Süddeutsche Zeitung

Urteil:"Dealer in Weiß" verliert seine Approbation

Der Drogenarzt hatte sich jahrelang an Süchtigen bereichert. Jetzt muss er seinen Kittel an den Nagel hängen.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Unter Junkies galt viele Jahre lang eine bestimmte Arztpraxis in der Schillerstraße als erste Adresse, um problemlos an Stoff zu kommen. Unter dem Deckmantel der Substitutions-Therapie hatte dort der Arzt Mirko V. die Sucht seiner Patienten "gnadenlos ausgenutzt", wie ein Richter feststellte, und sie um die letzte Barschaft erleichtert - "über eine Million hat er eingenommen". Jetzt ist diesem Mediziner die Approbation entzogen.

Noch im Sommer hatte, wie berichtet, der Arzt gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vor dem Verwaltungsgericht kämpfen wollen. Doch kürzlich zog er seine Klage zurück - damit wurde der Entzug rechtskräftig.

"Man schämt sich fast, das Wort Arzt zu verwenden", hatte schon vor fünf Jahren in einem Verfahren vor dem ärztlichen Berufsgericht der Vorsitzende Richter über den Drogenarzt gesagt und bedauert, kein Berufsverbot verhängen zu dürfen. Und vor zwei Jahren war V. rechtskräftig wegen zahlreicher Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.

Nach Meinung der Strafrichter verarztete er in seiner Praxis zahllose Junkies in Form einer reinen "Suchterhaltungstherapie". Deshalb untersagte ihm das Gericht für vier Jahre, Süchtige zu behandeln. Daraufhin hatte die Regierung seine amtliche Zulassung als Arzt widerrufen: Er sei "unzuverlässig" und "unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufs".

Größere Mengen auch für sich abgezweigt

Süchtige hätten ihre Methadondosen selbst im wöchentlichen Rhythmus erhöhen dürfen, die Ersatzdrogen seien überwiegend durch ungeschulte Kräfte verabreicht worden, der Stoff sei in 25-Liter-Kanistern in der Patiententoilette gestapelt gewesen, auch Polamidon und Codein hätten ungesichert hinter der Theke gestanden. Zudem habe V. regelmäßig größere Mengen für sich abgezweigt.

Derzeit behauptet der Mediziner, zum Unterhalt seiner Kinder auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Deshalb versuchte er zuletzt noch die Regierung zu bewegen, ihm wenigstens unter Aufsicht die ärztliche Arbeit zu gestatten - auch mit der einschränkenden Auflage, nichts mehr mit Drogen zu tun zu haben. Als er die Aussichtslosigkeit einsehen musste, gab er die Zulassung zurück, wie Regierungssprecherin Katrin Jahndel gestern bestätigte.

Damit muss V. aber keineswegs für alle Zeiten den weißen Kittel an den Nagel hängen. Entsprechend der üblichen Gepflogenheiten könnte er zwar frühestens nach fünf Jahren erneut die Approbation beantragen.

Da diese Frist aber vom Zeitpunkt der letzten Tat an gerechnet wird, könnte er bereits im Sommer 2006 bei der Behörde anklopfen. Sollte er Erfolg haben, würde ihm voraussichtlich zunächst nur eine eingeschränkte Berufserlaubnis erteilt werden. Dann müsste er sich eine Zeit lang unter Aufsicht bewähren und dürfte erst bei positivem Verlauf auf die erneute Approbation hoffen.

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Quelle:
SZ vom 20.10.2004
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