suhlt, braut sich bei Striesows der Dritte Weltkrieg zusammen.

Nicht nur, weil Irene ihn beim Einmarsch der Russen in Prag im Fernseher nahen sieht. Auch weil ihr lebenslustiger Mann die ständigen Ängste seiner Frau einfach nicht mehr aushält und der kalte Ehekrieg zu eskalieren droht. Seit sie 1961 alles in der DDR zurückgelassen haben und in den Westen geflohen sind, leidet Irene unter herzzerreißendem Heimweh. Sie sehnt sich zurück nach der Sicherheit, die sie in der DDR zu haben glaubte. Sie findet sich nicht zurecht in diesem Westen mit seinen großen Autos, die sich "so breit machen, dass man einfach in sie reinfahren muss". "Macht die Kette vor", ist oberstes Gebot, wann immer sie die Wohnung verlässt und die Kinder daheim bleiben. Schon lange hat sie ihren Mann in Verdacht, sie zu betrügen...

Neele Vollmar adaptiert mit Friedliche Zeiten den gleichnamigen, autobigraphisch geprägten Roman von Birgit Vanderbekes. Sie trifft den Tonfall genau, der dazu nötig ist, dieses schrullige Gegenbild aus dem wilden Jahr 1968 auf den Punkt zu bringen. Die Sechziger-Jahre-Ausstattung ihres Films zelebriert sie dazu ebenso exquisit und farbig prall wie die Besetzung. Axel Prahl überzeugt als liebenswerter Schwerenöter und Katharina Schubert, den Münchnern bekannt als virtuose Kammerspielerin, ist als Irene eine Entdeckung. Von ihr werden wir sicher noch viel zu sehen bekommen. Und von Neele Vollmar ebenfalls. Die Münchnerin arbeitet jetzt schon an ihrer nächsten Bestsellerverfilmung: Maria, ihm schmeckt's nicht.

SZ-Extra vom 18.09.2008/Susanne Hermanski/jh Foto: ddp

jazz, istockphoto

Quelle: SZ

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Konzert

Die Jazzer ganz klassisch

Zusammen mit "Cuba Percussion" sind sie berühmt geworden, mit Edson Cordeiro haben sie "Klazz Meets The Voice" aufgenommen: der Pianist Tobias Forster, sein Bruder Kilian und der Schlagzeuger Tim Hahn. Das Jazz-Trio widmet sie sich aber auch der klassischen Musik, wie auf ihrer ersten Aufnahme mit Hits von Bach über Beethoven bis Schumann zu erleben ist.

Diese Affinität zur Klassik ist sicherlich in ihrer Biographie begründet: Kilian Forster war Solobassist im Leipziger Gewandhausorchester und bei den Dresdner Philharmonikern, während Pianist Tobias Forster, auch Arrangeur und Komponist des Trios, sich nie eindeutig für Jazz oder Klassik entscheiden wollte und zuletzt Händels "Messias" in einer spektakulären Version für Knabenchor, Solisten, Big Band und die Klazz Brothers bearbeitete. Nun kommen die Klazz Brothers ins Künstlerhaus am Lenbachplatz - und zwar mit einem rein klassischen Repertoire im Gepäck.

Klazz Brothers, Werke von Bach, Beethoven und Schubert, Mo., 22. Sept., 19.30 Uhr, Künstlerhaus am Lenbachplatz, Festsaal, Lenbachplatz 8, 5 99 18 40

SZ-Extra vom 18.09.2008/klk/jh Foto: istockphoto

Frank Lüdecke

Quelle: SZ

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Polit-Kabarett

Die Republik schrumpft

Da gibt es also jemanden in der SPD, der sich für eine "kontrollierte Verwilderung" im Osten unserer Republik ausspricht: Politiker Thomas Kralinksi. Er sieht im "geordneten Rückzug" und einer "kontrollierten Schrumpfung" einiger ländlichen Regionen, zum Beispiel in Brandenburg, die Möglichkeit, strukturschwache Gebiete wieder zu einem "Rückzugsraum für Natur und Tier" werden zu lassen. Eine umstrittene These, aber genau der richtige Stoff für Frank Lüdecke. Der satirische Analytiker unter den Kabarettisten, dessen "privilegierte Partnerschaft" beim "Scheibenwischer" seit fünf Jahren funktioniert, macht aus dieser These eine knallharte Gesellschaftsbeschreibung. Nicht polemisch, sondern mit einer Beobachtungsgabe, die die deutsche Politik pointiert und subtil widerspiegelt.

Lüdecke will mit seinen Betrachtungen nicht die Dauerlächler und Pointen-Zähler begeistern, sondern auf stille und nachdenkliche Weise provozieren. Er ist und bleibt ein Verfechter des klassischen Polit-Kabaretts. Und so spottet er über selbst ernannte Experten wie Eva Herrman, analysiert Hartz IV und stellt neue Thesen zur Globalisierung auf. Am Ende muss die Verwilderung der Republik von Neudenkern wie Kralinski gar nicht mehr propagiert werden, sie hat schon längst begonnen: Verwilderung beginnt nämlich da, philosophiert Lüdecke, wo keiner mehr Verantwortung übernimmt, Politik keinen Willen mehr zeigt und die Wirtschaft keine Moral mehr kennt. Nicole Graner

"Verwilderung": Soloprogramm von Frank Lüdecke, Mi., 24. (Premiere), bis Sa., 27. September, jeweils 20 Uhr, Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastraße 9, 39 19 97

SZ-Extra vom 18.09.2008/Nicole Graner/jh Foto: oh

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