Mit der englischen Redewendung „Expect the Unexpected“ ist gemeinhin ja die Fähigkeit gemeint, sich auf überraschende Dinge einzustellen, die eine gewisse Flexibilität erfordern. Wetterkapriolen, Streik am Flughafen, ein pünktlicher Zug der Deutschen Bahn – solche Sachen. Im Fall des „Unexpected Music“-Festivals darf man das stoizistische Gelassenheits-Sprüchlein nun im positiven Sinne wörtlich nehmen. Denn auch wenn einem die 18 Acts etwas Flexibilität in Sachen Hörgewohnheiten abverlangen, ist das Experimentalmusik-Festival natürlich in erster Linie als erfrischende musikalische Stimulanz gedacht.
Und so liegt der Fokus von Peter Wacha, der als Mitbetreiber der Roten Sonne auch als Kurator des Festivals fungiert, denn auch darauf „zahlreiche Facetten der experimentellen elektronischen Musik zusammenzubringen“, wie er sagt. Gleichzeitig ist das Festival jedoch von einem Gedanken bestimmt, der auch der ähnlich nischig besetzten „Alien Disko“ vorangeht. Will Wacha doch gerade Acts präsentieren, „die sonst in der Münchner Konzertlandschaft wenig oder gar keinen Platz finden“.
Waren bei der ersten Ausgabe im Dezember 2023 mit dem Krautrock-Altmeister Hans-Joachim Irmler von Faust und Andi Toma vom Frickel-Duo Mouse On Mars auch bekanntere Namen dabei, ist der besagte Gedanke diesmal noch eine Spur konsequenter umgesetzt.
So sei zum Auftakt etwa die in Hongkong aufgewachsene Produzentin Gyrofield empfohlen. Vom Rolling Stone in eine Auswahl von 25 Künstlerinnen und Künstlern gewählt, die „die Zukunft der Musik gestalten“, stattet sie ihren futuristischen Drum and Bass mit einem plastisch splitternden und splackernden Sound aus, ohne dabei die harmonischen Strukturen ihrer Tracks aus den Augen zu verlieren.
Sowohl als Musiker als auch als bildender Künstler ist wiederum der japanischstämmige Doon Kanda tätig, dessen ebenso träumerische wie düstere Soundästhetik sich auch aus dem Fantasy-Kosmos speist. Zwischen tröpfelndem Minimalismus und elektronischer Abstraktion entführt er in seinen Tracks in Kopfkino-Welten, die einen interessanten Kontrast zum heftig überdrehten Hyperpop des kanadischen Kollektivs Six Impala bilden dürften.
Der zweite Abend hält dann mit der US-amerikanischen Cellistin Mizu unter anderem eine Künstlerin bereit, die mittels Loops und Manipulationen ihres Instruments himmelweite Klanglandschaften aufbaut, für die man, wäre es nicht schon in der Welt, das Adjektiv „ätherisch“ einführen müsste. Mit ihrem Album „Forest Scenes“ hat sie ein Meisterwerk der Entrückungskunst geschaffen, dessen Tracks gewiss auch live ihre Wirkung nicht verfehlen.
Gut also, dass mit dem humorbegabten Cancel-Culture Kampfmusik Kollektiv und seinem Projekt Milkpuk3 auch an diesem Abend für alle Hypnotisierten ein Antidot zur Verfügung steht. Denn mit den Hardcore-Techno-Nummern der EP „Die Zeit heilt alle Wunden (aber wir werden nicht alt)“ ließen sich im Zweifelsfall auch Tote wieder zum Leben erwecken.
Bleibt für den dritten Abend neben der famosen französischen Electro-Partyband Dat Politics mit Susanne Brokesch noch eine lange abgetauchte Produzentin hervorzuheben, die bereits um die Jahrtausendwende höchst hörenswerte Alben auf Peter Wachas Label Disko B veröffentlichte. Mit ihrem bezirzend- warmen Anything-goes-Ansatz zwischen Ambient, House und abstrahierten Klöppeleien fügt sich die Wienerin nun passgenau ins Line-up von „Unexpected Music“ ein. Mit ihrer unerwarteten Rückkehr sowieso.
Unexpected Music, Donnerstag, 1. Mai, bis Samstag, 3. Mai, ab 17 Uhr, Rote Sonne, Maximiliansplatz 5, Programm und Tickets unter unexpected-music.com