Unreservierte Plätze im Wiesn-Zelt:Das Recht aufs letzte Noagerl

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Bestellen, trinken - gehen? Was vielen Bedienungen am liebsten wäre, ist nicht im Sinne der Stadt. (Foto: Getty Images)

Wie lange darf ein Wiesn-Gast auf einem nicht reservierten Platz sitzen? Eine zeitliche Vorgabe gibt es nicht, sagen die Wirte des größten Volksfestes der Welt. Doch ein Fall im neuen Marstall-Zelt lässt Zweifel aufkommen.

Von Franz Kotteder und Andreas Schubert, München

Wie lange darf man auf dem Oktoberfest einen reservierungsfreien Platz belegen? Darüber scheinen die Meinungen auseinanderzugehen. Eine zeitliche Beschränkung gibt es naturgemäß eigentlich nur bei reservierten Plätzen. Im neuen Marstallzelt aber wurden Gäste, von denen scheinbar nicht viel Umsatz zu erwarten war, aber auch auf reservierungsfreien Plätzen schon vom Personal zum Gehen aufgefordert. Man habe um 20 Uhr einen Wechsel dort, sagte eine Bedienung am Sonntagabend.

Wirt Siegfried Able zeigt sich empört, als er von der SZ mit dieser Aussage konfrontiert wird. Es gebe keinerlei Anweisung an das Personal, so vorzugehen. Im Gegenteil: "Das ist ein Kündigungsgrund", sagte er am Montag auf Nachfrage. "In so einem Fall", so Able weiter, "rate ich jedem, sich sofort bei mir zu beschweren."

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Die dreiköpfige Runde, die am Sonntag gegen 18.30 Uhr Plätze an einem Tisch ergattert hatte und relativ zügig bedient wurde, war erstaunt, als sie gegen 19.30 Uhr noch eine zweite Runde ordern wollte. "Ihr müsst jetzt dann aufstehen", so die Bedienung. "Wir haben einen Wechsel." Gästewechsel sind in Wiesnzelten üblich, aber nur an reservierten Tischen.

Die Bedienung sagt, sie müsse "Umsatz machen"

Im neuen Marstall-Zelt von Siegfried Able gibt es wie beim Vorgänger, dem Hippodrom, drei Schichten. An Wochenenden reserviert man im Mittelschiff von 11 bis 14.30 Uhr, von 15 bis 18 Uhr und von 18.30 bis 23 Uhr. Während der Woche gelten andere Zeiten, ebenso in den Boxen. Von einem Schichtwechsel an den frei zugänglichen Tischen ist in den allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht die Rede. Auf ausdrückliche Nachfrage bestätigte die Bedienung, man befinde sich nicht im reservierten Bereich, gleichwohl verwies sie darauf, dass sie "Umsatz machen" müsse.

Das gehe gar nicht, sagte Able, der auf den Hinweis verärgert reagierte. Erst am Montag habe er sich von zwei Kellnern getrennt, die verbotenerweise Gäste in ihrem Servicebereich platzieren wollten. Im Marstall obliegt diese Aufgabe ausschließlich den Hostessen. "So ein Fehlverhalten dulden wir nicht", betont der Wirt. "Uns geht die Sicherheit und der Service über den Ertrag", betonte er.

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An Wochentagen darf ein Viertel aller genehmigten Plätze im Zelt nicht mit Reservierungen belegt werden. An Samstagen, Sonntagen und Feiertagen bis 15 Uhr bleibt die Hälfte der Plätze reservierungsfrei, danach 35 Prozent. Im 3200 Plätze fassenden Marstall entspricht das 1120 Plätzen.

"Eine zeitliche Beschränkung macht gar keinen Sinn", sagt eine Wirtin

In den Wiesnzelten gilt generell die Regel, dass reservierungsfreie Plätze von den Gästen so lange besetzt werden können, so lange sie wollen und auch konsumieren wollen. "Sonst wären sie doch gar nicht reservierungsfrei", sagt Wirtin Antje Schneider von der Ochsenbraterei, "eine zeitliche Beschränkung macht da doch gar keinen Sinn." Auch Peter Pongratz vom Winzerer Fähndl sagt: "Bei uns kann jeder so lange sitzen bleiben, wie er will." Peter Inselkammer vom Armbrustschützenzelt findet es ebenso wie Georg Heide von der Bräurosl widersinnig, "nicht reservierte Bereiche wieder zu beschränken". Bedienungen sähen es zwar nicht gerne, "wenn einer stundenlang vor einem Noagerl sitzt", aber sie hätten keinesfalls das Recht, einen Gast wegzuschicken: "Unser Service-Personal weiß das auch ganz genau."

Bürgermeister Josef Schmid (CSU), in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsreferent auch oberster Wiesn-Chef, will es nicht dulden, dass nichtreservierte Plätze nur stundenweise vergeben werden. "Das widerspräche eindeutig unseren Vorgaben." Freilich müsse man im Einzelfall prüfen, warum Gäste zum Gehen aufgefordert werden: "Wenn sie überhaupt nichts essen oder trinken wollen oder wenn sie randalieren, dann wäre das natürlich etwas anderes." Ein genereller Schichtwechsel sei jedoch nicht erlaubt.

Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle sagt, gaststättenrechtlich sei seine Behörde mit solchen Regelungen nicht befasst: "Das ist eine Sache zwischen dem Veranstalter der Wiesn, also der Stadt, und dem einzelnen Wirt." Die Stadt als Veranstalter könne eine Geschäftsordnung festlegen, an die sich der Wirt zu halten habe. Auswirkungen auf die gaststättenrechtliche Genehmigung habe das aber nicht, anders als zum Beispiel die Beschäftigung von illegalen Arbeitskräften.

© SZ vom 23.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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