Süddeutsche Zeitung

Varietekritik:Springlebendig

Premiere der neuen Gop-Show "Funky Town": Eine energiegeladene musikalische Reise mit Weltklasse-Akrobatik zwischen Turbo-Seilhüpfen und Bauchmuskeln auf Speed.

Von Barbara Hordych, München

Beinahe ist alles wie früher im Gop-Varieté-Theater: Die Zuschauer sitzen ohne Maske auf ihren Plätzen, warten bei der Premiere der neuen Show "Funky Town" darauf, dass der Vorhang sich hebt. Nur die Plexiglasscheiben zwischen den Tischreihen, die nicht komplett besetzt sind, weisen darauf hin, dass das Varieté-Haus sich erst allmählich zur Normalität zurückbewegt. "Wir haben lange diskutiert, uns dann aber dafür entschieden, lieber nicht die volle Saalkapazität auszunutzen, dafür aber unseren Gästen das Maskentragen am Tisch zu ersparen", erklärte die stellvertretende Hausherrin Nicola Wucher vor Beginn der Show. Wer drin ist, weiß es zu schätzen. Und wundert sich nur über Poltern hinter dem Vorhang. "Keine Sorge", sagt Wucher schmunzelnd. "Das ist nur einer unserer Artisten, der bis zuletzt mit seinen Koffern übt."

"Funky Town" sei seit anderthalb Jahren die erste Show, die zum ursprünglich geplanten Termin ihre Premiere hat. Das verkündet Wuchers Mann, der Gop-Kreativdirektor Werner Buss freudestrahlend dem Publikum. Die funkensprühende Show ist genau das, was es nach den vergangenen zwangsberuhigten Monaten braucht, soviel kann vorneweg verraten werden. Auch wenn der Disco-Song "Won't You Take Me To Funky Town?" aus den Achtzigerjahren, der einem als akustische Assoziation sofort in den Ohren summt, in der Produktion gar nicht vorkommt. Energiegeladener Funk, Hip-Hop und Rap gibt in der Show trotzdem den Ton an. Verantwortlich sind für sie als Regisseure der Beatbox-Jongleur Robert Wicke und der Komiker und Breakdance-Pionier Kai Eikermann.

Eikermann ist Varietéfans bestens vertraut aus anderen Gop-Shows wie "Asia" oder "Beatz". Aber auch aus dem Circus Roncalli - oder als Gewinner bei Günther Jauchs "Wer wird Millionär". Aus der Show nahm er vor fünf Jahren zwar keine Millionen, aber immerhin 64000 Euro mit nach Hause. Zur Ruhe gesetzt hat er sich damit glücklicherweise nicht. Stattdessen beweist der Comedian mit dem markant ausladenden kahlen Hinterkopf als Meister Proper, dass er eigentlich nur einen Besen braucht, um den ganzen Saal zum Lachen zu bringen. Und natürlich seine Bauchmuskeln. Denn die kann "Mister Roboto" in einmaliger Weise zucken lassen.

Der Hannoveraner Wicke komponierte die Musik zur Show gemeinsam mit dem Argentinier Fede Rimini. Als Artist sorgt Wicke mit einem Auftritt als schwertloser Schwertschlucker für Heiterkeit. Luiza und Dmitrii vom Duo Spirit versetzten mit ihrer Partnerakrobatik und an den Strapaten in Erstaunen. Begeistert aufgenommen wird auch die Darbietung der Springseilkünstlerin Tori Boggs. Sie ist Weltrekordhalterin in der Disziplin "Rope Skipping", mit Auftritten auch schon im Cirque du Soleil.

Und dann erfährt man auch endlich, was es mit dem Gepolter zu Anfang auf sich hat: Monsieur Chapeau baut sich aus drei großen Vintage-Reisekoffern, Brettern und Rollen eine eigene Bühne. Und arbeitet sich Stück für Stück in einem schwindelerregenden Balanceakt in die Höhe, mal auf den Beinen, mal auf den Händen - und dann sogar seilspringend. Ein schönes Bild zur aktuellen Situation der Künste: Ein Auf und Ab der puren Lebensfreude auf wackeligem Untergrund (bis 7. November, Gop-Varieté-Theater, Maximilianstraße 47) .

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