Uschi Obermaier über München:"Die Stones? Ganz meine Kragenweite"

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München ist sehr locker geworden, gar nicht mehr beklemmend. Das findet zumindest 68er-Ikone Uschi Obermaier und spricht über nackte Brüste an der Isar, wilde Zeiten mit Mick Jagger und Keith Richards und ihr Leben als 1200-Mark-Mädchen.

Christian Mayer und Frederik Obermaier

Uschi Obermaier sitzt auf der Dachterrasse des Bayerischen Hofs, es ist drückend heiß, und die Besucherin aus Kalifornien amüsiert sich: Darüber dass sie, die Uschi Obermaier, nun auch noch von einem Obermaier interviewt werde, obwohl man doch gar nicht verwandt oder verschwägert sei. Dann erzählt sie, wie es damals war in München: mit Mick Jagger und den wilden Mädchen von Schwabing. Sie zupft an ihrem Rock herum, fächert sich Luft zu und wirkt noch immer jung, vor allem, wenn sie lacht. Und das tut sie im Verlauf der nächsten zwei Stunden ganz schön oft.

Wurde gern als "Münchens wildester Teenager" oder der "Busen der Revolution"bezeichnet: Uschi Obermaier im Jahr 1969. (Foto: Sueddeutsche Zeitung Photo)

Uschi Obermaier: Was sollen wir bestellen? Einen Tee vielleicht, aber mir ist eher nach etwas Kühlem . . . Mhhh.

SZ: Bitte greifen Sie doch zu, Frau Obermaier!

Obermaier: Ich hätte gerne einen Fruchtsaft, Karotte-Orange, frisch gepresst. So langsam komme ich auf den gesunden Trip, das macht auch mehr Spaß. Sogar das Rauchen hab' ich aufgehört vor einem Jahr.

Muss man ja auch, wenn man in Kalifornien lebt, oder?

Na ja, meine Freundinnen in München leben auch sehr gesund. Was soll man auch sonst machen, wenn man sich erhalten will.

Wie erleben Sie denn nun Ihre alte Heimatstadt, was fällt Ihnen an München auf?

Ich freu' mich erst mal, dass ich wieder hier bin. Obwohl ich ja damals weggegangen bin, weil Deutschland zu eng für mich war. Mir hat es gefallen, dass es in Amerika nicht so viele Verbote gegeben hat, dass die Leute lockerer waren. Doch inzwischen hat sich die Sache gedreht: München ist doch sehr locker geworden. Und diese Beklemmung, die ich früher gespürt habe, ist weg.

Haben Sie einen Lieblingsort hier?

Ach, natürlich die Ludwigstraße, die Briennerstraße, der Hofgarten, aber ich muss mich erst mal eingewöhnen. Und dann das Dürnbräu im Tal, eine tolle Wirtschaft, da muss ich immer hingehen und die Speisekarte rauf und runter bestellen.

Werden Sie eigentlich auf der Straße erkannt?

Ja, aber so, dass es sehr angenehm ist. Das streichelt doch sehr die Eitelkeit. Die Leute rennen mir nicht in Scharen nach, aber seit dem Film "Das wilde Leben" hab' ich eine gewisse Fangemeinde von jungen Mädels, die erkennen mich auch auf der Straße.

Als Sie so jung waren, wohnten sie in Sendling, im Scherbenviertel, wie sie es in Ihrer Autobiografie genannt haben.

Ja, damals wohnten wir in der Nähe des Partnachplatzes, zwischen Harras und Waldfriedhof. Das wurde später alles niedergemacht und neubebaut.

Sie sind eher in einem kleinbürgerlichen Milieu aufgewachsen.

Ja, und das war auch ein Grund, warum ich später unbedingt raus wollte. Es war schon ein wenig kleinkariert. Aber ich denke heute mit positiven Gefühlen an damals: Wir hatten einen Garten, es war eigentlich ganz angenehm. Bis ich das Nachtleben entdeckte. Da war Sendling auf einmal ganz schön weit weg von der Welt. Es fuhr nachts ja nicht mal eine Straßenbahn. Ich bin dann relativ rasch nach Schwabing gezogen, wo alle meine Freunde waren.

