Universitäten in Bayern:Protest gegen Reformpläne

Universitäten in Bayern: Dietmar Rübel ist Professor für Kunstgeschichte an der Münchner Kunstakademie. Gemeinsam mit Kollegen hat er eine Protestnote gegen die geplante Hochschulreform in Bayern verfasst.

Dietmar Rübel ist Professor für Kunstgeschichte an der Münchner Kunstakademie. Gemeinsam mit Kollegen hat er eine Protestnote gegen die geplante Hochschulreform in Bayern verfasst.

(Foto: Olaf Paschest)

Kunstakademie kritisiert Tendenz des neuen Hochschulgesetzes

Interview von Sabine Buchwald

An den Hochschulen formiert sich Widerstand gegen die Inhalte des geplanten bayerischen "Hochschulinnovationsgesetzes", einer umfassenden Reform der Universitäten im Freistaat. Die Münchner Kunstakademie hat unter Leitung von Dietmar Rübel, Professor für Kunstgeschichte, vor den nächsten Verhandlungen an diesem Montag eine Protestnote verfasst und im Wissenschaftsministerium eingereicht.

SZ: Wie kommt die Art, wie an der Gesetzesnovelle gearbeitet wird, bei Ihnen an?

Dietmar Rübel: Der Zeitpunkt und wie wir darüber informiert wurden, vor allem über die Medien, ist sehr irritierend. Und das in einem Moment, in dem wir alle mit der Umsetzung der digitalen Lehre und der Betreuung der Studierenden extrem gefordert sind.

Was halten Sie von der Ausrichtung des veröffentlichten Eckpunktepapiers?

Es ist durchaus respektlos, dass es aus der Perspektive der Technischen Universitäten beziehungsweise der Hochschulen für angewandte Wissenschaften geschrieben ist. Auch die Sprache mit Schlagwörtern wie "Befruchtung" und "entfesselt" ist absurd. Man hat sich nicht mal Mühe gegeben, die Vielfalt der bayerischen Hochschulen zu benennen. Ich halte das Papier für ein Ablenkungsmanöver. Eigentlich müssten wir über den Gesetzestext sprechen, den wir nicht in den Händen haben.

An einer Reform aber zweifeln Sie nicht?

Es gibt sehr viel an bayerischen Hochschulen und auch ihren Rechtsformen zu reformieren. Aber wir fordern ein Verfahren, das öffentlich und demokratisch abläuft und alle Gruppen einbindet. Dazu gehören Politiker, Verbände, Professoren, Mitarbeiter und die Studierenden.

Was sollte sich ändern?

Die Berufungsverfahren zum Beispiel. In Bayern hält immer noch das Ministerium die Fäden in der Hand. Der Austausch ist schwerfällig und langwierig. Auch die Struktur des Mittelbaus muss völlig neu justiert werden. Man sollte den Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Hochschulverbandes folgen und mit langfristigen Verträgen Sicherheiten schaffen und den Druck rausnehmen, damit gerade jüngere Kollegen ihre Forschung entwickeln können.

Wo sehen Sie Gefahren?

Die Universitäten sollen wie Firmen operieren und die Mehrheit der Professoren entmachtet werden. Sie haben dann nur noch in einem bestimmten Rahmen im Präsidialsystem Mitspracherechte. Die Professoren verkörpern aber doch die per Gesetz festgelegte Freiheit der Forschung und Lehre.

Sie schreiben, die Gesellschaft suche andere Antworten als ökonomische Ansätze und ein neoliberales Geschäftsmodell.

Das sind Ideen aus den 1990er Jahren, nach denen etwa US-amerikanische Stiftungsmodelle die Lösung für Exzellenzuniversitäten seien. Die bayerischen Universitäten sollen künftig Hoheiten über Immobilien haben und deren Präsidenten zu Bauherren werden. Das hat in den USA und in England dazu geführt, dass sich die Hochschulen in unglaubliche Immobiliengeschäfte verstrickt haben. Daran ist eine Schuldenökonomie gekoppelt. Dieses System crasht gerade, weil die Einnahmen von ausländischen Studierenden wegbrechen, die nicht einreisen können.

Ist der neue Ansatz also schon veraltet?

Wenn man die Studierenden in die Diskussion mit einbezieht, spürt man stark, dass sie viel mehr auf Sicherheiten und Gemeinschaft setzen und die Hochschulen nicht als Global Player wollen, die dann mit vermeintlichen Wirtschaftsgrößen umgehen.

Was sind bislang die Vorteile des deutschen Hochschulsystems?

Die Vielfalt. Die haben wir durch die nicht von Anfang an auf Exzellenz getrimmten Angebote der Hochschulen. Damit wird wenigstens teilweise eine soziale Dynamik aufrechterhalten. Aber noch immer gibt es zu wenig Studierende mit Migrationshintergrund oder Erststudierende einer Familie.

Wie sollten sich die Hochschulen für den globalen Konkurrenzkampf wappnen?

Die besten Leute gehen dort hin, wo es gute Arbeitsbedingungen gibt. Wir haben diese Arbeitsbedingungen hier, wenn wir das Recht auf Freiheit der Lehre erhalten und dem Gemeinwohl folgen und keine Studiengebühren erheben. Man sieht jetzt schon an den Bewerbungsverfahren, dass viele Professoren aus den USA kommen wollen, weil sie nicht mehr in einem System strampeln möchten, wo nur durchschnittlich 17 Prozent der Gelder und der Arbeit in die Lehre fließen und der Rest in Gewinnmanagement und Werbung für die Hochschule.

Motiviert Sie die Tradition der Münchner Kunstakademie zu Ihrem Protest?

Wir haben einen gemeinsamen Nenner und das sind die Künste und deren Freiheit. Wenn Freiheit auf einmal Marktfreiheit bedeutet, dann müssen wir ganz vehement widersprechen. Viele Kunsthochschulen im deutschsprachigen Raum wurden vor 200, 250 Jahren gegründet, um die Wirtschaft anzukurbeln. Man wollte damals Personen, die man heute "Kreative" nennen würde, in staatliche Institutionen holen, um mit ihren Ideen Reformen voranzutreiben. Deshalb ist es umso bedauernswerter, dass man nicht unterschiedliche Stimmen und Ideen einsammelt, denn nur über diese Vielfalt bekäme dieses Gesetz auch die Kraft, die es braucht.

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