Süddeutsche Zeitung

Valery Gergiev:Der Putin-Freund

Valery Gergiev ist ein sehr guter Dirigent und ein sehr reicher Künstler. Doch seit Schwulenverbände den umstrittenen Musiker kritisieren, stellt sich für die Stadt München die Frage, ob die Philharmoniker mit ihm spielen sollen.

Von Tim Neshitov

Wer ist Valery Gergiev? Zuerst ein sehr guter Dirigent. Leiter des Mariinski-Theaters in Sankt Petersburg und von 2015 an Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Einer der reichsten Künstler Russlands (durchschnittliches Jahreseinkommen: zwölf Millionen Euro). Einer der einflussreichsten klassischen Musiker der Gegenwart. Laut Alex Ross, dem Musikkritiker des New Yorker, sogar der einflussreichste. In New York schauen sie genau hin. Gergiev eröffnete dort im Herbst die Saison der Metropolitan Opera. Das tut er nicht zum ersten Mal, aber diesmal schauten nicht nur Klassikliebhaber hin. Gergievs Konzert wurde von der Queer Nation gestört, einer Gruppe, die sich für die Rechte Homosexueller einsetzt.

Der Maestro - und das ist der andere Gergiev - gilt neuerdings als Schwulenfeind. Auf die Frage einer holländischen Journalistin, was er von Wladimir Putins homophober Gesetzgebung hält, sagte er im September: "In Russland tun wir alles, um Kinder vor Pädophilen zu schützen." In Rotterdam diskutiert der Stadtrat nun, ob man das Gergiev-Festival einstellen sollte, ein Highlight des Rotterdamer Kulturlebens seit 18 Jahren. Auch die Münchner Stadträte werden an diesem Mittwoch über die Causa beraten. Die Rosa Liste rief für diesen Mittwoch zu einer Protestdemo auf, Motto: "To Russia with love." Anlass: Gergiev spielt mit den Münchner Philharmonikern drei Tage lang Strawinski.

Gergiev hat sich mit seinem Interview einige Probleme eingebrockt. Inzwischen sagt er, er sei von der Journalistin falsch verstanden worden. Seine Bredouille sagt aber über den Kulturbetrieb nicht weniger aus als über den Dirigenten selbst. Gergiev war nämlich schon immer: ein Staatskünstler - vom Glauben beseelt, Putin sei der ideale Regent für Russland. Aus seinen politischen Ansichten hat er nie ein Geheimnis gemacht. Im Ausland hat er genauso über Putin gesprochen, wie er es in Russland hält: jüngerhaft. Er hat nie Gesetze Putins kritisiert, sich nie gegen die Kastration von Medien oder die Einschüchterung von Richtern ausgesprochen, oder dagegen, dass Auftragsmorde nicht aufgeklärt werden. Gergiev ist in seinem Putinismus konsequent geblieben.

Trotzdem haben ihn die Münchner zum Chefdirigenten ihres Stadtorchesters erkoren. Vermutlich, weil sie ihn, zuerst, für einen guten Musiker halten. Nun soll Gergiev ein Putin'sches Gesetz kritisieren - eins von Dutzenden. Er soll weder die Freilassung politischer Häftlinge fordern noch die menschenfeindlichen Adoptionsrichtlinien anprangern.

Valery Gergiev ist in diesem Jahr 60 geworden. Trillerpfeifen vor dem Konzertsaal werden kaum läuternde Wirkung auf ihn haben. Dieser Vater dreier Kinder, Sohn eines ossetischen Offiziers, erfüllt wohl tatsächlich nicht die Erwartungen der Rosa Liste, egal welche Statements er noch machen mag. Die Frage ist, ob die Münchner Philharmoniker trotzdem mit ihm spielen wollen.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2013/wib
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