Während manche noch die letzten Ferientage irgendwo in der Welt genießen, freuen sich die schon Zurückgekehrten und die Daheimgebliebenen, dass München in Sachen Kultur wieder durchstartet. Wobei man in diesem Sommer bei dem gigantischen Konzertmarathon von Taylor Swift über Adele bis Coldplay, der sich fast nahtlos ans Münchner Filmfest und an die Opernfestspiele anschloss, ja wirklich nicht von einem kulturellen Sommerloch sprechen konnte. Die Museen waren ohnehin geöffnet und zeigten ein Programm, das teils noch bis in den Herbst zu sehen sein wird. Allein die Galerien und kleinen Institutionen legten ein kleines Päuschen ein, um Luft zu holen für den großen Saisonstart in den Kunstherbst. Was es wo und wann zu sehen gibt, wer die Protagonisten sind und was man auf keinen Fall verpassen sollte.
Wer sind die Veranstalter?
Die Hauptprotagonisten sind zu diesem Termin weniger die großen Museen, als vielmehr die privaten und über Vereine und Stiftungen organisierten Galerien und Kunsträume. Zwei Organisatoren stehen dahinter. Da ist zum einen der Galerieverband Münchens, in dem die privat geführten Galerien organisiert sind. Seit jeher hieß er offiziell etwas umständlich „Initiative Münchner Galerien Zeitgenössischer Kunst“ und lud zum Saisonstart zur „Open Art“ ein. In diesem Jahr zum 36. Mal. Die Initiative hat sich aber vor einiger Zeit ein Refresh verpasst und nennt sich nun ganzjährige „Open Art Munich“ mit dem Zusatz „Gallery Weekend“ zum Galeriewochenende. Diese sprachliche Neugestaltung könnte bei Traditionalisten noch ein Weilchen für Verwirrung sorgen. Zudem war „Gallery Weekend“ bisher eng mit Berlin verbunden. Aber letztlich ist es hier wie da das Gleiche, und so hat nun also auch München – pardon Munich – sein Gallery Weekend.
Der zweite Protagonist ist die vereinsbasierte Initiative Various Others, kurz V.O. Sie verbindet Galerien, Kunsträume und von Künstlern kuratierte Off-Spaces mit der Museumsszene Münchens. Dahinter steht der Verein mit dem nicht minder zungenbrecherischen Namen „Verein zur Förderung der Außenwahrnehmung Münchens als Kunststandort“, kurz VFAMK. Gleichsam in die DNA von Various Others eingeschrieben ist das Streben nach internationalen Kooperationen. Deshalb holen sich viele der Galerien nationale wie internationale Partnergalerien zu dem Event. V.O. lud 2018 erstmals zum Start in den Kunstherbst ein und löste mehr oder minder gut funktionierende Vorläufer ab.
Wann geht’s los?
Der Startschuss für den Kunstherbst fällt wieder am letzten Wochenende der Ferien in Bayern mit Eröffnungen und Veranstaltungen von Freitag bis Sonntag, 6. bis 8. September. Wer nichts verpassen will, sollte sich jedoch schon den Donnerstagabend, 5. September, freihalten. Die Galerien von Open Art Munich Gallery Weekend haben am Freitag, 6. September, von 18 bis 21 Uhr sowie am Samstag und Sonntag, 7./8. September, von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Various Others startet ebenfalls vor allem am Freitag, 6. September, beispielsweise mit der Ausstellung „Key Operators“ im Kunstverein München. Offiziell geht’s um 18 Uhr los, aber so ziemlich alle Galerien öffnen ihre Türen bereits am Nachmittag, um den Run ein wenig zu entzerren und einen entspannteren Kunstbummel zu ermöglichen. Einige Veranstaltungen und Eröffnungen sind bereits am Donnerstagabend. Am Samstag gibt es in den Ausstellungen zahlreiche Gespräche mit Künstlerinnen und Künstlern, Buchpräsentationen, Führungen und Performances. Der Veranstaltungsreigen von V.O. dauert insgesamt zehn Tage und endet am Wochenende vom 14./15. September.
Alles anders?
Wo anfangen, wo aufhören bei einer so langen Liste von Galerien und Institutionen? Altgediente Galeristen wie Klüser, Schöttle und Storms machen bei beiden Organisationen mit. Schöttle hat im Rahmen von V.O. die Galerie Meyer Riegger zu einer Duoausstellung mit Sheila Hicks und Katinka Bock eingeladen, Storms die Galerie Mezzanin und zeigt den französischen Maler Jean-Marc Bustamante. Auch die junge Galerie von Max Goelitz hält beiden Organisationen die Treue und präsentiert die Künstlerinnen Jenna Sutela und Pamela Rosenkranz in Zusammenarbeit mit der Galerie Sprüth Magers.