Damals war die Leopoldstraße ja der Mittelpunkt Münchens.

Ihr Leben wird im Kinofilm "8 Miles high, Das wilde Leben" nacherzählt: Uschi Obermaier im Jahr 2007. (Foto: dpa)

Jetzt ist leider alles sehr kommerziell. Aber früher, da haben die Künstler abends ihre Bilder ausgestellt. Man hat auf der Straße die Leute gesehen - und man wusste, der ist von meinem Stamm, von meinem tribe. Man hat das gesehen, wie die angezogen waren, am Haarstil. Da war was los, und ich wollte immer schon dorthin, wo was los, wo es bunt war.

Sie haben damals eher nachts gelebt. Wie haben Sie es geschafft, dass Sie trotzdem gut aussahen?

Ich hatte immer genug Selbstliebe. Ich habe zwar sämtliche Drogen irgendwann mal ausprobiert, aber ich wurde damals ja regelmäßig für Fotoshootings gebucht. Und ich habe mir gedacht, wenn die so viel Geld zahlen, dann haben die das Recht, mich in guter Verfassung zu kriegen.

Was hat man denn damals verdient?

Zu meiner Zeit hießen Models 1000-Mark-Mädchen, weil man 1000 Mark pro Tag bekommen hat. Heute ist das nichts, aber damals war das viel.

Sie waren ohnehin kein 1000-Mark-Mädchen, sondern das 1200-Mark-Mädchen - das bestbezahlte Model der Bundesrepublik.

Ich war kein Model. Ich habe mich nur fotografieren lassen. Wenn man mir damals einen Job angeboten hat und war es ein schöner Tag, dann habe ich den Job nicht gemacht. Wir sind zur Isar und sind zum Baden gegangen, das war mir mehr wert. Ich sah gar nicht so gut aus, aber dadurch, dass ich mich rar gemacht habe, wurde ich erst richtig interessant.

Sie beschreiben in Ihrer Autobiografie seitenlang Ihren Vater. Was war er für ein Typ?

Das war ein Gott. Ich war verliebt in meinen Vater. Er sah supergut aus, er war eine Münchner Figur, aber schon ein bisschen higher class, so vom Stil her. Und dann hatte er die tollsten Frauen. Er hat sich nie um mich gekümmert - nur um diese tollen Frauen. Das war ein Ansporn für mich, auch eine tolle Frau zu werden.

Sie wurden zum Gesicht der 68er. Die Fotos von Ihnen und Rainer Langhans in der Kommune I haben Sie zum Schwarm einer ganzen Generation gemacht. Wie sind Sie überhaupt in diese Clique hineingeraten?

In Schwabing habe ich damals zum ersten Mal Amon Düül spielen gehört.

Die Krautrock-Band?

Genau die. Ich dachte ja bis dahin, nur ausländische Musik ist gut, aber die waren wirklich super. Ich hab' mich schwer in die Gruppe verliebt und hab' dann mit denen in einer Kommune zusammengelebt. Und dann gab es das erste Pop-Festival in Essen, da sind wir hin - und da hab' ich Rainer Langhans und seine Gruppe kennen gelernt. Und ich habe mich sofort verliebt.

Warum eigentlich?

Der hatte die wildesten Haare und eine sanfte Art, wie ein Engel. Vor allem hat mich sehr beeindruckt, wie klug er war, der wusste so viel. Amon Düül hat dann 'nen Schallplattenvertrag bekommen, und wir sollten nach Berlin, das hat natürlich wunderbar in mein Programm gepasst. Da konnte ich den Rainer wiedersehen - und ich bin bei ihm geblieben. Ich bin gar nicht mehr zurück nach München. Meine arme Mutter musste all meine Klamotten aus der Amon-Düül-Kommune rausholen.

Von einer Kommune in die nächste?

