China ist nicht nur ein wichtiger Handelspartner für die deutsche Wirtschaft, ohne chinesische Wissenschaftler nebst ihrem Nachwuchs stünden auch Forschung und Lehre in Deutschland schlechter da. Sowohl beim Handel als auch in der Wissenschaft gehören daher gegenseitige Besuche zur Regel. Dabei werden nicht nur Gastgeschenke wie Wandteller oder Koffergurte ausgetauscht, sondern auch handfeste Vereinbarungen getroffen. Denn neben anderem steht für beide Länder ein Ziel ganz oben: die Zukunft.
Zukunftsfähig bleiben im internationalen Vergleich, danach streben auch die beiden größten Münchner Universitäten, die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und die Technische Universität (TU), und so blicken sie schon seit Jahren in Richtung Reich der Mitte. Die LMU hat inzwischen zehn Partneruniversitäten in China und Hongkong sowie ein Büro in Singapur. Seit 2015 treffen sich Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter mal hier, mal dort zum "Scientific Forum". 2017 empfing man in München, in diesen Tagen sind nun 60 LMU-Botschafter in Peking. Es ist die bislang größte Delegation, die in Vorträgen und Workshops ihre Fakultäten vertreten. Auf der Internetseite der LMU ist das enge Programm dieses Gruppenausfluges nachzulesen. Vor zwei Jahrzehnten zählten solche Reisen noch zur Domäne der Sinologen, sagt Hans van Ess, Lehrstuhlinhaber für Sinologie und Mongolistik. Heute ist die Abordnung interdisziplinär unterwegs mit Kollegen etwa aus der Humanmedizin, der Biologie, der Physik und der Germanistik.
Eine Reise in dieser Größenordnung zu planen, ist logistisch und finanziell aufwendig und hat einen langen Vorlauf. Finanziert wird sie vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft (BMBF). Ein niedriger sechsstelliger Betrag wird dafür aufgewendet. "Wir haben festgestellt, dass immer mehr Kollegen nach China gefahren sind", sagt der Sinologieprofessor, so sei die Idee entstanden, diese Reisetätigkeiten zusammenzufassen und Synergien zu nutzen zwischen den einzelnen Bereichen. Mittlerweile habe man einen ganz guten Überblick, welche Projekte an der LMU laufen. Womöglich könne man die Reisen wieder etwas reduzieren, sagt van Ess.
Am Ende dieser Fahrt wird man nach sicherlich vielen neuen Eindrücken eine weitere Kooperation mit einer Pekinger Hochschule besiegeln. Geplant ist eine Absichtserklärung für gemeinsame Forschungsarbeiten mit der Renmin-Universität. Die 10 000 Euro, die dazu jährlich aus München fließen sollen, stammten aus Mitteln der Exzellenzinitiative, heißt es von Seiten der LMU.
"Freundschaftliche Beziehungen helfen, wenn die Zeiten rauer werden", sagt Sinologieprofessor van Ess. Politische Themen anzusprechen, sei jedenfalls im größeren Rahmen schwierig. Tabu seien etwa die Menschenrechte in Tibet oder Taiwan. In der vergangenen ein, zwei Jahren habe er eine Verschärfung der politischen Situation gespürt. Ein Zwiespalt für manchen chinesischen Forscher. Dennoch: Die Unis wollen international mitspielen und müssen sich dafür öffnen. Aus deutscher Sicht schaut man durchaus neidisch auf das verfügbare Potenzial: an Menschen, Geld und Forschungswillen. Der wissenschaftliche Output aus China war in der jüngsten Vergangenheit so groß wie noch nie.
An der LMU studieren derzeit knapp 850 Männer und Frauen aus der Volksrepublik, Hongkong und Macau. Damit sind sie die zweitgrößte Gruppe hinter den österreichischen Studierenden. Vor allem Doktoranden kommen nach München. Im Vergleich allerdings toppt die TU diese Zahl: Dort sind derzeit 1700 chinesische Studierende eingeschrieben. Zwischen 2013 und 2017 sind die Immatrikulationen um 36 Prozent gestiegen. Die TU setzt seit längerem auf das asiatische Land. Die Universität unterhält 15 Partnerschaften, einzelne Fakultäten haben zudem Kooperationsvereinbarungen. Schon 2002, also vor 16 Jahren, gründete die TU in Singapur die erste Auslandsdependance einer deutschen Universität.