Interessanter ist jedoch der Blick auf die Veränderungen. Der jahrzehntelang weltweit agierende Kunsthändler Raimund Thomas hat zur Überraschung vieler kürzlich Insolvenz angemeldet. Thomas war die erste Adresse in München, wenn es um Werke des Expressionismus und der Klassischen Moderne ging und war auch der zeitgenössischen Kunst eng verbunden. Lange in der Maximilianstraße zu Hause, residierte Thomas Modern zuletzt in der Türkenstraße. Nun hat man vom Galerienachbarn Wittenbrink, der Malerei von Florian Thomas zeigt, dessen zusätzlichen kleinen Raum in den Fünf Höfen in der Theatinerstraße übernommen und zeigt unter dem Titel „Klein, aber oho: Große Kunst im kleinen Format“ eine Auswahl zeitgenössischer Werke.
Der ebenfalls altgediente Galerist Rupert Walser aus der Fraunhoferstraße hat aus Altersgründen aufgehört. Andere wie Jahn und Jahn (Fred Jahn wird im September 80 und mischt seit 1964 mit im Münchner Kunsthandel), Jo van de Loo und Knust Kunz haben sich von der Galerieinitiative verabschiedet und konzentrieren sich ganz auf Various Others. Dafür ist Nicole Gnesa mit ihrer Galerie dort wieder mit an Bord und zeigt mit der Ausstellung „Heroes“ erstmals Werke der ukrainischen Künstlerin Oksana Zmiyevska.
Neuzugänge bei Open Art
Und es gibt etliche Neuzugänge beim Open Art Munich Gallery Weekend: Erstmals nimmt „Konsum 163“ von Carsten Lehmann und Heike de Fries teil. Sie zeigen die Ausstellung „Neunzwovier – Wilde Mischung im September“ mit mehr als 20 Künstlern der Galerie. Diese hat im Februar ihre Räume in der Schellingstraße 52 bezogen. Hans Leeb und Corina Becker wollen ihre Ausstellungstätigkeit im Kunstraum Leeb Becker zwischen Sendling und Thalkirchen professionalisieren und zeigen zu ihrem Einstieg beim Münchner Gallery Weekend Werke von Rainer Kaiser, Andrea Viebach, Jochen Rüth und Andrea Rozorea.
Neu dabei ist auch die deutsch-chinesische Galerie Ping Rodach Contemporary in der Wurzerstraße neben der Maximilianstraße. Dort zu sehen ist unter dem Titel „Mal So 13 – Malerei lebt und spricht für sich“ eine Gruppenausstellung. Ebenfalls deutsch-chinesisch ist The Tiger Room, ein Projektraum und Galerie in der Heßstraße 48b. Gezeigt wird die Ausstellung „Liquid Narratives“ von Heeyoung Rosa Jo. Und noch ein Player, bei dem sich etliche chinesische Namen auf der Künstlerliste finden, ist neu in München: Die Galerie Oriane, 2018 in Frankfurt am Main unter dem Namen Red Zone Arts gegründet, ist nun in der Münchner Gabelsbergerstraße 9 zu Hause. Die kommende Ausstellung zeigt Werke von Qu Leilei.
Rückkehrer und Neue bei V.O.
Auch bei Various Others gibt es Veränderungen. Zunächst zu den Rückkehrern: Deborah Schamoni, Christine Mayer und Nir Altman, die sich zuletzt von V.O. verabschiedet hatten, sind wieder dabei. Schamoni zeigt von Flaka Haliti „Partly Cloudy or Partly Sunny“. Mayer präsentiert Franka Kaßners Ausstellung „Hintergrund mit Fußnote“. Und Altman, der mit Gathering aus London kooperiert, stellt unter dem Titel „Transferring domain“ Werke von Berlinde De Bruyckere, Emanuel de Carvalho, Jenny Holzer und James Lewis vor.
