Uraufführung mit dem Staatsballett:Der Tanz geht weiter

Uraufführung mit dem Staatsballett: Andrey Kaydanovskiys ironisches Petipa-Zitat: Der weiße Schwan in exaltierter Verzweiflungspose.

Andrey Kaydanovskiys ironisches Petipa-Zitat: Der weiße Schwan in exaltierter Verzweiflungspose.

(Foto: Wilfried Hösl)

"Petit Pas" nennt sich die neueste Choreografie von Andrey Kaydanovskiy

Von Eva-Elisabeth Fischer

Der Schlussapplaus zwingt demonstrativ das kleine Künstlerensemble wieder und wieder auf die Bühne: Drei Tänzerinnen, zwei Tänzer, eine Pianistin, ein Choreograf und die Dramaturgin. Sie folgen gern dem Stakkato prasselnder Handflächen. Schließlich hatte Marta Navarette Villalba gleich zu Beginn des Stücks, lebhaft ihren sinnentleerten Corona-Alltag schildernd, an einer Stelle in die Hände geklatscht und erklärt, was ihr seit Wochen fehlt: der Applaus. Das ist die eine Ebene von "Petit Pas", der neuesten Choreografie von Andrey Kaydanovskiy, die nun vor den derzeit üblichen 50 Zuschauern in der Staatsoper als dritte Folge in der Reihe "Fester Samstag" uraufgeführt wurde.

Der Hauschoreograf des Bayerischen Staatsballetts erzählt darin in einer zweiten Ebene von Marius Petipa, dem Meister des Grand Pas schlechthin, dessen Name sich eben genauso ausspricht wie "Petit Pas". Er verschränkt dabei verschiedene Bedeutungsebenen zu möglichen Schlussfolgerungen und Analogien, packt also, allerdings ironisch und mit leichter Hand, ganz schön viel hinein in eine halbe Stunde Tanz. Und man sieht und hört Marta Naverrete Villalba und Matteo Dilaghi erst einmal zu, wie die beiden ihre Gliedmaßen akrobatisch verbiegen bei ihrem kantigen, rhythmischen Aufwärmtraining auf kleiner Fläche. Wobei man unwillkürlich an das Stückchen Tanzteppich daheim denkt, auf dem sie sich beweglich halten.

Man hört Melodien aus "Schwanensee", aus dem "Nussknacker" und auch die Pianistin Anna Buchenhorst im Regenbogenkleid hat ihren virtuosen Einsatz. Im "Nussknacker" hat dann sogar der Chor zu tun, staubwischend und schließlich als Schneeflocken singend, einzeln auf den sonst leeren Zuschauerraum verteilt, wobei der Mindestabstand peinlich eingehalten wird. Und dann gibt es noch, man traut seinen Augen kaum, zwei veritable Pas de deux, bei denen Matteo Dilaghi und Jinhao Zhang mit Elisa Mestres und Jeanette Kakareka tanzen. Ein Probentutu hat es ja schon gegeben beim "Schwanensee" als assoziatives Memento aus Zeiten, als diese Handvoll Tänzer in großen Aufführungen tanzten.

Aus dem Off hört man Robert Valentin Hofmann aus Petipas Tagebüchern lesen, der eitel den Erfolg seines "Nussknackers" ganz für sich requirierte auf Kosten seines komponierenden Vasallen Tschaikowsky. Und dann hat er sie ja miterlebt als 87-jähriger Greis, die Verordnungen anlässlich der ersten blutigen Revolution im Jahr 1905, die ein wenig an den jüngsten Shutdown erinnern. Und nicht nur eine der Tänzerinnen fragt sich, wie wahrscheinlich jede(r) damals und heute, wo das noch alles enden wird.

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