Unterschleißheim:Ruhepol im Klassenzimmer

Unterschleißheim: Patrick Seybold begleitet in Unterschleißheim einen Elfjährigen täglich im Unterricht.

Patrick Seybold begleitet in Unterschleißheim einen Elfjährigen täglich im Unterricht.

(Foto: Catherina Hess)

Schulbegleiter helfen Kindern mit Förderbedarf, im Unterrichtsalltag zurechtzukommen

Von Sabine Wejsada, Unterschleißheim

Zu Anfang ist es durchaus kompliziert gewesen. Der Elfjährige, dem Patrick Seybold hilft, sich in den Schulalltag zu integrieren, hat sich erst einmal daran gewöhnen müssen, einen Menschen an seiner Seite zu haben, der ihn beim Unterricht in der Rupert-Egenberger-Schule in Unterschleißheim begleitet, einem der zwei sonderpädagogischen Förderzentren im Landkreis München. Genau wie die Lehrer und auch die anderen Schüler der Klasse. Doch Seybold, Dreadlocks und offenes Lächeln, hat gute Nerven - und Erfahrung als Schulbegleiter. "Der Junge wollte halt seine Grenzen austesten, das ist ganz normal", sagt der 32-Jährige über den Buben, der Autist ist.

Patrick Seybold arbeitet für den Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Landkreis München. Er ist einer von mehr als hundert Frauen und Männern unterschiedlichen Alters und beruflichen Hintergrunds, die Kinder unterstützen, die sich nur schwer im Schulalltag zurechtfinden und individuelle Hilfe brauchen.

Seit 2010 gehört die Awo zu den Einrichtungen, die in Teilzeit arbeitende Schulbegleiter stellt. Mit ihrer Unterstützung wollen sie Buben und Mädchen mit sonderpädagogischem Förderbedarf zu einem positiven und erfolgreichen Besuch einer Regelschule verhelfen und einer Ausgrenzung und Stigmatisierung entgegen wirken. Kindern und Jugendlichen, die eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung haben, soll mit Hilfe der Begleiter der Schulbesuch erleichtert werden. Der Bedarf ist groß, und zwar auf beiden Seiten, wie Cornelia Scharnagl sagt. Sie koordiniert bei der Arbeiterwohlfahrt seit sieben Jahren Ausbildung, Bestellung und Einsatz der Schulbegleiter. Diese arbeiten an Regelschulen - von der Grund-, Mittel- und Realschule bis zum Gymnasium - und auch an den Sonderpädagogischen Förderzentren im Landkreis. So sei nicht nur die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen hoch, auch die Awo sucht fortlaufend Mitarbeiter für diesen Bereich.

Das Anforderungsprofil ist definiert: "Haltung haben", das müsse ein Schulbegleiter in jedem Fall, sagt Scharnagl, ebenso braucht es Empathie, Respekt und die Fähigkeit, Grenzen zu setzen. "Klar sein, nicht mitleidig sein und nicht alles persönlich nehmen." Erfahrungen im pädagogischen Bereich sind nicht zwingend notwendig. So seien pensionierte Journalisten, Schauspieler oder frühere Unternehmer im Dienst, Frauen, die selbst Kinder haben, und Leute aus unterschiedlichen Berufen. Sie müssen eine Qualifizierung durchlaufen, 140 Unterrichtseinheiten, an deren Ende sie ein Zertifikat als Schulbegleiter ausweist. Es folgen regelmäßige Fortbildungstage und Supervisionen.

Die Arbeit als Schulbegleiter bei der Awo, die im Landkreis München Kinder und Jugendliche mit Autismus, ADHS und Verhaltensauffälligkeiten betreut, ist anspruchsvoll - "und schön", wie Patrick Seybold sagt. Sein Arbeitstag beginnt vor dem Schulgong. Der 32-Jährige trifft seinen Schützling in der Schule, ist mit ihm im Unterricht, sitzt aber nur direkt neben ihm, wenn in einem Fach intensive Hilfe nötig ist. Zum Beispiel, wenn es mit dem Mitschreiben nicht so gut klappt oder der Elfjährige unruhig wird, weil er sich plötzlich unwohl fühlt. "Für Mathe braucht er mich nicht, das macht er ganz allein sehr gut", erzählt Seybold. In den Pausen ist der Schulbegleiter dabei, hält Abstand. Mit Schulschluss ist der Dienst für ihn noch nicht vorbei: "Berichte schreiben müssen wir auch." Und Kontakt halten - mit den Lehrern und natürlich auch den Eltern des Schülers. "Ich sehe mich als eine Art Koordinierungsstelle, die den Weg ebnet", sagt Seybold.

Meist haben Schulbegleiter zwei bis drei Jahre lang dasselbe Kind. Kürzere Zeitfenster seien wenig sinnvoll, schließlich muss sich das Duo aufeinander einstellen, miteinander auskommen, sagt Koordinatorin Cornelia Scharnagl. Und längere auch nicht: "Wir wünschen uns, dass die Kinder nach ein paar Jahren fit sind, allein die Schule zu meistern."

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