Unternehmer Thomas Bartu:Eis mit Reinheitsgebot

Unternehmer Thomas Bartu: "Nudeln machen voll. Eis macht gute Laune." Früher verkaufte Thomas Bartu Schuhe, heute Gelato.

"Nudeln machen voll. Eis macht gute Laune." Früher verkaufte Thomas Bartu Schuhe, heute Gelato.

(Foto: Catherina Hess)

Mit 42 hatte Thomas Bartu sieben Schuhläden, eigene Kollektionen und mehr als hundert Angestellte. Heute ist er 68 und hat ein spezielles München-Eis entwickelt. Damit will er nun die Stadt erobern - auch im Winter.

Von Thomas Anlauf

Was gute Schuhe und gutes Eis gemeinsam haben? Sie machen gute Laune. Thomas Bartu hat ziemlich gute Laune an diesem Vormittag. Es ist kurz nach elf, gerade hat er seine Bio-Eis-Manufaktur an der Schwabinger Wilhelmstraße aufgesperrt. Bartu sitzt vor einem Espresso, seine dunkelgraue Baskenmütze hat er frech nach hinten gedreht. "Ich dachte eigentlich, ich gehe mit 42 in Rente", sagt er und lächelt charmant. "Na ja, das hat zwei Monate gehalten."

Sein nur zwei Monate währender Vorruhestand war bereits im Jahr 1988, als er seine Schuhgeschäfte mitsamt seinem Familiennamen an das Münchner Schuhhaus Tretter verkaufte. Heute ist Thomas Bartu 68 Jahre alt und denkt überhaupt nicht daran, mit dem Arbeiten aufzuhören. Im Gegenteil. Bartu startet durch, wieder einmal.

Eine Kiste wird Kunst

Sein jüngstes Projekt sieht derzeit aus wie ein riesiges Weihnachtspaket. Die Kiste steht vor dem Lenbachhaus, und wenn es nicht gerade Montag und das Museum sowie das dazugehörige Restaurant "Ella" geschlossen hat, verkaufen dort Mitarbeiter des "Ella" Bartus Bio-Eis aus 16 großen glänzenden Edelstahltöpfen. Bartu hat den Kiosk von einer Spezialfirma bei Brescia anfertigen lassen. "Ich stelle nur die Infrastruktur für das Eis zur Verfügung", sagt er bescheiden. Doch dahinter steckt viel mehr.

Der Künstler Daniel Man hat dazu ein Bemalungskonzept entwickelt mit dem Titel "Eis, Eisbaby". Alle vier bis sechs Wochen verwandelt er den Eiskiosk in ein neues Kunstwerk. Zunächst war der Kasten schwarz, dann tauchten weiße Linien auf, eine bunte geometrische Komposition entstand, dann stand plötzlich "Künstler sind gemein und grausam respektieren weder sich noch andere". Und jetzt also ein überdimensionales Weihnachtspaket.

Die Vision vom "München-Eis"

"Das muss man dem Museum hoch anrechnen, dass es sich das getraut hat", sagt Bartu. Es ist nicht sein erstes Eis-Kiosk-Projekt, aber das erste, das tatsächlich funktioniert und noch dazu mit so prominenter Unterstützung wie dem Lenbachhaus. Immer wieder hat er Visionen, seine Leidenschaft von einem "München-Eis" in der Stadt zu verbreiten.

Verkaufsstand von Thomas Bartu - "Eis, Eisbaby"

Aus einer Kiste wird Kunst: Thomas Bartu hat den Verkaufsstand für sein Eis eigens in Italien anfertigen lassen. In München wird er nun alle paar Wochen in ein neues Kunstwerk verwandelt.

Da war ein Trafohäuschen in Schwabing, das er in einen Eiskiosk umwandeln wollte. Und da ist ein historisches Pissoir am Holzplatz im Glockenbachviertel, in dem er seine kalten Kreationen anbieten wollte. Doch bislang ist daraus nichts geworden. "Wenn man anfängt, offiziell anzufragen, hat man ein Problem", sagt er. Sein Pissoir-Projekt landet demnächst vor Gericht, weil er die strengen Auflagen der Stadt nicht akzeptieren will. Die Sache liegt auf Eis.

Mit seinem künstlerischen Kioskprojekt hofft er hingegen, "etwas anzustoßen". Da ist zum Beispiel die Kuffler-Gruppe, für die Bartu große Mengen seines "München-Eis" liefert - ins Seehaus und ins Spatenhaus. Auch Michael Käfer hat Bartus Eis in seinem Feinkostsortiment. Thomas Bartu schwebt vor, weitere Kioske bauen zu lassen und sie etwa beim Seehaus aufzustellen, in der neuen Fußgängerzone der Sendlinger Straße, und ja: warum nicht auch am Marienhof? "Den Kiosk dort würde ich notfalls auch selbst betreiben, den Oberbürgermeister kann ich ja schlecht darum bitten", sagt er, und um seine braunen Augen bilden sich strahlenförmig Lachfältchen.

Es geht Thomas Bartu nicht mehr darum, wieder ganz groß zu sein wie damals. Er lebt heute einfach seine Leidenschaften, seine vielen sprühenden Ideen. Damals hat er seinen Namen mitsamt den sieben Schuhgeschäften und dem bunten Logo verkauft. Er hat hart gearbeitet, Tag und Nacht, hatte sich von 1972 bis 1988 ein kleines Imperium aufgebaut.

