Kürzlich erst hat Eva Muhr Quiche für alle Mitarbeiter zubereitet, mit Birnen und Kürbis. Gerade riecht es nach Hühnchen und Kartoffeln, auf einem Beistelltisch liegen frische Tomaten. Die einst kargen Bürowände zieren geschmückte Äste. "Ab sofort suchen wir auf Minijobbasis eine/n Feelgood-Manager (m/w)", hieß es in einer Stellenanzeige, die das Münchner Startup Adnymics vor etwa einem Monat in Umlauf brachte. Die Firma habe die Wohlfühlatmosphäre ausbauen wollen, sagt die 28 Jahre alte Sprecherin der Firma, Cathrin Grolig. Die Wahl fiel auf Eva Muhr.
Adnymics ist darauf spezialisiert, personalisierte Paketbeilagen zu erstellen. Kaffeeecke, Sofas und Tischkicker standen schon länger in den Büroräumen, so etwas gehört bei vielen jungen Unternehmen dazu. Aber eine Feelgood-Managerin? Eva Muhr, 54, kauft zweimal pro Woche für die Firma ein, kocht für die Belegschaft, bringt Farbe in die Räume der Firma - oder hört ihren Kollegen einfach nur zu. "Ich tobe mich gerne in der Küche aus - und ich tobe mich gerne kreativ aus, mit Basteleien und Verschönerungen", sagt Muhr, die zwei Söhne hat, 22 und 25 Jahre alt. "Und ich mag es, mich um Leute zu kümmern."
Die studierte Landschaftsplanerin arbeitete in einem Obst- und Gemüsegeschäft, dann suchte sie eine neue Herausforderung. Schließlich wurde sie auf die Anzeige aufmerksam. In ihrem Team kam die Wohlfühlbeauftragte sofort gut an. "Weil du dich nicht mehr kümmern musst: Muss die Küche saubergemacht werden? Oder: Geht die Milch wieder aus?", sagt Benjamin Gosse aus dem Vertrieb. Auch andere Firmen haben längst erkannt, wie wichtig zufriedene Beschäftigte sind. Der Internet-Dienstleister Jimdo beschäftigt Feelgood-Manager, weil man keine ausgelaugten Mitarbeiter wolle. Monika Kraus-Wildegger vom Online-Portal Goodplace nennt den Feelgood-Manager sogar eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit - durch den Wandel von der Industrie- hin zur Wissensgesellschaft, den Fachkräftemangel, die Digitalisierung und den Wertewandel: "Wenn man diesen Vierklang nimmt, wird der Mensch immer mehr zum unverzichtbaren Produktionsfaktor." Feelgood-Manager sollen für "beste Rahmenbedingungen" sorgen, wovon wiederum die Firma profitiere. So entstünden Ideen. Da dürfe man sich nicht täuschen lassen. "Das ist echte Arbeit", sagt Kraus-Wildegger.
Der Feelgood-Manager sei eine "urdeutsche Eigenentwicklung" - auch wenn es in den USA ein ähnliches Konzept gebe. "In immer mehr großen Unternehmen in den USA sorgen Chief Happiness Officer für das Wohl der Mitarbeiter", sagt Kraus-Wildegger. Während sich hierzulande die Beschäftigten innerhalb ihrer Arbeitszeit wohlfühlen sollen, gehe es in den USA darum, dass die Mitarbeiter durch das angenehme Umfeld gerne Überstunden machen. Deutschlandweit gebe es zwischen 80 und 100 Feelgood-Manager, zwei Drittel davon seien Frauen. Kraus-Wildegger glaubt, dass bald auch mehr Männer den Beruf für sich entdecken.
Im Startup Adnymics macht sich der Einsatz von Eva Muhr schon bemerkbar. "Ich muss mich in der Früh nicht aus dem Bett quälen. Und ich habe auch kein Problem damit, viele Stunden hier zu sein", sagt Benjamin Gosse. "Das ist sicher auch ein Verdienst von der Evi."