Ja. Das war eine sehr harte Zeit für mich. Die Kommune I war sehr verkopft. Deswegen sind die ja zusammengezogen - weil sie Probleme mit ihren Emotionen hatten. Ich wusste nichts. Ich kannte nicht mal den Unterschied zwischen Kapitalismus und Kommunismus .

Die Kreise, in denen Sie sich bewegt haben, waren sehr politisch. Aber hatten die auch Humor?

Nee, absolut nicht. Rainer hat bis heute keinen Humor. Ich mag es ja eher leichter, dahinschwebend - das war da gar nicht.

Wenn man heute Zeitschriften von damals liest, hat man den Eindruck, Sie hätten sich damals alle nur ständig geliebt.

Ja, wir konnten damals nicht von uns lassen, stand damals immer in der Zeitung.

"Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment . . .",

. . war einfach nur ein flotter Spruch.

Aber Sie hatten trotzdem einige Männer, vor allem Musiker. Erst Jimi Hendrix, dann Mick Jagger und Keith

Richards. Wie haben Sie denn die Stones kennengelernt?

Die Stones, das war total meine Kragenweite. Aber angefangen hat es mit den Beatles: Als ich das erste Mal "Love me do" gehört habe, war ich wie vom Blitz erschlagen. Das war genau mein Feeling, das die da rüberbrachten. Kurz darauf kamen dann die Rolling Stones, da waren mir die Beatles schnell zu brav. Die richtigen bad boys waren die Stones. Die haben mir gefallen. Mein Vater war ja ein bad boy. Zum ersten Mal war ich in München im Circus Krone bei einem Konzert der Rolling Stones. Da war ich nur Fan. Da habe ich im Süddeutschen Verlag gearbeitet, in der Sendlinger Straße.

Wie bitte? Das steht in keiner Biografie.

Ich bin ja mit 13 aus der Schule. Da ich Grafikerin werden wollte, für die Grafikerschule aber zu jung war, habe ich beim Süddeutschen Verlag als Tiefdruckretuscheurin angefangen. Dort hieß ich "Mausi". Die wussten alle, dass ich ein Stones-Fan bin. Irgendwann haben meine Kollegen gesagt, "Alle herkommen außer der Mausi." Das war am Tag nach dem Stones-Konzert. Sie haben gelacht und gefragt "Wie war es denn so?" Ja, hab' ich gemeint, die Leute haben geschrien. "Und hast du geschrien?" Nee, hab' ich gesagt. Dann war ein Foto in der Zeitung, mein Mund sooo weit auf.

Und wann haben Sie die Stones dann so richtig kennengelernt?

Das war die Zeit von Woodstock. Rainer und ich haben gesagt, das wollen wir auch, wir wollen auch ein Woodstock-Festival machen. Irgendwo außerhalb Münchens. Über Freunde sind wir dann nach London, in so ein ganz bekanntes Aufnahmestudio. Das weiß ich noch ganz genau: Mick kam eine Treppe runter, ich stand unten, ganz heiß hab' ich ausgeschaut, die ersten Hotpants, langer Fransenmantel und Schlangenlederstiefel. Ich schau' ihn an, und er nur so: "You are so beautiful." Dann sind wir mit ihm ins Stones-Office gegangen, und er hat uns tatsächlich 'nen Brief geschrieben: "To whom it may concern. We are willing to come to a concert with Uschi Obermaier" und dann die Einzelheiten.

Grandios.

Gott sei Dank ist das nie was geworden. Ein großes Konzert zu organisieren, das hätte nur Chaos gegeben. Das hat nie stattgefunden, aber der Kontakt war da. Dann haben wir Mick im Londoner "Roundhouse" getroffen, das war damals so eine Konzerthalle, da haben wir Santana gesehen. Das war so ein Zufall, dass uns Mick da über den Weg gelaufen ist. Er hat dann gesagt, wir sollen da in einen Nightclub gehen, also gingen wir in den Nightclub, und da der Rainer ja nicht eifersüchtig war, hab' ich mit dem Mick zu schmusen angefangen. Heftig!