Der erste Laden in der Leopoldstraße, wo nebenan vier Jahre zuvor das "Bräuhaus zur Brez'n" eröffnet hatte, war gerade mal 20 Quadratmeter groß. Schon nach zwei Jahren machte er mit dem Geschäft eine Million Mark Umsatz. Er kaufte nicht nur freche, modische und ausgefallene Schuhe in Frankreich, Spanien und vor allem Italien ein, er konzipierte auch immer wieder neue Modelle. So etwas hatte München damals noch nicht gesehen. Bartu war bald ein Inbegriff für schicke Mode, überall in der Stadt liefen Menschen mit den unverwechselbaren durchsichtigen Plastiktüten mit den Bartu-Farben herum. Er war der Schuhkönig von Schwabing.

Inspiration vom italienischen Eisweltmeister

Thomas Bartu hat von klein auf mit Schuhen zu tun gehabt. 1946 wurde er in Bukarest geboren, seine Mutter eine bildhübsche Rumänin, der Vater ungarischsprachiger Siebenbürger. Der Großvater war Lederhändler in einem Dorf nahe Klausenburg, der Vater baute in Bukarest eine Schuhfabrik und zwei Läden auf, bevor er sich nach dem Krieg gegen das kommunistische Regime auflehnte und enteignet wurde. Die kleine Familie, Thomas war der einzige Sohn, floh zunächst nach Paris, 1952 kamen die Bartus in München an, wo sie zunächst in Schwabing in einem Zimmer in Untermiete lebten.

Thomas ging in der Reitschule in den Kindergarten, später in die Haimhauser Schule. Auch wenn die Eltern ihn im Alter von zehn Jahren in die Schweiz in ein Internat schickten, blieb für ihn Schwabing bis heute seine Heimat. In den Ferien durfte er mit seinen Eltern immer nach Italien reisen, sein Vater nahm ihn später regelmäßig mit, um in italienischen Schuhmanufakturen einzukaufen. Der hatte am Münchner Lenbachplatz das Schuhhaus "Carmen" aufgemacht und seinem Sohn die Leidenschaft für Fußbekleidung eingeimpft.

Ein schmerzhafter Einschnitt

Mit 42, Bartu hatte eine junge Frau geheiratet und einen kleinen Sohn, hatte er eigene Kollektionen, sieben Läden und mehr als einhundert Angestellte. Doch dann kam der Bruch. "Es kann nicht sein, dass man mit 42 am Ende der Fahnenstange ist", dachte er sich damals. Dem Bayerischen Rundfunk erzählte er in einem Porträt, das in der Reihe Lebenslinien erschienen ist, dass er mehr Zeit mit der Familie verbringen wollte. Heute sagt er: "Ich habe das Angebot von Tretter schließlich angenommen." Bartu hatte dem Münchner Modehaus offenbar schmerzhaft viel Kundschaft weggenommen. Er verkaufte. Und sagt: "Man hat zwei Augen: ein lachendes und ein weinendes." Seine Frau ging mit dem Kind in die USA.

Ein schmerzhafter Einschnitt im Leben des Thomas Bartu. Aber er macht weiter, doch jetzt arbeitet er im Hintergrund. Er verkauft anderer Leute Schuhe, entwirft, baut eine Marke auf. Er heiratet wieder, seine Frau Pia betreibt am Marienplatz einen Laden mit Damenschuhen. Vor sieben Jahren erfüllt sich Bartu einen Kindheitstraum.

Er fährt nach San Gimignano. Er lässt sich inspirieren von Sergio Dondoli, dem Eisweltmeister, zu dem er später eine tiefe Freundschaft entwickelt. Er lernt beim deutschen Eishersteller Uwe Koch, was ein gutes Eis ausmacht. "Meine Idee war es, ein spezielles München-Eis zu machen", sagt Bartu. Sein Eis sollte nicht so süß sein wie italienisches Gelato, es sollte nur Bioprodukte enthalten. "Ich habe zum Spaß sogar ein Reinheitsgebot für Eis entworfen", erzählt er. Als wertvolle Zutat zählt bei ihm "natürlich auch das Münchner Wasser". Thomas Bartu taucht seine Lippen in einen großen grünen Batzen Pistazieneis. Ganz langsam leckt er über den Schmelz und schließt dabei die Augen.

Forever young. Das ist einer seiner Lieblingssongs, Bob Dylan "sein Held", wie er mal gesagt hat. Thomas Bartu war auch mal Rebell, ist viel in der Welt herumgekommen, er hat viel erreicht. Natürlich, er ist nicht mehr der Jüngste, auch wenn er mit seiner Kappe, die er immer verkehrt herum trägt, noch immer so jugendlich wirkt. Bartu steckt nach wie vor voller Ideen. Er wird viele davon verwirklichen, das ist sicher. "Mein Händchen ist die Leidenschaft", sagt er in seinem sanften Münchner Dialekt. Die Hände zittern etwas, als er das sagt. Seit fünf Jahren hat Thomas Bartu Parkinson. Aber es geht ihm bislang ganz gut mit dieser schleichenden Krankheit. Und es klingt wie eine Lebensweisheit, wenn er sagt: "Nudeln machen voll. Eis macht gute Laune."

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