Süddeutsche Zeitung

Unfall auf der Toilette:Gefährliche Bedürfnisse

Der Gang zum Klo auf der Arbeit - ein rein privater oder doch dienstlicher Vorgang? Ein Polizeibeamter klemmt sich auf der Toilette im Präsidium den Finger ein - und verklagt den Freistaat.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Das Leben ist gefährlich, Risiken lauern überall - sogar auf dem Klo im Polizeipräsidium. Ein Hauptkommissar hat den Freistaat verklagt, weil er sich vor einem Jahr beim Austreten den Finger eingeklemmt hatte. Dieses Malheur will der Beamte formal als "Dienstunfall" anerkannt haben. Er war sichtlich überrascht, dass er am Donnerstag mit diesem Ansinnen am Verwaltungsgericht München gescheitert ist.

Prozesse dieser Art zeigen, dass der Gang zur Toilette durch die Brille von Juristen betrachtet ein durchaus komplizierter Vorgang ist. So stellte die 12. Kammer klar, dass der Aufenthalt in einem WC per se nicht dienstlicher, sondern "privatwirtschaftlicher" Natur sei: "An der Außentür hört der Versicherungsschutz auf", sagte die Vorsitzende Richterin. Das sei gefestigte Rechtsprechung, die ebenso auch für Kantinenbesuche gelte.

Im konkreten Fall hatte der Polizist an einer Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst teilgenommen - die er inzwischen auch bestanden hat. Er schilderte den Unfall so: Die Außentür zum Waschraum sei nach innen geöffnet und mit einem Keil festgeklemmt gewesen. Die Innentür zur eigentlichen Toilette schwinge genau in diese Richtung, sodass sich die Türblätter fast treffen. Ihm sei die Innentür entglitten und er habe instinktiv nachgegriffen. So sei der Mittelfinger seiner rechten Hand genau zwischen die beiden Türen geraten. Er habe böse Quetschungen und Blutergüsse erlitten. "Eine Woche musste der Finger geschient bleiben", sagte er.

Gerade weil die Notdurft "privat anfällt", wie die Richterin erklärt hatte, berief sich der Polizeibeamte nun auf eine bauliche Gefahrenlage durch die seiner Meinung nach falsch angebrachten Türen.

Keine "gefährliche Toilette"

Dieser Einwand wurde vom Gericht gekontert: Wenn der Unfall tatsächlich auf einen Baumangel zurückzuführen sein sollte, wäre das eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstherrn, die im Rahmen der Amtshaftung vor einem Zivilgericht geltend gemacht werden müsste. Vor allem müssten aber auch in Toiletten alle Einrichtungen "bestimmungsgemäß" benutzt werden, sagte das Gericht. Eine Tür sei also ausschließlich an der Türklinke zu führen. Deshalb sehe man trotz der Türproblematik in diesem Fall keine "gefährliche Toilette", stellte das Gericht fest und legte dem Polizeihauptkommissar nahe, seine Klage zurückzunehmen. Doch der lehnte das nach ausführlicher Beratung mit dem Vertreter einer Beamtengewerkschaft ab.

Er berief sich auf ein kürzlich ergangenes Urteil, das den Beinbruch eines Justizbeamten beim Wildbieseln in einem Gebüsch auf dem Heimweg als Dienstunfall anerkannt hatte. Doch das Gericht stellte fest, dass in dieser Einzelentscheidung der Beamte bereits kurz vor dem angepeilten Buschwerk ausgerutscht sei - damit sei es noch eine Wegeunfall. "So ist es", sagte die Vorsitzende, "man kann dem Dienstherrn nicht jedwede Unbill aufbürden." Das Gericht wies die Klage ab. Wenn in einigen Wochen das schriftliche Urteil vorliegt, kann der Polizist die Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragen.

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SZ vom 09.08.2013/dayk
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