Wo haben Sie Mick denn immer getroffen?

Wenn die Stones ein Konzert in München gespielt haben, war ich da. Und wir sind auch rumgereist. Aber ich wusste, dass das nie serious wird, was Festes. Ganz im Gegenteil: Wir haben uns von unseren Liebesaffären erzählt. Das war sehr locker und sehr schön.

Wo sind Sie mit den Stones denn in München ausgegangen?

Wir waren eigentlich immer im Hotel. Später dann hat der Mick mich mal ganz toll zum Essen ausgeführt, in die Ismaninger Straße, wo heute die Villa Stuck ist. Da ist diese Statue, wo eine Kämpferin auf dem Pferd sitzt, mit einem Pfeil. Diese Frau begeistert mich bis heute, wie sie da nackt auf dem Pferd sitzt und ganz wild reitet. Bei der Villa Stuck jedenfalls war unten ein Restaurant. Und da bin ich mit dem Mick hin. Da habe ich zum ersten Mal Reiberdatschi mit Kaviar gegessen, das werde ich nie vergessen. Später waren wir in so Clubs wie dem Tiffany's.

Keith Richards und Mick Jagger sollen sich ja regelrecht um Sie geschlagen haben.

Ein Highlight in meinem Leben! Das war in der WG-Küche, da habe ich mit drei Mädchen in der Ismaninger Straße gewohnt, da sagte der Keith zum Mick "Jagger, you go" und Mick: "Nee, ich habe ältere Rechte."

Sie haben die wilden Sixties gelebt, waren Teil der 68er Bewegung, trotzdem waren Sie immer eine Außenseiterin.

Ich war einfach nicht politisch. Dieses ganze 68er-Ding war mir zu duster. Ich habe oft gehört, dass ich zu oberflächlich sei, ich wolle nur Spaß haben - und das stimmt.

Wie lange waren Sie denn in München?

Ich ging 1973, da hatte ich drei Männer gleichzeitig. Den Mick, den Keith und den Bockhorn. Das war toll.

Dieter Bockhorn war in Hamburg, die anderen beiden fast immer auf Tour . . .

Das waren tolle Jahre. Ich habe da auch nichts verheimlicht. Das war einfach die Zeit, man war sehr promiskuös.

Was war denn Ihre schönste Zeit in München?

Das war die Zeit mit den Mädels in der WG. Da lief es als Fotomodell super, und in der WG ging es richtig ab. Keith war oft da und Mick. Der ist aus Versehen mal in das Zimmer meiner Freundin gelaufen. Wobei ich ja glaube, dass das kein Versehen war . . .

Warum sind Sie dann aus München weg?

Wegen Bockhorn. Ich hatte aber noch lange mein Zimmer hier. Bockhorn und ich haben uns ja oft gefetzt, dann bin ich mit all meinen Koffern zurück - und als ich dann in München ankam, hatten wir uns schon lang wieder versöhnt.

Bereuen Sie es, später komplett aus München weggegangen zu sein?

Nein, ich wollte ja in die Welt hinaus.

Weil es so viele Klischees über Sie gibt, Frau Obermaier: Welche der folgenden Labels für Sie ist besonders gelungen? Sagt Ihnen die "Ikone der 68er" zu?

Ach, Ikone. Ich sag' nicht nein, wenn die anderen das so sehen, bittschön, aber ich sehe mich anders.

Als "Busen der Revolution"?

Mmh. Vielleicht - damals wollte ich eben anders sein als die verschämten Playboy-Mädchen. Dazu stehen, wie man ist, das fand ich toll! Wir waren ja auch beim Baden an der Isar immer nackt.

Noch ein Label, das Ihnen Rainer Langhans verpasst hat: Lustautomat.

Oh ja, das ist aber sein Problem, muss ich jetzt doch mal sagen.

"Münchens wildester Teenager"?

Aber ja! Wo es krachen konnte, hat es gekracht - und ich habe alles mitgemacht.

© SZ vom 11.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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