München:Erste Hilfe gegen den Verkehrskollaps im Norden

ADAC warnt vor großen Staus am langen Wochenende

Den Infarkt vereiteln: In einer Abschlusserklärung einigten sich Oberbürgermeister, Landräte und Rathauschefs auf ein zügig zu realisierendes Verkehrskonzept für den Raum München Nord.

(Foto: Matthias Balk/dpa)
  • Die Herausforderungen im Bereich der Mobilitätsentwicklung im Großraum München wachsen stetig.
  • Die Infrastruktur ist an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen, vor allem im Münchner Norden.
  • Nun sollen zügig Pilotprojekte wie ein Radschnellweg nach Freising oder Schnellbusse auf den Autobahnen starten.

Von Sabine Wejsada

Ein Radschnellweg von München nach Freising, Schnellbusse auf den Autobahnen A 8 und A 9 und die Einführung eines regionalen Parkraummanagements: Diese und fünf weitere Pilotprojekte fordern Kommunalpolitiker aus Stadt und Landkreis München sowie aus den Kreisen Freising und Dachau, um die Verkehrslast für den Münchner Norden und die benachbarten Landkreise deutlich zu reduzieren. Die Vorhaben sind Teil des Verkehrskonzepts für den Raum München Nord. Sie sollen schnell umgesetzt werden - und können das auch nach Überzeugung von Oberbürgermeistern, Landräten und Rathauschefs aus mehr als 30 Kommunen. In Unterföhring haben sie am Mittwochabend dazu eine gemeinsame Abschlusserklärung unterzeichnet.

Als dringend erforderlich bezeichnen die Lokalpolitiker zudem, bei wichtigen Schienenprojekten, deren Trägerschaft nicht allein in kommunaler Hand liegt, auf eine schnelle Umsetzung zu drängen. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seine Kollegen halten unter anderem die Ertüchtigung des DB-Nordrings für den Schienenpersonennahverkehr, den Ausbau der Kapazitäten von S-Bahn und Regionalverkehr sowie die Erhöhung der Zuverlässigkeit der S-Bahn für maßgeblich. Auch die Preisgestaltung bei den Tarifen ist ein Thema.

Die Herausforderungen im Bereich der Mobilitätsentwicklung im Großraum München wachsen stetig. Gerade die positive Arbeitsplatz- und Bevölkerungsentwicklung bringen die vorhandene Verkehrsinfrastruktur regelmäßig an ihre Leistungs- und Kapazitätsgrenzen. Auf Grund der aktuellen Wachstumsdynamik spitzt sich dieser Trend weiter zu. Um dem etwas entgegensetzen zu können, ist 2015 ein interkommunaler Prozess zur Abstimmung der zukünftigen Entwicklungen im Münchner Norden sowie den angrenzenden Kommunen gestartet worden.

Rund 30 Kommunen aus den Landkreisen Freising, München und Dachau haben in den vergangenen Jahren zusammen mit der Landeshauptstadt gemeinsam an Planungszielen für die zukünftige Verkehrs-, Siedlungs- und Landschaftsentwicklung gearbeitet. Unterstützt durch ein Gutachterteam aus Verkehrs-, Stadt- und Landschaftsplanern sowie professionellen Moderatorinnen, sind einheitliche Planungsgrundlagen und Beurteilungsmodelle sowie abgestimmte Ziele für die zukünftige Entwicklung erstellt worden.

In der "Dachauer Erklärung" haben sich die Kommunen 2015 darauf verständigt, in mehreren Workshops gemeinsam Lösungen zur Bewältigung der Verkehrsproblematik zu finden und ein entsprechendes Konzept zu entwickeln. Ein wichtiges Ziel ist es, den Pendlerinnen und Pendlern attraktive Alternativen zum eigenen Auto zu bieten, um den Autoverkehr schon vor der Haustür abzufangen.

Nach Überzeugung der beteiligten Politiker reichen die derzeitigen Planungen zum Ausbau der Infrastruktur bei weitem nicht aus, um spürbare Verbesserungen im Verkehrssystem im Münchner Norden und den Nachbarlandkreisen Dachau und Freising zu erzielen. Freistaat und Bund müssten endlich erkennen, das der Ballungsraum schnell eine Optimierung braucht. "Wir sind nur noch im Reaktionsmodus", beklagt etwa der Münchner Landrat Christoph Göbel (CSU). Gerade die Kommunen im Norden mit ihren Forschungseinrichtungen und großen Unternehmen seien die "wirtschaftliche Lokomotive" Bayerns; damit diese weiter fahren kann, brauche es Unterstützung von oben.

Dass damit nicht nur finanzielle Hilfe beim Ausbau der Infrastruktur gemeint ist, sagt Stefan Löwl (CSU), der Landrat von Dachau. Oft seien es die gesetzlichen Vorgaben, die eine Umsetzung der Maßnahmen verzögerten. "Wir müssen Spielräume finden", fordert Löwl. Deshalb hat das Bündnis der Kommunen neun Projekte aufgelegt, die sich schnell realisieren lassen: Schnellbusse auf der A 8 und der A 9, eine Busverdichtung in Altomünster, einen Regional-Hub in Petershausen, eine Busverbindung zwischen Freising und Pfaffenhofen an der Glonn, der Radschnellweg von München nach Freising, eine Vorfahrtsberechtigung der Busse auf der B 471 zwischen Ismaning und Dachau, eine Taktverdichtung der Buslinie 172 von München-Feldmoching nach Dachau sowie ein regionales Parkraummanagement, das den Individualverkehr im besten Fall schon weit draußen bremst.

"Wir erwarten Unterstützung und Flexibilität der Behörden", sagt Löwl und kritisiert, dass die vorgeschriebene Standards so manches Vorhaben erschwerten. So sei es sinnvoll, beispielsweise beim Bau eines Radschnellwegs nicht überall auf die gesetzlich vorgegebene Breite zu pochen, wenn das etwa bei einer bestehenden Brücke nicht machbar sei. "Lieber 80 Prozent und wir haben den Radweg, als 100 Prozent und er kommt nicht", sagt der Dachauer Landrat an die Adresse von Karl Schumacher, Leiter der Abteilung Vernetzte Mobilität im bayerischen Verkehrsministerium, der am Mittwoch im Publikum sitzt. Dieser versichert, er nehme die Forderungen "sehr, sehr gerne entgegen" und signalisiert Unterstützung des Ministeriums, bleibt aber konkrete Antworten schuldig, ob man gewillt sei, durch den Abbau von Bürokratie Projekte zu beschleunigen.

MVV-Geschäftsführer Bernd Rosenbusch empfiehlt derweil, einen Blick in die Schweiz zu werfen. Dort gebe es eine staatliche "Ballungsraumzulage" für Verkehrsprojekte. "Das brauchen wir hier auch", sagt Rosenbusch. Keine andere Region in Bayern wächst dermaßen dynamisch wie der Münchner Norden, sagt der Freisinger Landrat Josef Hauner (CSU). Um das bewältigen zu können, sind gemeinsame Mobilitätskonzepte nötig - mit Unterstützung des Freistaats.

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