Unterbringung von Flüchtlingen:Doch keine Zelte

Unterbringung von Flüchtlingen: Im vergangenen Herbst kamen Flüchtlinge für zehn Tage im Übernachtungscamp "The Tent" unter.

Im vergangenen Herbst kamen Flüchtlinge für zehn Tage im Übernachtungscamp "The Tent" unter.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Pläne, Flüchtline zukünftig auch in Zelten unterzubringen, sind offenbar wieder vom Tisch.
  • Oberbürgermeister Reiter hat die Verwaltung aufgefordert, Alternativen zu suchen.
  • In München sollen dieses Jahr mehr Flüchtlinge ankommen, als je zuvor. Deshalb wurde eine Unterbringung in Zelten ins Gespräch gebracht - womit die Stadt ein Tabu gebrochen hätte.

Von Andreas Glas und Kassian Stroh

So schnell kann es gehen, wenn eine Krisensitzung die nächste jagt. Am Freitag saßen die Experten des Münchner Sozialreferats stundenlang beisammen. Ihr Problem: Wohin mit den 600 Flüchtlingen, die die Stadt kurzfristig auf Geheiß der Regierung von Oberbayern unterbringen muss? Ihre Antwort: Ohne Zelte wird es wohl nicht gehen, zumindest als Reserve für Notfälle, wenn die Flüchtlingszahlen weiter steigen.

Das war dann auch Thema am Montagvormittag im sogenannten Stab für außergewöhnliche Ereignisse, einer Runde, in der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ebenso sitzt wie Vertreter der zuständigen Referate und anderer Behörden wie Polizei oder Bezirksregierung. Auch diese Runde debattierte über Zelte, über Tragluft- und Leichtbauhallen.

Ausgeschlossen wurden sie nicht, aber es wurde schon deutlich, dass insbesondere Reiter nicht glücklich war und noch "Gesprächsbedarf" sah, wie es ein Augenzeuge ausdrückte. So bat der OB im Anschluss noch einmal seine zuständigen Referenten zu sich. Und da wurde die Zeltidee zumindest vorerst begraben. Die seien "allenfalls Ultima Ratio", ließ Reiter anschließend verbreiten. "Ich habe die Verwaltung gebeten, dringend Alternativen zu dieser Vorgehensweise zu suchen."

Prüfung, um für alle Fälle gewappnet zu sein

Alternativen, nach denen Sozialreferentin Brigitte Meier (SPD) nach eigenem Bekunden ja ohnehin ständig gesucht hat - bis zum Montagmorgen mit dem Ergebnis, die Zeltvariante zu prüfen, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Dementsprechend unterschiedlich war Stunden später die Interpretation der Beschlusslage: Traglufthallen seien "eine viel zu teure, viel zu unwirtschaftliche Lösung", sagte SPD-Fraktionschef Alexander Reissl, außerdem wolle man "vermeiden, dass wir wie in Kriegsgebieten Leute in Zelten unterbringen".

Die halte man "im Augenblick nicht für nötig", sekundiert Hans Podiuk, Fraktionschef des Koalitionspartners CSU. Und Meier selbst wählte das Wort "Schubladenplanung": Also weiter an Zelte zu denken, aber vorrangig nach leeren Gewerbeimmobilien zu suchen, die kurzfristig als Asylunterkünfte herhalten können. Mal sprach sie vom "Wunsch" des Oberbürgermeisters, mal von einer "Anweisung".

Das Problem ist folgendes: Die Erstaufnahmeeinrichtung in München, die sich auf die Bayernkaserne und weitere Standorte verteilt, ist ziemlich voll. Da sich nicht abzeichnet, dass in den kommenden Wochen weniger Flüchtlinge ankommen, verteilt die Regierung von Oberbayern nun kurzfristig 1800 Menschen auf alle Landkreise und kreisfreien Städte in Oberbayern.

Sozialreferentin Meier ist optimistisch

Für München heißt das: Vier Wochen lang müssen jeweils 150 Asylbewerber zusätzlich untergebracht werden. Meier ist optimistisch: Sie will sie in eine als Notreserve gedachte Unterkunft in der Truderinger Fauststraße schicken, ebenso wie in ein altes Siemens-Gebäude an der Richard-Strauss-Straße. Ein anderes Siemens-Gebäude an der Hofmannstraße soll schneller als geplant geöffnet werden.

