Urteil:Münchner muss in Anatolien beerdigt werden

  • Der im Alter von 60 Jahren gestorbene Aubinger war zu Lebzeiten niemals in der Türkei. Jetzt wird er auf einem anatolischen Dorffriedhof beigesetzt.
  • Der 60-Jährige hatte vier Jahre vor seinem Tod eine Türkin geheiratet, die jetzt einen Streit vor dem Amtsgericht gegen die Familie des Mannes gewann.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Liebe Angehörige möchte man in seiner Nähe haben - auch nach dem Tode. Deshalb haben eine Münchner Mutter und eine türkische Witwe vor dem Amtsgericht München gestritten, wo ein 60-jähriger Neuaubinger begraben werden soll. Der Richter hat nun entschieden, dass der Tote, der zu Lebzeiten niemals in der Türkei war, auf einem anatolischen Dorffriedhof beigesetzt werden soll. Er ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Witwe damit den letzten Willen des Verstorbenen erfüllt.

Nirgendwo hat die Großstadt München noch so dörfliche Anmutungen wie im westlichen Bereich um Aubing. Dort hat der Mann die meiste Zeit seines Lebens bei den Eltern gewohnt, zusammen mit einer Pflegeschwester. Seine Familie ist katholischen Glaubens. 2011, vier Jahre vor seinem Tod, hatte dieser Mann eine Türkin geheiratet. Gemeinsame Kinder gab es nicht, aber die Frau hatte aus einer vorangegangenen Verbindung zwei Töchter.

Als der Münchner im Mai 2015 starb, hinterließ er kein Testament. Die Witwe will nun den Leichnam in ihrem Heimatdorf in der Türkei bestatten - da, wo sie einmal selbst begraben sein möchte. Die Mutter des Toten wehrte sich: "Die Bestattung in der Türkei entspricht nicht dem Willen meines Sohnes." Es sei besprochen gewesen, dass er in dem Familiengrab seiner Mutter in Neuaubing beerdigt werde.

Das Problem: Die "Totenfürsorge" ist gesetzlich nicht geregelt

Außerdem habe er sich immer eine Feuerbestattung gewünscht. Die Mutter erwirkte eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht München, mit der es der Witwe zunächst untersagt wurde, den Münchner in die Türkei zu überführen. Die Türkin legte dagegen Widerspruch ein.

Der Amtsrichter hob die Verfügung nun wieder auf: Damit kann die Witwe den Verstorbenen in die Türke überführen und dort beerdigen lassen. In seinem Urteil erklärt der Richter, dass das Recht der sogenannten Totenfürsorge gesetzlich nicht geregelt sei. "Aber ausgehend von den Grundrechten der Menschenwürde und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit muss es einem Menschen grundsätzlich gestattet sein, über den Verbleib und die weitere Behandlung oder Verwendung seiner sterblichen Überreste selbst zu bestimmen."

Der jeweils nächste Verwandte muss den Willen des Verstorbenen beachten

Das stehe auch im Einklang mit den Grundsätzen des Erbrechts, wonach der Erblasser frei über seinen Nachlass verfügen könne. "Die Rechtsprechung überträgt das Recht der Totenfürsorge auf den nächsten Verwandten des Verstorbenen, in diesem Fall auf die Ehefrau", sagte der Amtsrichter.

Jeder "Inhaber des Totenfürsorgerechts" habe sich im Rahmen des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen zu bewegen. "Innerhalb dieses Rahmens muss dem Inhaber aber ein erheblicher Ermessens- und Beurteilungsspielraum zuerkannt werden", erklärte der Richter. "Andernfalls wird die Umsetzung der Totenfürsorge nicht praktikabel sein", heißt es jetzt in seinem Urteil.

Das Gericht hatte vorher alle Betroffenen angehört und war dann davon überzeugt, dass das Vorhaben der Ehefrau sich im Rahmen des mutmaßlichen Willens des Verstorbenen bewegt. So habe dieser gegenüber den Töchtern seiner Ehefrau geäußert, dass er mit seiner Ehefrau gemeinsam bestattet werden wolle. Zuvor hatten allerdings die Mutter und die Pflegeschwester des Verstorbenen den Wunsch nach Feuerbestattung und Familiengrab in Neuaubing wiederholt.

"Es ist durchaus vorstellbar, dass sich der Verstorbene mit verschiedenen Möglichkeiten der Totenfürsorge befasst und angefreundet hat", sagte dazu der Richter. Für das Gericht sei allerdings entscheidend, dass die von der Witwe gewählte Alternative "sich nicht im Widerspruch zu den geäußerten Wünschen des Verstorbenen bewegt - sie hält sich im Rahmen dessen, was der Verstorbene sich zu Lebzeiten gewünscht hat", meint der Richter in seiner Urteilsbegründung.

"Dem Gericht ist bewusst, dass diese Entscheidung für die Mutter eine nur schwer zu ertragende Härte mit sich bringt", sagte der Richter. "Ihr wird es - wenn überhaupt - nur unter erschwerten Bedingungen möglich sein, die Grabstelle ihres Sohnes zu besuchen oder an der Beerdigung selbst teilzunehmen. Diese Gesichtspunkte sind bedauerlich, aber für die Entscheidungsfindung nicht erheblich."

In diesem Verfahren sei es ausschließlich darum gegangen, den erklärten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu ergründen, um dann beurteilen zu können, ob die Ausübung der Totenfürsorge durch die Ehefrau mit diesem Willen in Einklang zu bringen sei, heißt es in der Begründung des rechtskräftigen Urteils (Az.: 171 C 12772/15).

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