Veranstaltungsabsagen:Oper für wenige

Zwar spielt die Staatsoper ihr Programm wie geplant, ihr Open-Air-Spektakel am Sonntag aber hat sie aus Pietätsgründen abgesagt. Denn nebenan findet die zentrale Trauerfeier statt. Die Frage, absagen oder nicht, beschäftigt dieser Tage viele Kulturveranstalter

Von Rita Argauer

"Oper für alle" ist alljährlich der große Abschluss der Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper. Die letzte Vorstellung im Haus wird dabei per Video auf den Max-Joseph-Platz für bis zu 15 000 Menschen übertragen - bei freiem Eintritt. Am kommenden Sonntag, 31. Juli, hätte das Freiluft-Spektakel zum 20. Mal stattgefunden. Nun wurde die Veranstaltung abgesagt.

Die geplante Vorstellung im Haus wird stattfinden, die Übertragung nach draußen aber entfällt aus Pietätsgründen, wie es von Seiten der Staatsoper heißt. Denn für Sonntag sind auch der Gedenkgottesdienst und der Trauerakt zum Amoklauf vergangener Woche angesetzt. "Aufgrund der Parallelität der Ereignisse haben wir uns entschieden, die Live-Übertragung von "Die Meistersinger von Nürnberg" nicht stattfinden zu lassen", teilte die Staatsoper am Dienstag mit.

Es geht bei den vielen Absagen diverser Kulturveranstaltungen also auch um den öffentlichen Raum, in dem eine gewisse Feierstimmung dieser Tage unangemessen wirkt. Anders ist das etwa bei den regulären Theater- und Opernvorstellungen: Bereits am Samstag veröffentlichten die Münchner Theater und Opernhäuser Erklärungen, die den Entschluss mitteilten, den Spielbetrieb fortzusetzen: "Kunst ist ein Fanal der Freiheit, der Verbindung und der Menschlichkeit, das sich niemals der Gewalt beugen darf. Wir spielen, um allen Trost durch die Kunst zu spenden." Und der Intendant des Gärtnerplatztheaters, Josef E. Köpplinger, erklärte zu Beginn eines Musical-Wettbewerbs des Theaters, der am Samstag stattfand, die Münchner Theater hätten sich abgesprochen und darauf geeinigt, weiterzuspielen. "Wir haben uns entschieden, unsere Vorstellungen wie geplant zu spielen", erklärt auch Staatsopern-Intendant Nikolaus Bachler. Doch: Eine "sommerliche Großveranstaltung vor den Toren des Hauses" zu veranstalten, wenn in unmittelbarer Umgebung getrauert werde, erscheine dem Haus unangebracht - der Gottesdienst findet im Dom statt.

"Oper für alle" ist nicht die einzige Veranstaltung, die im Zuge des Amoklaufs abgesagt wurde. Das Tollwood-Festival im Olympiapark etwa wurde zwei Tage früher als geplant beendet. Nach den Ereignissen vom Freitag wurden die Veranstaltungen am vergangenen Wochenende abgesagt. Das Programm des Kino-Open-Airs auf dem Königsplatz an diesem Mittwoch wurde angepasst: Statt dem Actionfilm "Deadpool" zeigt man dort nun zwei Folgen "Kir Royal". Und auch der Beginn des Theatron-Musiksommers im Olympiapark wurde nach hinten verlegt. Die ersten vier der geplanten Konzerte entfallen - das Festival beginnt nun offiziell am Montag, 1. August, genauso wie das Sommerfestival "Impark" an gleicher Stelle.

"Oper für alle" in München, 2015

Bis zu 15 000 Menschen kommen jedes Jahr zur Live-Übertragung "Oper für alle". Die 20. Auflage des Spektakels findet nun aber nicht statt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Künstler sind jedoch nicht immer einverstanden mit der ihnen auferlegten Pietät. So fällt in die Zeit der Theatron-Absage etwa auch die einzige Veranstaltung innerhalb des Festivals, auf der klassische Musik gespielt worden wäre: das jährliche Konzert des Münchner Orchesters "Sinfonietta". Eine Entscheidung, die Hartmut Zöbeley, der Dirigent und künstlerische Leiter des Orchesters, nicht ganz nachvollziehen kann: "Ich denke, so etwas abzusagen, ist genau die falsche Entscheidung", sagt er, denn es gehe ja nicht darum, Feste zu feiern, während andere Menschen trauern, sondern darum, durch die Kunst und die Kultur zusammenzurücken und eine Gemeinschaft zu schaffen. Gerade die Werkauswahl für dieses Konzert (in diesem Jahr war ein Programm unter dem Titel "West-östlicher Diwan" geplant) sei als "Brückenbauer" zwischen Ost und West konzipiert gewesen. Die Enttäuschung, dies nun nicht aufführen zu können, ist groß.

Die Staatsoper hat ihr Spektakel "Oper für alle" allerdings nur vorübergehend abgesagt. Man plane, die Veranstaltung zu Beginn der neuen Spielzeit nachzuholen. Und auch Zöbeley hofft mithilfe des Kulturreferats auf einen Nachholtermin im Herbst.

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