Von Juli an will sie auch eine Polizei-Immobilie an der Skagerrakstraße in Moosach nutzen und von August an auch erneut den VIP-Bereich im Olympiastadion, wie schon im vergangenen Jahr. "Für die nächsten vier Wochen bin ich damit im grünen Bereich", sagt sie. "Dann hätte ich aber keine Notquartiere mehr außer Turnhallen, was wir nicht wollen." Und an dieser Stelle setzt die Zeltidee an.

Die Container sind nicht früh genug fertig

Der Stadtrat hat bereits diverse Standorte für große Unterkünfte genehmigt - etwa in Containern. Die aber werden alle erst sukzessive ab Herbst fertig. Deshalb wollte Meier nach eigenen Angaben an bis zu vier dieser Standorte Leichtbau- oder Traglufthallen errichten für jeweils 150 bis 200 Menschen. Als Übergang, bis die Container stehen; von Juli, spätestens August an bis längstens Oktober.

Für zwei dieser Zelte hat die Stadt bereits konkrete Angebote vorliegen. Das alles hätte der Stadtrat, so war Meiers Plan, am 1. Juli beschließen sollen. Doch ob die Zeltoption nach Reiters Einschreiten nun noch in der Beschlussvorlage auftauchen wird, ist ungewiss. Denn die Verwaltung soll nun "mit Hochdruck" nach Alternativen suchen. "Und ich hoffe, dass wir sie finden", sagt Meier, es gebe da "schon noch Möglichkeiten".

Im Rathaus denkt man dabei vor allem an leere Gewerbeimmobilien. Das fordern die Grünen und die CSU schon seit geraumer Zeit, doch Meier war bislang äußerst skeptisch. Solche Häuser mit Toiletten und Duschen zu versehen, sei teuer und dauere lange - beides könne man sich nicht leisten, so argumentierte sie noch vor zwei Wochen. Am Montag deutete sie an, dass die Stadt bereit wäre, auch mehr Geld auszugeben. Und CSU-Fraktionschef Podiuk sagte: "Auch bei den Traglufthallen müssten wir einen Toilettenwagen hinstellen", dann könne man das auch bei leer stehenden Gewerbeimmobilien tun, um diese fix bezugsfertig zu machen.

Grüne befürchten, dass Flüchtlinge in Gewerbegebieten untergebracht werden

Diese Art von Häusern halten auch die Grünen grundsätzlich für eine gute Lösung, nur kurzfristig sei das nicht machbar, sagte Fraktionschefin Gülseren Demirel. Sie fürchtet, dass die schwarz-rote Koalition Flüchtlinge in Gewerbegebiete außerhalb der Stadt schicken wolle - so wie es SPD-Fraktionschef Reissl bereits andeutet. "Das geht nicht", sagt Demirel. "Wir können keine 300, 400 Menschen mit Kleinkindern irgendwo außerhalb der Stadt unterbringen, wo es keine Infrastruktur und keine Verkehrsanbindung gibt."

12 500 Flüchtlinge muss München bis Ende des Jahres unterbringen, so die bisherige Prognose des Freistaats. Das sei auch zu schaffen, sagt Meier, nur gehe sie schon lange davon aus, dass es mehr Menschen würden. Intern wird offenbar bereits wieder debattiert, die Wiesnzelte als Notunterkünfte zu nutzen, was man vor einem Jahr noch verwarf.

"Wir leben quasi von Woche zu Woche."

Meier nennt das "Spekulationen" - da sollte man den Sommer abwarten. Und dass vielleicht doch noch Turnhallen als Quartiere herangezogen werden? "Ich weiß es nicht", sagt die Sozialreferentin. Wir leben quasi von Woche zu Woche."

Ohnehin hat die Stadt noch ein weiteres, gravierendes Problem: Sie ist derzeit für 4000 minderjährige Flüchtlinge zuständig, die ohne Eltern nach Bayern gekommen sind. Da sie wesentlich intensiver betreut werden als erwachsene Asylbewerber, ist es noch viel schwieriger, für sie Heimplätze zu finden und zu finanzieren. Da immerhin ist ein kleines bisschen Entlastung in Sicht: Seit Montag können die am meisten betroffenen Kommunen - das sind neben München vor allem die grenznahen Städte Passau und Rosenheim - mehr junge Flüchtlinge an andere bayerische Kommunen weiterschicken. 200 Plätze hat das Sozialministerium für solche Fälle geschaffen. Und an diesem Dienstag will das Kabinett beschließen, mehr Kapazitäten für die "Erstversorgung" junger Flüchtlinge zu schaffen.

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