Urteil:Der Stoß am U-Bahnhof war tödliche Revanche

U-Bahn Haltestelle Marienplatz

Der Angeklagte regte sich auf, weil der Mann sich an ihm vorbeigedrängt hatte.

(Foto: Florian Peljak)
  • Ein 37-Jähriger muss in Haft, weil er einen Senioren am U-Bahnhof gestoßen hat. Dieser fiel und verletzte sich so, dass er später starb.
  • Das Landgericht München verurteilte ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge.
  • Martin S. stand an jenem Nachmittag unter Einfluss von Betäubungsmitteln. Er hatte auch Alkohol getrunken.

Von Andreas Salch

Es ging alles ganz schnell. Gerade war die U 3 am frühen Nachmittag des 3. Juni vergangenen Jahres im U-Bahnhof Marienplatz eingefahren. Es herrschte dichtes Gedränge. Günther V., 87, war jenseits des Sicherheitsstreifens am Zug entlang zu einer der Türen gelaufen. Dabei hatte er Martin S. beiseitegeschoben. Aus Verärgerung darüber versetzte der 37-Jährige Günther V. mit den Worten "Geh weg du Penner" einen Stoß gegen die Brust - mit fatalen Folgen.

Der Senior fiel um und schlug nahezu ungebremst mit dem Hinterkopf auf die Bodenplatten. Er erlitt ein Schädelhirntrauma. "Das wollte ich nicht, das wollte ich nicht", hatte Martin S. gleich darauf gerufen. Knapp drei Monate später war Günther V. tot. Für die Tat verurteilten die Richter der Schwurgerichtskammer am Landgericht München I den 37-Jährigen am Freitag wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu dreieinhalb Jahren Haft. Martin S. nahm das Urteil äußerlich ungerührt zur Kenntnis.

Die Verteidiger des 37-Jährigen, Rechtsanwältin Claudia Enghofer und ihr Kollege Michael Pösl, hatten die Tat in ihren Plädoyers als fahrlässige Tötung gewertet. Ihr Mandant habe den Tod von Günther V. "nicht billigend in Kauf genommen". Doch davon waren die Richter nicht überzeugt. Der Stoß, den S. dem Senior versetzt habe, sei ein "vorsätzlicher Kontakt" gewesen. Zeugen sagten, es sei ein "kräftiger Stoß" beziehungsweise "kräftigerer Schubser" gewesen. Auch wenn Günther V. für sein Alter ungewöhnlich vital war, habe der Angeklagte erkannt, dass es sich "um einen alten Menschen handelt", so der Vorsitzende Richter Michael Höhne, bei der Urteilsbegründung.

Mit dem Stoß gegen die Brust des 87-Jährigen habe sich Martin S. revanchieren wollen. Der 37-Jährige hatte beteuert, dass er nicht die Absicht gehabt habe, Günther V. so schwer zu verletzen. Das glaubten ihm die Richter. Dennoch habe er es billigend in Kauf genommen", dass der 87-Jährige sich bei einem Sturz erheblich verletzten könnte, befand Richter Höhne.

Martin S. stand an jenem Nachmittag unter Einfluss von Betäubungsmitteln. Er hatte auch Alkohol getrunken. Der 37-Jährige ist seit Jahren drogenabhängig. Nach Überzeugung des Gerichts war S. jedoch "voll schuldfähig bei der Tat." Dafür spreche das "reflektierende und geordnete Nachtatverhalten". Nachdem Günther V. gestürzt war, hatte er ihm aufgeholfen, sich entschuldigt und versucht zu fliehen. Ein Passant hinderte ihn daran.

Bis zu der Tat führte der alleinstehende Günther V. ein selbstbestimmtes Leben. Die, die ihn kannten, sagten, er habe sich in einem für sein Alter gesundheitlich außergewöhnlich guten Zustand befunden und seinen Haushalt allein geführt. In seiner Hausapotheke habe er nur Pflaster und ein Fieberthermometer gehabt.

Neben der Haft ordnete das Gericht die Unterbringung von Martin S. in einer Entziehungsanstalt an und verurteilte ihn, 10 000 Euro Schmerzensgeld an die noch unbekannten Erben von Günther V. zu zahlen. Am Ende sagte Richter Höhne zu Martin S.: "Sie haben nun die Chance, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bringen."

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