Süddeutsche Zeitung

Untergetauchter Straftäter:"Mehmet" will zurück nach München

Als "Mehmet" gelangte Muhlis A. zu trauriger Berühmtheit: 60 Straftaten hatte er im Alter von 14 Jahren bereits begangen. Als er dann noch seine Eltern schlug, wurde er 2005 zu einer Haftstrafe verurteilt. Anstatt sie anzutreten, tauchte er in der Türkei unter. Jetzt will der heute 28-Jährige zurückkehren - mit den besten Vorsätzen.

Andreas Glas

Der als "Mehmet" bekannt gewordene Serienstraftäter Muhlis A. will zurück nach Deutschland. Noch in dieser Woche will sein Anwalt Burkhard Benecken einen entsprechenden Antrag bei den Behörden stellen. Weil der heute 28-jährige Deutsch-Türke seine Eltern verprügelt hatte, war er 2005 zu 18 Monaten Haft verurteilt worden - die trat er jedoch nicht an, sondern tauchte in der Türkei unter. Die Stadt München verfügte daraufhin die Ausweisung, die bis heute Bestand hat.

"Ich kann heute nüchtern darüber denken und bereue, was ich getan habe. Jetzt will ich zurück nach München", sagt Muhlis A. der SZ. "Er sieht ein, dass er große Fehler gemacht hat", meint auch sein Anwalt. Mit einem Antrag bei der Staatsanwaltschaft möchte Benecken erreichen, dass der Haftbefehl zum 31. Dezember 2012 ausgesetzt wird. Benecken erinnert daran, dass "Mehmet" bei seiner Verurteilung erst 21 Jahre alt war - "im Prinzip noch ein Jugendlicher, der heute erwachsen und geläutert ist". Um nachzuweisen, dass A. in der Zwischenzeit nicht mehr straffällig geworden ist, will Benecken ein türkisches Führungszeugnis vorlegen.

Neben dem Haftbefehl besteht aber auch noch die Ausweisungsverfügung. Um diese anzufechten, wird Benecken einen separaten Antrag bei der Stadt einreichen - mit einem Verweis auf die geänderte Ausländerrechtslage: Seit Ende 2005 gibt es ein Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und Deutschland. Danach sei die Ausweisung eines türkischen Staatsbürgers nur noch in Ausnahmefällen und unter strengen Bedingungen möglich.

Für Türken, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, besteht seither ein besonderer Rechtsschutz, den Benecken nun für seinen Mandanten einfordert: "Heute wäre es undenkbar, Mehmet wegen seiner begangenen Straftaten abzuschieben. Es gibt so viele überzeugende Argumente, um optimistisch zu sein, dass er im nächsten Jahr wieder einreisen darf." Muhlis A. selbst allerdings befürchte, dass die Stadt in seinem besonderen Fall genauer hinschauen werde als bei anderen.

Heute betreibt er eine Paintball-Anlage in Istanbul

Der "Fall Mehmet" hatte einst die Politiker aller Parteien gespalten: Weil A. im Alter von 14 Jahren bereits 60 Straftaten auf dem Kerbholz hatte, setzten sich damals der bayerische Innenminister Günther Beckstein und Kreisverwaltungsreferent Hans-Peter Uhl (beide CSU) für die Abschiebung des Jugendlichen ein. Oppositionspolitiker und weite Teile der Öffentlichkeit sprachen sich indes gegen die Abschiebung aus - mit dem Argument, dass "Mehmet" in Deutschland geboren und aufgewachsen sei und deshalb auch hier bestraft werden müsse.

Im November 1998 wurde A. schließlich ohne seine Eltern in die Türkei ausgeflogen. 2002 verhandelte das Bundesverwaltungsgericht den Fall erneut und entschied, dass A. wieder nach Deutschland zurückkommen dürfe. In München blieb er unauffällig - bis er seine Eltern verprügelte. Heute lebt er bei Istanbul und betreibt eine Paintball-Anlage. Über die Vergangenheit spricht er nicht gerne: Er hätte sich damals mehr Unterstützung gewünscht statt harter Hand. Für den Fall seiner Rückkehr hat er schon Pläne: Er will kriminellen Münchner Jugendlichen dabei helfen, wieder auf die richtige Bahn zu kommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1469688
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.09.2012/feko
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.