Gerichtsurteil:Sohn erwürgt Mutter - zehn Jahre wegen Totschlags

  • David S. wurde zu einer Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt, weil er seine Mutter getötet hat.
  • An seinem Geburtstag kam es zwischen den beiden wegen ihrer Alkoholsucht zum Streit, woraufhin er sie würgte.
  • Im Prozess hatte der Auszubildende angegeben, dass seine Mutter plötzlich zusammengesackt sei.

Von Stephan Handel

"Zehn Jahre", sagt der Richter, der Angeklagte sackt zusammen, aus dem Zuschauerraum ist ein lautes Schluchzen zu hören. Aber als Norbert Riedmann, Vorsitzender der 2. Strafkammer am Landgericht München I, die Gründe für den Urteilsspruch erläutert, da wird klar: David S., der seine Mutter getötet hat, wird für die Tat relativ mild bestraft.

Kerstin S., 55 Jahre alt, starb am 15. Oktober 2017. Ihr Sohn hat an diesem Datum Geburtstag, zu feiern begonnen hatte er am Tag zuvor, hatte die Nacht durchgetrunken, war mittags in die Wohnung in der Schleißheimer Straße zurückgekommen, hatte sich abends mit Freunden zum Essen getroffen und weiter getrunken. Als er nach Hause kam, geriet er mit der Mutter in Streit, er schlug sie, trat sie mit den Füßen, schließlich würgte er sie bis zum Tod.

David S. stellte den Vorgang im Prozess anders dar - seine Mutter habe plötzlich die Augen verdreht und sei zusammengesackt, er habe versucht, sie hochzuheben, habe ihr ins Gesicht geschlagen, als er bemerkte, dass sie nicht mehr atmet. Ein Freund, der gerade in die Wohnung gekommen sei, habe den Notarzt gerufen, aber die Mutter war schon tot.

Wie meistens gibt es eine Geschichte hinter der Geschichte: Kerstin S. war in früheren Jahren heroinabhängig, hatte sich von der Sucht gelöst, war stattdessen aber auf Alkohol und Marihuana umgestiegen. Zudem war sie schwer adipös, und weil sie nach einem Unfall nur eingeschränkt bewegungsfähig war, ging sie praktisch nicht mehr aus der Wohnung; ihr Sohn und ein Lebensgefährte versorgten sie mit Alkohol und Marihuana. Dieses Leben war mehrfach Auslöser von Streitereien zwischen Kerstin und David S. - so auch am Tattag. Zeugenaussagen im Prozess wiesen auf eine hoffnungslose Verstrickung des Angeklagten im Verhältnis zu seiner Mutter hin. "Es war eine Art Hassliebe", sagte einer.

Das ändert aber nichts daran, dass das medizinische Gutachten die Schilderung von David S. widerlegte: Unter anderem musste der Würgevorgang mehrere Minuten gedauert haben und ließ sich nicht erklären mit versehentlichen Verletzungen beim Versuch, die bewusstlose Mutter hochzuheben. Verurteilt wurde David S. am Ende jedoch nicht wegen Mordes, wie die Anklage gelautet hatte, sondern wegen Totschlags - weil "Mordmerkmale wie Heimtücke, Grausamkeit oder niedere Beweggründe nicht nachweisbar sind", sagte der Richter. Die weitere Begründung zeigt, zu welch feinen Ziselierungen das Strafprozessrecht in der Lage ist, um zu einem Urteil zu kommen, das die Attribute "tat- und schuldangemessen" verdient.

David S. wird zur Therapie seiner eigenen Alkoholsucht in eine Entziehungsanstalt eingewiesen. Zuvor muss er drei Jahre im sogenannten "Vorwegvollzug" in einer JVA verbringen, wovon ein Jahr durch die Untersuchungshaft abgegolten ist. Die Alkoholtherapie dauert dann weitere zwei Jahre, wenn er sie erfolgreich absolviert, kann er hinterher mit der "Halbstrafe" zur Bewährung entlassen werden, also von jetzt an in etwa vier Jahren - ein Urteil, das der eher tragischen als kriminellen Tat wohl gerecht wird, weshalb Verteidiger Peter Pospisil nach der Verhandlung sagte, er werde seinem Mandanten empfehlen, den Spruch anzunehmen.

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