Urteil:Über Jahre zu wenig Miete gezahlt - Familie darf trotzdem nicht rausgeworfen werden

  • In einer Münchner Umlandgemeinde hat eine Familie über 13 Jahre hinweg nur unzuverlässig Miete gezahlt.
  • Die Gemeinde als Vermieterin hätte vor Jahren räumen können, hat es aber nicht getan.
  • Ein Gericht urteilte nun, dass dieser Anspruch nun verwirkt ist.

Von Stephan Handel

Wenn ein Vermieter es versäumt, gegen einen Mieter rechtzeitig wegen Mietrückständen vorzugehen, dann kann es irgendwann einmal zu spät sein - so urteilte jetzt das Münchner Amtsgericht in einem Fall, in dem unzuverlässige Zahlungen 13 Jahre lang geduldet wurden.

Der Vermieter war eine Gemeinde im Landkreis München. Sie hatte im Jahr 2000 eine Wohnung an eine Familie vermietet: Vater, Mutter, Tochter, Sohn. Als drei Jahre später Mietrückstände von mehr als 3500 Euro aufgelaufen waren, erwirkte die Gemeinde ein Räumungsurteil. Von der Zwangsräumung sah die Gemeinde zunächst jedoch ab: Die Eltern- und Jugendberatungsstelle des Landratsamtes hatte sich dafür eingesetzt, der Familie die Wohnung nicht zu nehmen. Die Tochter befinde sich in sozialpädagogischer Betreuung; auch der Sohn, zu der Zeit im Grundschulalter, könne durch eine Räumung eine seelische Erschütterung erfahren, die das gerade erreichte Ziel zunichte machen könnte, ihm einen regulären Schulbesuch zu ermöglichen.

Zur Lehre ließen die Eltern sich diese Entwicklung aber nicht werden - weiterhin zahlten sie die Miete nur unregelmäßig und nicht vollständig. Schließlich, im März 2016, mahnte die Gemeinde die Rückstände an, unter anderem die "Soll-Mieten" von Januar, Februar und März des Jahres. Als daraufhin nichts geschah, beauftragte die Gemeinde den Gerichtsvollzieher mit der Räumung der Wohnung.

Dagegen klagte die Familie - und bekam vor dem Amtsgericht Recht: Das Recht der Gemeinde auf Räumung der Wohnung aus dem Urteil von 2003 sei verwirkt. Für die Mieter, juristische Laien, "war nicht ersichtlich, dass die Stadt ab einem bestimmten Zeitpunkt nun doch vollstrecken wollte, vielmehr war das Schreiben aufgrund seiner Formulierung geeignet, das Vertrauen der Kläger darin zu bestätigen, die Stadt werde auch jetzt nicht vollstrecken", so das Urteil.

Die Gründe, warum die Stadt damals auf eine Vollstreckung verzichtet hatte, nämlich die Schwierigkeiten der Kinder, bestünden nicht mehr, die Kinder waren mittlerweile sogar volljährig. Doch habe die Gemeinde jahrelang nichts unternommen, woraus die Mieter hätten schließen müssen, dass ihr Vermieter sein Verhalten ändern werde. Deshalb könne der 13 Jahre alte Räumungstitel nicht mehr herangezogen werden. Das Urteil ist rechtskräftig. (AZ: 424 C 26626/16)

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