Untergiesing:Abrissbirne unter dem Fuß

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Aktionsgruppe gegen Gentrifizierung will mit einer Schutzheiligen ein Zeichen setzen

Von Julian Raff, Untergiesing

Was Athen und Rom seit Äonen frommt, könnte auch das etwas kleinere Untergiesing gut gebrauchen - die Rede ist von einer Stadtgöttin, die über die Polis wacht und ihre Bewohner zuverlässig vor feindlichen Übernahmen jeder Art bewahrt. Eine Statue der "Resi Stenzia" getauften Patronin wollen nun die Mieterschützer der Aktionsgruppe Untergiesing errichten und konnten, nach anfänglicher Skepsis, nun auch die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA 18) von ihrer Idee überzeugen. Das Gremium bewilligte nun einen Zuschuss von 12 041 Euro für eine Bronzestatue, die ab dem späten Frühjahr im Viertel stehen könnte, vorzugsweise am Platz vor dem Schyrenbad, dem westlichen Einfallstor Untergiesings nahe der Wittelsbacherbrücke.

Die Aktionsgruppe, ein Zusammenschluss von gentrifizierungskritischen Aktivisten, aus der später das inzwischen sehr aktive "Bündnis für bezahlbares Wohnen" hervorging, will mit dieser Aktion auch ihren zehnten Geburtstag standesgemäß feiern. Wie ihre Mitglieder im BA erklärten, stammt die Inspiration für ihre Aktion sowohl aus der Antike, als auch aus Lateinamerika, nämlich aus Mexico City. Dort wird seit einigen Jahren "Santa Marí La Juaricua" verehrt, eine christliche Schutzheilige, die auch vor Gentrifizierung bewahren soll. Ursprünglich ebenfalls aus einer ironischen Kunstaktion geboren, hat die dortige Heilige, zwar eher gegen den Willen ihrer Schöpfer, längst einen festen Platz im Volksglauben gefunden.

Ihre Münchner Schwester soll als 80 bis 90 Zentimeter große Bronzefigur Gestalt annehmen. Der Entwurf sieht eine stehende Frauengestalt vor, die in klassischen Faltenwurf gehüllt ist und deren Haupt eine Krone aus zinnenbewehrtem Mauerwerk ziert. In den Händen hält sie dabei ein Häuschen und einen Baum - Dinge also, deren Schutz sich die Aktionsgruppe von Anfang an verschrieben hat. Ein Fuß der Statue steht passenderweise auf einer Abrissbirne, der es dadurch verwehrt ist, auch nur irgendetwas plattzumachen.

Eine Symbolik, die im BA gut ankam, nachdem vor einem Monat noch gerüchtehalber die Rede davon war, "Resi Stenzia" solle triumphierend auf dem abgeschlagenen Haupt eines Spekulanten stehen. Ungeachtet klassischer Vorbilder, schien diese blutrünstige Siegesgeste den Lokalpolitikern dann doch zu drastisch und nicht förderungswürdig. Dass in der Namensgebung die "Resi" und der "Stenz" in einer Ansage der Aufmüpfigkeit und des Widerstands zusammenfinden, damit können nun auch konservative BA-ler wie Andreas Babor (CSU) leben. Vor der feierlichen Aufstellung soll die Schutzgöttin in einer Prozession durchs Viertel getragen werden, begleitend plant die Aktionsgruppe eine zweiwöchige Ausstellung in der Färberei.

Der erfolgreiche Zuschussantrag nennt zwar den Mai, ein genauer Termin ist aber noch ungewiss, zum einen aufgrund der Pandemielage, zum anderen, da ein Guss im Wachsausschmelzverfahren rund acht Wochen beansprucht. Abzuwarten bleibt auch, ob und wann der Figur die ersten Wunder im Kampf gegen Mietervertreibung zugeschrieben werden, wie ihrer mexikanischen Schwester.

© SZ vom 26.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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