US-Tournee:Morningshow für die Symphoniker

Symphoniker in Washington

Die BR-Symphoniker in der Morningshow von ABC.

(Foto: Peter Meisel; BR/Meisel)

Erstmals seit 2003 geht das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks auf Tournee durch die Metropolen der amerikanischen Ostküste. Eine Reise, die von Klassikfans in USA und Kanada mit Spannung erwartet wird. SZ-Kulturredakteur Egbert Tholl begleitet die Tour und schildert in einem "Symphonischen Tagebuch" hier täglich seine Eindrücke von den Auftritten der Münchner Musiker und der Kultur- und Klassikszene zwischen Montreal und Washington.

Von Egbert Tholl

Der Dienstag endete in Washington spätabends mit dem, was man von einem amerikanischen Konzertpublikum erwartet: "Standing Ovations" für das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) am Ende des ersten Konzerts ihrer Tournee, mit Violinist Leonidas Kavakos als Solist. Spannender ist fast schon, wie dieser Tag begann: mit einem Live-Auftritt des Orchesters im Frühstückfernsehen. Nicht alle Musiker, aber fünf Bläser, die zusammen vor geraumer Zeit schon das Weltklassekinderstück vom "Tapferen Hörnchen" entworfen haben.

Gebeten zu ABC News Channel 8 wurden: Martin Angerer und Herbert Zimmermann, die beiden spielen Trompete, der Hornist Carsten Carey Duffin, der Posaunist Uwe Schrodi, der hier aber Bass-Trompete spielt, und Stefan Tischler mit seiner reizenden kleinen Reisetuba.

Der amerikanische Veranstalter wollte Werbung fürs Konzert am Abend, BRSO-Pressesprecher Peter Meisel fragte vor zwei Wochen mal im Orchester herum. Und das ging schnell. Wenn man nun die fünf Musiker, die mit ihrer Unternehmungslustigkeit für die große Mehrheit des Orchesters stehen, ein wenig kennt, dann fragt man sich unwillkürlich, weshalb in München so etwas nicht möglich ist. Mal schnell ein kleines Stand-up-Konzert irgendwo im Bayerischen Fernsehen zu zeigen, scheitert wohl am komplizierten Behörden-Charakter der Münchner Sendeanstalt. Und garantiert nicht an den Musikern.

Wie die Morning-Show verläuft

Hier ist alles lässiger und dabei beeindruckend professionell, mit allen Seltsamkeiten. Um zum Studio zu gelangen, durchquert man eine verlassene Großraumbüroetage, die einem trotz des Mangels an Personal wiederum aus Filmen völlig vertraut vorkommt. Im Studio selbst kann man während der Probe und der eigentlichen Sendung herumstehen, niemand fragt, wer man ist, was man will, man könnte auch nackt durchs Bild laufen.

Die eigentliche Sendung beginnt mit einem Gespräch zwischen dem Moderator Kidd O`Shea und seiner namenlos bleibenden Kollegin über einen Nachwuchsgesangswettbewerb, Mariah Carey und Rihanna - also so hochkulturell, wie O`Shea verspricht, sich wirklich nur mit den ganz harten Themen zu befassen. Dann ist der Hip-Hip-Professor Teo Melchishua etwa 49 Sekunden lang zu Gast, danach ein Typ, der eine verjüngende Gesichtscreme vertickt und diese selber anwenden sollte. O`Shea hat zu allen Themen die gleiche Haltung, sehr smart, aber es ist ihm ganz offenbar völlig wurscht, mit wem er redet. Wichtig: Er redet.

Bairisch-österreichisch-schwäbisches Sprachengemisch

Zum Glück hat ihm jemand aufgeschrieben, dass das BRSO mit einem BMW zu vergleichen sei (so schrieb es dieser Tage die Washington Post), also super Auto, super Orchester - das leuchtet O`Shea ein. Er versammelt das Quintett auf einem kleinen Podium, spricht kurz mit Duffin, den die anderen als englischen Halbmuttersprachler vorschicken, weil deren bairisch-österreichisch-schwäbisches Sprachengemisch auch einen Profi-Moderator überfordern könnte, selbst wenn der irische Wurzeln hat.

Aber dann schlagen die Münchner Profis zurück. Spielen von Johann Strauß den "Vergnügungszug" - "the pleasure train for lonely housewifes" - mit radikaler Perfektion, die Dynamik wogt elastisch hin und her, alles ist federleicht, blitzschnell wechselt der Gestus, mal singend, dann vorwärtsdrängend, sinnierend, gemütlich, presto. O´Shea hält die zwei Minuten 50 dennoch kaum aus, kein Beitrag war heute so lang, dann auch noch Wiederholungen, was soll das`?

Er trippelt neben der Kamera herum, spricht seine Abmoderation über die Musik hinweg, aber mit gutem Timing. Dann: "Awesome, amazing, beautiful." Servus, baba, her mit dem Nächsten. Beim Hinausgehen liest man den Leitspruch des Senders: "Go big or go home." Kann sich das Quintett auch denken. Voll big.

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