Upcycling:Der Umwelt zuliebe

Weihnachtszeit ist immer auch Wegwerfzeit: Tonnenweise Geschenkpapier landet nach der Bescherung achtlos im Müll. Zum Recyceln ist die Verpackung außerdem oft nicht geeignet, da sie mit Kunststoff beschichtet ist. Ein Blick auf die bewährten Alternativen

Von Franziska Gerlach

Upcycling: Alte Comics lassen sich hervorragend zum Verpacken wiederverwerten.

Alte Comics lassen sich hervorragend zum Verpacken wiederverwerten.

(Foto: Catherina Hess)

Eigentlich kann Christine Koch Weihnachten nicht viel abgewinnen: Dieser Zwang, sich etwas schenken zu müssen, sei einfach nicht ihr Ding. In München wohne man ja ohnehin beengt, da brauche sie nicht noch eine weitere Müslischale oder Sofadecke, sagt die 31-jährige Headhunterin. Drei Stunden später, am Ende des Workshops, wird sie einen großen Bogen selbst gefertigtes Geschenkpapier mit Goldsprenkeln aus den Räumen des Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) an der Klenzestraße tragen. Ihrer Familie zuliebe schenkt sie nämlich trotzdem mit. "Ich kann Weihnachten und Geschenke nicht umgehen, und wenn man etwas verpackt, sollte es einigermaßen umweltverträglich sein."

Und verpackt sollte ein Weihnachtsgeschenk schon sein, unbedingt sogar, sonst ist ja die Überraschung dahin. In diesem Punkt waren sich die acht Teilnehmer der "Upcycling-Aktion: nachhaltige und natürliche Geschenkverpackungen" doch einig. Jeden Samstagnachmittag bietet der LBV einen anderen Workshop an - nun ging es erstmals darum, wie man hübsche Geschenkverpackungen aus ausgedienten Dingen fertigt. Aus Dingen, die man sonst vielleicht wegwerfen würde.

Upcycling: Veronika Westermeier (3. von links) erklärt, wie sich unnötiges Einkaufen vermeiden lässt.

Veronika Westermeier (3. von links) erklärt, wie sich unnötiges Einkaufen vermeiden lässt.

(Foto: Catherina Hess)

Anders als beim Recycling wandern die Rohstoffe dabei nicht über ein Fließband, sondern durch die Hände eines Kreativen. Und im Idealfall entsteht aus dem Alten nicht nur etwas Neues - sondern außerdem etwas Schöneres. Doch gerade liegen Klopapierrollen und Luftpolsterfolie, die Workshop-Leiterin Veronika Westermeier das ganze Jahr über sammelt, noch ordentlich neben Schwämmen, Buntstiften und Scheren. Noch sind die Tiegel mit den pinken, blauen und goldenen Acrylfarben verschlossen. Noch faltet niemand dekorative Sternchen oder Blumen aus Papierresten, keiner stempelt oder faltet Geschenkschachteln aus alten Kalenderblättern. Und die hippe japanische Knottechnik, nach der sich Geschenke in quadratische Tücher aus ausgedienten Bettlaken wickeln lassen, wird auch noch nicht ausprobiert. Nein, in den ersten Minuten des Workshops fordert dessen Leiterin Westermeier die kleine Gruppe zunächst auf, sich gedanklich mit der Verpackung von Geschenken auseinanderzusetzen - und steuert einige Informationen zur Geschichte des Brauchs bei: Wickelte man Geschenke im Europa des 15. Jahrhunderts noch in alte Tapetenstoffe ein, bescherte das viktorianischen Zeitalter der Verpackung Schleifen und Spitzen. "Da wurde es tüttelig."

Den Engländern die Schuld an den weihnachtlichen Müllbergen zu geben, das wäre allerdings doch zu einfach. Sie selbst lege das Papier nach dem Auspacken zwar sorgfältig zusammen, sagt Brigitte Gans-Müller, 68 Jahre alt. Ihre Enkel aber, die gingen weit weniger umsichtig damit um: "Zack, auf, weg damit!" Allerdings ist Geschenkpapier nicht nur teuer, sondern belastet auch die Umwelt, gerade solches, das mit Glitzer bedruckt ist oder mit glänzendem Kunststoff beschichtet - das könne nicht über das Altpapier entsorgt werden, sondern gehöre in den Restmüll, erklärt Westermeier. Und apropos Müll: In der Weihnachtszeit produzierten die Deutschen zwischen 20 bis 40 Prozent mehr Abfall als sonst im Jahr, sagt die junge Frau aus Dachau, die die Upcyclingaktion leitet. Westermeier hat Ingenieurwesen studiert und hält für den LBV regelmäßig Workshops ab, besonders dann, wenn es kreativ werden soll.

Upcycling: In der Weihnachtszeit produzieren die Münchner deutlich mehr Verpackungsmüll als sonst.

In der Weihnachtszeit produzieren die Münchner deutlich mehr Verpackungsmüll als sonst.

(Foto: Catherina Hess)

Die acht Jahre alte Hannah, die mit ihren Eltern da ist, drückt einen Schwamm auf einen Bogen Papier, er ist in blaue Farbe getränkt. "X-Mas!", steht in großen Buchstaben darauf. Wie sie das gemacht hat? "Mit den Fingern", erklärt das Mädchen. Derweil schneidet ihre Mutter Christine Gögelein zwei ineinander greifende Kreise aus einem bunten Papierbogen aus. Eine Geschenkschachtel will sie daraus falten, so wie Westermeier es mit ihnen geübt hat. Die Leiterin des Workshops wiederum hat das Falten von Schachteln von ihrem Opa gelernt, der dafür gerne alte Kalenderblätter verwendete. Gar nicht so einfach, die Technik des Großvaters. Und auch der "3-D-Stern", wie Westermeier einen kleinen, bauchigen Stern aus Papierresten nennt, gelingt nicht jedem auf Anhieb. "Ein Papierknüttelchen", sagt Christine Koch, und blickt amüsiert auf das zerknautschte Gebilde in ihrer Hand.

Verpackungsmüll

Alle Jahre wieder kommt auch in München das Christkind. Den meisten Bewohnern der Stadt beschert es Geschenke - dem Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) bringt es - alle Jahre wieder - erheblich mehr Müll. Wie viel, das zeigt sich allerdings erst im Januar des Folgejahres: In der zweiten Kalenderwoche, so teilt der AWM mit, fielen rund 1140 Tonnen mehr Restmüll an als normalerweise in einer Kalenderwoche im Jahr. Bei den Papieren und Kartonagen sind es laut AWM rund 353 Tonnen mehr, das entspricht einer Zunahme von annähernd 22 Prozent. Was davon als Verpackung diente, kann der AWM allerdings nicht sagen: Das werde nicht erfasst. frg

Svenja Tewes, eine Arbeitskollegin von Koch, tunkt da lieber kreisrund ausgeschnittene Luftpolsterfolie in goldene Farbe - ein selbst gemachter Stempel. Die 28-Jährige hat da bereits eine hübsche Geschenktüte mit einer Feder gefertigt, später soll noch eine dazukommen, die sie aus den Seiten eines Comics vom Flohmarkt besteht. Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, lächelt. Es habe ihr viel Spaß gemacht. Dabei bastle sie normalerweise gar nicht so gerne. Sei ja auch mit Aufwand verbunden, die ganzen Materialien müssten ja eingekauft werden. "Nicht einkaufen", wirft Westermeier ein, "sondern das ganze Jahr über sammeln." Klopapierrollen, altes Zeitungspapier, alte Bettlaken oder Geschirrtücher, der Umwelt zuliebe.

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