Über zwei Neuzugänge aus der jüngeren Galerieszene kann V.O. sich auch freuen: Lohaus Sominsky und Nouveaux Deuxdeux. Lohaus Sominsky hat Oniris Art eingeladen und zeigt mit „Angles Morts“ neue Werke von Harm van den Dorpel in Kombination mit Arbeiten von Vera Molnar, die im Bereich der Computer- und Generativen Kunst arbeitet. Nouveaux Deuxdeux, die mit Elektrohalle Rhomberg kooperieren, zeigen Werke der koreanischen Künstlerin Arang Choi. Paulina Caspari ist nun neben dem Beacon auch mit ihrer zweiten Location unter ihrem eigenen Namen dabei und zeigt dort eine Gruppenausstellung, die von dem New Yorker Künstler Andrew Dubow kuratiert wurde. Neu hinzugekommen ist auch die Kunsthalle München, die noch die „Fashion Statements“ von Viktor & Rolf zeigt.
Projekträume im Kommen
Die Eres Stiftung ist jetzt mit dem Projektraum und dem Hauptsitz in der Römerstraße vertreten. Dort hat sie zu V.O. die Akademie der Bildenden Künste zu Gast mit der Gruppenausstellung „one step beyond“. Und bei Projects die Installation „Let’s talk about pollination“ von Anna Hulačovás. Premiere auch für den Metropol Kunstraum in der Georgenstraße, wo der Sammler Markus Michalke den Berliner Künstler und Kurator Michael Müller mit „When we kissed that kiss“ zeigt.
Überhaupt hat Various Others in diesem Jahr umfangreichen Zuwachs im Bereich der Kunst- und Projekträume bekommen. Im Rosa Stern Space in der Schleißheimer Straße 42 präsentiert Nebyula südafrikanische Künstler mit „Resilience: Pleasure and Self-Care in a Precarious World“ in Zusammenarbeit mit dem Berliner Eigen+Art Lab sowie in einer Einzelausstellung Jonas Hoeschl und dessen in Kenia situiertes Projekt „Why are you crying?“ Salta art am Wiener Platz 9 lädt Espacio Temporal ein und stellt Alfredo Jaars Installation „Chiaroscuro“ vor. Und Space n.n. – in den ehemaligen Räumen von Loggia in der Gabelsbergerstraße 26 zu finden – verwandelt sich für V.O. in „hostel n.n.“ und lädt Künstlerinnen und Künstler ein, den Raum tags als Ausstellungsbereich und nachts als Schlafstätte zu nutzen.
Ein paar Extras
Various Others hat in der Schillerstraße 38 eine kulturelle Zwischennutzung. Räume für 13 Künstlerinnen und Künstler aus der zeitgenössischen Kunstszene Münchens, von einer international besetzten Jury ausgewählt aus 37 Nominierten, stehen dort zur Verfügung. „Carrying the Earth to the Sky“ heißt die Show mit Hêlîn Alas, Pierre-Yves Delannoy, Lukas Hoffmann, Veronika Hilger, Anna McCarthy, Jonathan Penca, Gülbin Ünlü, Curtis Talwst Santiago, Valio Tchenkov, Ayaka Terajima, Paul Valentin, Max Weisthoff und Ju Young Kim, die am Samstag, 7. September, mit einem Konzert von Gülbin Ünlü eröffnet wird. Und nicht weit entfernt, in der Landwehrstraße 61, lädt das Zwischennutzungsprojekt Temporary Contemporary zur Ausstellung von Nevin Aladağ und Daniel Knorr, die mit der Performance „Instant Community“ von Knorr bereits am Donnerstag, 5. September, eröffnet wird.
Die Open Art Munich lädt zum Gallery Weekend am Samstag und Sonntag, 7./8. September, wieder zu geführten Rundgängen durch ausgewählte Galerien in den verschiedenen Stadtvierteln ein. Für alle, die sich in der Szene bisher nicht auskennen, eine gute Möglichkeit, viel zu sehen zu bekommen. Dafür muss man sich anmelden (info@openart-munich.de oder Telefon 089/28808509).
Am zweiten Wochenende gibt es von V.O. eine Kollaboration mit den Münchner Kammerspielen, die am 14. September in die neue Spielzeit starten, und dem Magazin Der Greif. In den Werkstätten und im Foyer der Therese-Giehse-Halle gibt es eine Ausstellung, die von Çagla Ilk, der diesjährigen Kuratorin des deutschen Pavillons in Venedig, kuratiert wurde. Und wer über den Saisonstart hinaus immer auf dem Laufenden bleiben will: Various Others hat parallel zur eigenen Website eine neue Online-Plattform gestartet, um das Ausstellungsgeschehen in München besser abbilden zu können: Sie heißt www.filter-munich.com und soll das ganze Jahr über ein Wegweiser durch die Münchner Kunstszene sein.
Der Kunstherbst in München: Open Art Munich Gallery Weekend, 6. bis 8. September, und Various Others Munich, 5. bis 15. September