Unternehmensgründer:Einfacher lernen

Maurice Khudhir, 24, hat es sich mit drei Freunden zum Ziel gesetzt, dass an Universitäten weniger Leute durchfallen. Durch ihre App StudySmarter profitieren Studierende von Vorarbeiten ihrer Kommilitonen

Von Isabel Prößdorf

Unternehmensgründer: „Es macht doch keinen Sinn, dass jeder für sich alleine lernt“, meint Maurice Khudhir.

„Es macht doch keinen Sinn, dass jeder für sich alleine lernt“, meint Maurice Khudhir.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Prüfungsergebnisse sind online und plötzlich steht da dick: "Nicht bestanden". Ein ganzes Semester ist dahin und der Kurs muss im nächsten halben Jahr noch einmal belegt werden. Maurice Khudhir kennt diese Situation bisher zwar nur aus Erzählungen von Freunden, doch hat er es sich mit dreien von ihnen zur Aufgabe gemacht, etwas dagegen zu unternehmen - eine Art Kampfansage an die Durchfallrate an Universitäten.

"Oft sitzen 800 Leute in einer Vorlesung. Alle müssen für die Abschlussprüfung lernen, sie schreiben Karteikarten und erstellen sich eigene Zusammenfassungen. So entstehen Hunderte Kopien, warum also nicht den Input von anderen nutzen und dadurch mehr Zeit zum wirklichen Lernen als nur zum Erstellen der Unterlagen haben?", fragt der 24-Jährige.

Statt weiter nur zu fragen, ist Maurice im Februar 2017 zur Tat geschritten. Zusammen mit seinen Freunden Christian Felgenhauer, 21, Simon Hohentanner, 27, und Till Söhlemann, 22, hat Maurice die App StudySmarter entwickelt, die seit Mitte Januar dieses Jahres als Web-App auf dem Markt ist und mit dem neuen Semester auch als mobile App für Smartphones angeboten wird. Hier können Studierende kostenlos ihre Vorlesungsskripte hochladen, bekommen automatisch Mindmaps erstellt oder können schnell eigene Karteikarten erstellen. "Unser System weist jeden Studenten einer Gruppe zu, die dasselbe studieren oder ähnliche Fächer haben, so können sich alle gegenseitig auf Augenhöhe beraten", erklärt Maurice.

Zudem kann man sich mit StudySmarter selbst evaluieren, so auch die Lernerfolge festhalten und früh genug feststellen, ob es Defizite in den verschiedenen Bereichen gibt. "Mit unserer App wollen wir das Lernen effizienter machen und andere davor bewahren durchzufallen", sagt Maurice. "Es ist verrückt, überall wird in Stellenausschreibungen Teamfähigkeit verlangt und auch in den Kursen arbeitet man in Gruppen, da macht es doch gar keinen Sinn, dass jeder für sich allein lernt." Und die App kommt an: Laut Maurice nutzen sie bereits Tausende Studenten, von denen etwa 80 Prozent schon bessere Noten erzielt haben und mit ihrem Lernprozess zufriedener sind.

Er selbst hat schon früh erfahren, wie es ist, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. "Meine Eltern sind mit mir und meinem älteren Bruder aus dem Irak nach Deutschland gekommen, damals war ich zwei", erzählt Maurice. "Erst ist mein Vater nach München gegangen, ein Jahr später konnten wir nachziehen." Die Uniabschlüsse seiner Eltern wurden in Deutschland nicht anerkannt. "Es ist doch schade, dass man in einem Land hoch qualifiziert ist und im anderen trotzdem bei Null anfangen muss", sagt er. Seine Familie hat sich davon nicht unterkriegen lassen.

Mittlerweile arbeitet sein Vater als Dolmetscher und engagiert sich für Geflüchtete, und auch seine Mutter ist neben dem Beruf ehrenamtlich tätig. "Beide haben mir vermittelt, dass es wichtig ist, auf andere und nicht nur sich selbst zu achten", sagt der 24-Jährige. Nach dem Abitur hat Maurice sich während seines "Work and Travel"-Jahres in Australien deshalb auch dagegen entschieden, zu kellnern oder Tomaten auf einer Farm zu pflücken. "Ich habe Spendengelder für Hilfsorganisationen gesammelt. Darin habe ich einfach mehr Sinn gesehen."

Für Maurice ist vieles vor allem eine Sinnfrage. Wie sinnvoll ist es, während des Studiums ein eigenes Unternehmen zu gründen und anderen beim Bestehen ihrer Prüfungen zu helfen, damit aber den eigenen Abschluss vielleicht zu verzögern? "Nicht jeder hat die Möglichkeit, kostenlose Bildung zu erhalten", sagt er. "Ich persönlich schätze das sehr, und mit unserer App wollen wir dazu beitragen, dass man sich eben bestmöglich bildet, nachhaltig lernt und ohne Zittern durch die Prüfungen kommt."

Wegen der App bleibt weder ihm noch den anderen Gründern genug Zeit für die Uni. Momentan macht Maurice ein Urlaubssemester. Firmen wie Microsoft und Google haben ihn und seine Kollegen in den vergangene Monaten zu Veranstaltungen eingeladen, bei denen sie nicht nur StudySmarter vorstellen konnten, sondern auch Vorträge halten durften. Dafür sind sie unter anderem nach Seattle und London gereist. In dieser Woche ist Maurice beim World Economic Forum in Tianjin und darf als Vertreter für München und als Teil der Unternehmer-Delegation der Technischen Universität in Workshops mit führenden Unternehmen erörtern, wie Innovation der Gesellschaft helfen kann. "Veranstaltungen wie diese bestärken uns immer wieder darin, dass das, was wir machen, sinnvoll und wichtig ist", sagt er. Auf solchen internationalen Veranstaltungen passiere es ihm auch deutlich weniger, dass jemand vorbei komme und zu ihm sagt: Oh, Sie sprechen aber gut Deutsch. "Es ist auch niemand überrascht, dass ich mit Freunden ein eigenes Unternehmen auf die Beine gestellt habe", sagt Maurice. In der Vergangenheit war es oft anders. "Einige Menschen sahen meinen Nachnamen und wunderten sich, dass ich wirklich Inhaber eines Unternehmens bin", erzählt Maurice. Mit dieser Verwunderung fällt es ihm oft schwer umzugehen. Er selbst sieht sich als Münchner, er ist FC Bayern-Fan und Geschäftsmann.

"Ich bin zwar im Irak geboren, aber die Geschichte über mich ist nicht die eines Immigranten, der es jetzt in Deutschland schaffen will. Ich bin einfach ein Student, der das Privileg hatte, eine gute Bildung zu bekommen", sagt Maurice. Mit StudySmarter wollen er und seine Kollegen jedem die Möglichkeit schaffen, sich bestmöglich zu bilden. Dafür wollen sie sich in Zukunft nicht nur auf Studierende beschränken, sondern irgendwann alle Menschen aus allen Schichten erreichen. Ihr Ziel ist es, die App zu erweitern und Arbeitsmethoden zu integrieren, die auch Personen in Führungspositionen, Angestellten oder potenziellen Gründern nutzen.

Warum das Ganze? "Unser Traum ist es, das Lernen zu vereinfachen und so anderen die Angst vorm Versagen zu nehmen. Wenn wir das mit unserer App umsetzen können, habe auch ich einen Job, der meinem Leben einen Sinn gibt", sagt Maurice und lächelt.

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