Urteil:Gericht verbietet Werbung für Kopfschmerzmittel

  • Die Firma Pharma FGP steht vor Gericht, weil sie ihr Schmerzmittel "Neodolor" mit nicht zutreffenden Aussagen beworben hatte.
  • Geklagt hat der "Integritas"-Verein, der sich für lautere Heilmittelwerbung einsetzt.
  • Im Berufungsverfahren verbot der Senat jetzt elf von zwölf Werbeaussagen, die der Verein kritisiert hatte.

Von Stephan Handel

Carolina-Jasmin, Wurmkraut, Alpenveilchen, Traubensilberkerze und die Verschiedenfarbige Schwertlilie: Was auf den ersten Blick aussieht wie die Einkaufsliste eines ambitionierten Hobbygärtners, ist im Glaubenssystem von Homöopathie-Anhängern ein wirksamer Pflanzencocktail - zum Beispiel für die Behandlung von Kopfschmerzen. Das dachte sich auch die Firma Pharma FGP aus Gräfelfing und brachte die Schmerztablette "Neodolor" auf den Markt, zum rezeptfreien Verkauf in Apotheken.

Neodolor ist, glaubt man der Werbung, ein wahres Wundermittel, ein Schmerzmittel der Superlative. Das fand eine Institution merkwürdig, die sich "Integritas" nennt und, im Untertitel "Verein für lautere Heilmittelwerbung": Integritas fand, dass die Werbung ein bisschen arg dick aufträgt und klagte. Vor dem Landgericht bekam der Verein teilweise recht; er ging aber in Berufung, die am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht verhandelt wurde.

Der Termin war dann allerdings weniger - wie man vielleicht hätte erwarten können - ein pharmazeutisches Seminar, sondern eher eine Germanistik-Übung in der Bestimmung von Wortbedeutungen: Was würde ein medizinischer Laie verstehen, wenn ein Medikament angepriesen wird mit Aussagen, es wirke "zuverlässig, effektiv und wirkungsvoll"? Würde er nicht annehmen, das Arzneimittel biete "sicheren Erfolg im Regelfall", wie es Andreas Müller, der Vorsitzende Richter, formulierte? Zudem: Darf damit geworben werden, das Medikament zeichne sich durch optimale Verträglichkeit aus und durch das Fehlen unerwünschter Neben- und Wechselwirkungen? Wenn doch in der Packungsbeilage steht, dass das Präparat für Kinder und für Schwangere ebenso wenig empfohlen wird wie der gleichzeitige Konsum von Genussmitteln wie Alkohol?

Und was bedeutet eigentlich "100 Prozent natürlich", auch so eine Werbe-Behauptung über Neodormol? Die Tablette enthält nämlich Magnesiumstearat, was eigentlich nicht schlimm ist - nur: Dieses Mittel wird durch einen chemischen Prozess hergestellt, ist also ganz und gar nicht natürlich, wie die Reklame verspricht. Auch von der Aussage, Neodolor wirke "stark bei allen behandelbaren Formen von Kopfschmerz" ist der Senat offensichtlich nicht überzeugt: Es gebe, weiß Richter Müller, durchaus schwere Formen von Kopfschmerz, die zwar behandelbar sind, aber nur mit schweren Schmerzmitteln.

Der Neodolor-Rechtsanwalt versucht zu retten, was zu retten ist, fördert aber nur Erhellendes über die Zulassung homöopathischer Medikamente zutage: dass keinerlei Studien über die tatsächliche Wirksamkeit vonnöten sind, sondern dass eine Kommission anhand der Zutatenliste entscheidet, ob die Arznei bei der angegebenen Indikation helfen könnte - das ist einer der Gründe, warum der Senat am Ende nicht nur die fünf Werbeaussagen verbietet, die dem Landgericht zu dick aufgetragen waren, sondern gleich elf von zwölf, gegen die sich die Klage richtete. Die gute Nachricht dabei für die Firma Pharma FGP in Gräfelfing: Sie muss nur ihre Werbung ändern. Das Rezept für Neodolor kann gleich bleiben, inklusive Wurmkraut, Alpenveilchen Schwertlilie und Magnesiumstearat. (AZ: 29 U 335/17)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: