Süddeutsche Zeitung

Uni-Atlas Bayern:TU München: Uni der Superlative

Die Technische Universität strotzt vor Selbstbewusstsein. Ihre inzwischen 40 000 Studenten finden tatsächlich gute Bedingungen vor - sogar in "Garchosibirsk".

Von Jakob Wetzel

Um große Worte ist man in München grundsätzlich selten verlegen. Erst recht gilt das für die Technische Universität (TUM). Sie bezeichnet sich selbst nicht nur als eine der führenden Universitäten Europas, sondern auch als Reform-Motor für die deutsche Hochschulpolitik, der Spitzenforschung mit einem einzigartigen Studienangebot verknüpfe.

Die Professoren gehörten zu den weltweit besten, das Netzwerk an Partnerschaften mit Firmen sei herausragend. Und keine andere deutsche Universität würde ihre Absolventen so stark dabei unterstützen, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Es sind recht viele Superlative, mit denen die Uni aufwartet. Das eigentlich Erstaunliche daran ist jedoch: In vielen Punkten hat sie tatsächlich nicht ganz Unrecht.

Besonders in jüngerer Zeit hat die TUM eine rasante Entwicklung hingelegt: Vor zehn Jahren zählte sie noch wenig mehr als 20 000 Studenten; zum Sommersemester 2016 sind es fast doppelt so viele. Zehn Jahre ist es auch her, dass die Universität in der Exzellenzinitiative zu einer der ersten drei deutschen Elite-Unis gekürt worden ist; 2012 hat sie den Titel verteidigt. Ihr ausgezeichnetes Zukunftskonzept war beide Male das einer "Entrepreneurial University", einer "unternehmerischen Universität", die ihren Studenten Gründergeist vermitteln will.

Irgendwo war seither immer gerade irgendetwas in Bau, sei es ein Forschungs- oder Gründerzentrum, ein neues Institut oder eine modernere Mensa. Hinter dem Wandel steht Wolfgang A. Herrmann, der die TUM seit 1995 führt; er ist der am längsten amtierende Hochschulpräsident Deutschlands. Er hat die TUM an die Wirtschaft herangeführt, was den Studenten heute gute Chancen eröffnet, zum Beispiel als Werkstudent zu arbeiten.

Unter Herrmann wurde die Universität auch internationaler; 2002 expandierte sie ins Ausland, sie eröffnete einen Campus in Singapur, für eine deutsche Universität war das neu. Weitere Standorte folgten, unter anderem in Peking, in Kairo und in São Paulo. In München werden immer mehr Master-Studiengänge auf Englisch angeboten. Präsident Herrmann hat das 2015 den Titel "Sprachpanscher des Jahres" eingebracht, aber im Ausland ist die TUM entsprechend beliebt; jeder fünfte Student hat derzeit keinen deutschen Pass.

Schwerpunkt der TUM sind traditionell die Natur- und Ingenieurwissenschaften. Wer an einer bayerischen Universität zum Beispiel Architektur studieren will, kommt an ihr nicht vorbei, dasselbe gilt für Fahrzeug- und Motorentechnik, für Umweltingenieurwesen oder auch für speziellere Fächer wie Gartenbaumanagement, Brauwesen oder Kartografie. Die Infrastruktur der TUM - unter anderem mit einem eigenen Forschungsreaktor für die Physik - sucht dabei ihresgleichen.

Doch die Universität hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt, Präsident Herrmann schwebt eine Symbiose vor zwischen dem traditionellen Kerngeschäft der TUM und den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit 2012 gibt es an der Uni deshalb ein "Munich Center for Technology in Society", das Studiengänge zur sozialen Bedeutung von moderner Technik anbietet. Darüber bietet die Universität gezielt Studiengänge an wie eine technologieorientierte Betriebswirtschaftslehre, Ergonomie ("Human Factors Engineering") oder "Life Science Economics and Policy". Jüngster Schritt auf diesem Weg ist die Übernahme der Hochschule für Politik (HfP), die vor zwei Jahren den Träger wechselte: weg von der Ludwig-Maximilians-Universität, der großen Partnerin und Konkurrentin in München, hin zur TUM, wo sie zur 14. Fakultät werden soll. Mit der HfP will Herrmann der technischen Universität endgültig ein geisteswissenschaftliches Profil verpassen.

Die HfP hat Platz an der Brienner Straße gefunden, nahe dem Stammsitz an der Arcisstraße. Selbstverständlich ist das nicht: Die Universität verteilt sich längst über die Stadt und darüber hinaus. Wie es sich an der TUM studiert, hängt deshalb vom Fach ab. Das Stammgelände in der Maxvorstadt mit ihren Kneipen und Museen bietet Platz nur für Wirtschaftswissenschaftler, Elektrotechniker, Architekten und Bauingenieure. Künftige Lehrer müssen ein paar Blocks weiter an die Marsstraße. Sportstudenten haben Glück: Sie finden ihre Fakultät im wunderschönen Olympiapark - allerdings steht dort ein Neubau an. Wer dagegen Medizin studiert, darf ans Klinikum Rechts der Isar nach Haidhausen, umgeben von Gaststätten und Biergärten.

Alle anderen müssen München verlassen. Wer zum Beispiel Landwirtschaft studiert, muss nach Weihenstephan. Hier, in einem Ortsteil von Freising, steht mit dem Wissenschaftszentrum für Ernährung, Landnutzung und Umwelt eine der größten Fakultäten der TUM. Seit 1957 expandiert die Universität zudem immer mehr nach Garching, in einen Vorort im Münchner Norden. In jenem Jahr ging dort ein erster Reaktor in Betrieb, und weil die Uni wuchs, zogen nach und nach immer mehr Fakultäten aus der Innenstadt auf die grüne Wiese ins Nirgendwo; die Forscher spöttelten von "Garchosibirsk". Mittlerweile ist dort ein gigantischer Campus entstanden.

Wer Mathematik, Informatik, Physik, Chemie oder Maschinenwesen studiert, findet seine Hörsäle hier; in der Nachbarschaft haben sich private Forschungsinstitute niedergelassen. In wenigen Jahren wird die Fakultät für Elektro- und Informationstechnik nachziehen. Bis heute allerdings ist hier abseits des Studiums wenig geboten. Es gibt wenig mehr als eine Mensa, ein paar Imbissbuden und eine Studentenkneipe. Eine "Neue Mitte" unter anderem mit Kongresszentrum, Hotel, Friseur, Post und Bank ist immerhin - wie so vieles - in Bau.

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SZ vom 23.06.2016/bica
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