Unesco-Liste:"Gefühlt ist das Olympiagelände doch schon längst ein Weltkulturerbe"

Dächer, Dachlandschaft Olympiapark, Olympiastadion, Oylmpiahalle, Olympiaschwimmhalle

Ein Münchner Wahrzeichen und vielleicht auch bald auf der Liste der Unesco: das Zeltdach des Olympiaparks.

(Foto: Florian Peljak)
  • Soll München den Weltkulturerbe-Antrag einreichen? Darüber haben sich Denkmal-Fachleute, Stadtplaner, Architekten und Kommunalpolitiker ausgetauscht.
  • Der Stadtrat wird demnächst beschließen, ob die notwendigen Unterlagen erarbeitet werden oder nicht.

Von Alfred Dürr

Es ist viele Jahrzehnte her, dass er als Chef der Verwaltung im großen Sitzungssaal des Rathauses ein- und ausgegangen ist, und nun strebt er wieder auf die Regierungsbank zu. Er nimmt nicht auf dem Stuhl Platz, der dem Oberbürgermeister oder den Sitzungsleitern vorbehalten ist, sondern auf dem Nachbarsessel. Wie auch immer, er hat an diesem Tag die Hauptrolle: Alt-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel, 91, ist zurück im Stadtrat. Er gehört zu den wichtigsten Akteuren, die die Olympischen Spiele 1972 nach München geholt haben - jetzt will er dafür sorgen, dass das Erbe der Spiele dauerhaft bewahrt wird.

Drei Stunden lang verfolgt Vogel das Experten-Hearing zum Olympiapark und gibt mit fester Stimme seine Kommentare ab. Aufgrund seines hohen Alters und mit Rücksicht auf die Gesundheit könne er nur noch in Ausnahmefällen an Veranstaltungen teilnehmen, sagt er gleich zu Beginn. Doch diese hier liegt ihm nach eigenem Bekunden besonders am Herzen. Vogel setzt sich mit vielen anderen Mitstreitern dafür ein, dass die einzigartige Zeltdach-Architektur und der Landschaftspark in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes aufgenommen werden. Treibende Kraft ist der Verein "Aktion Welterbe Olympiapark", der im April 2016 gegründet wurde - 50 Jahre nach der Entscheidung von Rom für München als Olympiastadt. Vogel ist Schirmherr des Vereins.

Denkmal-Fachleute, Stadtplaner, Architekten, Kommunalpolitiker sind zusammengekommen, um sich über das Thema auszutauschen: Soll München den Weltkulturerbe-Antrag einreichen? Und welche Konsequenzen hätte es für den Olympiapark, wenn dieses Begehren am Ende positiv beschieden würde? Das Hearing hat auch deswegen einen besonderen Stellenwert, weil der Stadtrat demnächst beschließen wird, ob das Planungsreferat die notwendigen Unterlagen für das Welterbe-Procedere erarbeiten soll oder nicht.

Dass der Titel Weltkulturerbe eine sehr bedeutende Auszeichnung und Ehre für den Olympiapark wäre, darüber gibt es keinen Streit. Vogel erinnert eindringlich daran, wie stark Architektur und Landschaft für ein neues, offenes und friedliches Deutschland nach dem Krieg stünden: "Das war ein Schritt auf dem Weg zur Deutschen Einheit." Aber das Thema löst auch besorgte Fragen aus, die Bürgermeister Josef Schmid (CSU) formuliert: Wird am Ende eine museale Käseglocke über den Park und seine unmittelbare Umgebung gestülpt, die keinerlei Entwicklungen mehr zulässt? Denn auch hier herrscht Einigkeit. Einen Stillstand kann es im Olympiapark nicht geben.

Tangiert wäre zum Beispiel auch der Autobauer BMW mit seinem Werksgelände. Konkrete Maßnahmen sind nicht bekannt, aber BMW hat schon einmal bei der Stadt vorgefühlt, welche Auswirkungen ein Weltkulturerbe möglicherweise auf die Nachbarschaft haben könnte. Es ist auch noch offen, was mit dem brachliegenden Busbahnhof über dem U-Bahnhof Olympiazentrum am Eingang zum Park passiert. Und auch im Park selbst stehen aktuelle Projekte zur Debatte. Es geht um eine neue Sportarena, die auf dem Areal des früheren Radstadions gebaut werden soll. Entwicklungspotenzial gibt es zudem auf dem Gelände des alten Eissport-Stadions gegenüber der BMW-Welt. Vor kurzem eröffnet wurde im Park der Erinnerungsort für das Olympia-Attentat von 1972.

Weltkulturerbe

Hamburg ist dabei, Berlin sowieso, aber auch Bremen, Dessau oder Regensburg: All diese Städte sind mit Bauwerken in der Welterbeliste der Unesco vertreten. München fehlt bisher, doch das soll sich ändern. Mit dem Olympiapark könnte die Stadt einen aussichtsreichen Kandidaten ins Rennen schicken.

Gerade bei der Genehmigung solcher Bauten handele die Stadt so, als hätte der Park schon den Weltkulturerbe-Status, sagt Stadtbaurätin Elisabeth Merk. Der bestehende Denkmalschutz gebe hier die Richtlinien vor. Merk ist es aber auch wichtig, dass das Ensemble mit Leben gefüllt wird und dass es sich weiter entwickeln kann. "Wir sind eine Veranstaltungsstätte und wollen das auch erfolgreich bleiben", sagt Marion Schöne, die Geschäftsführerin der Olympiapark-Gesellschaft. Unter dieser Voraussetzung stimmt sie dem Weltkulturerbe-Antrag zu.

"Gefühlt ist das Olympiagelände doch schon längst ein Weltkulturerbe", sagt Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), die auch Vorsitzende des Aufsichtsrats der Olympiapark-Gesellschaft ist. Sie begrüßt den Antrag ausdrücklich und ist sich sicher, dass die Stadt nicht von der Unesco geknebelt werden würde. Das sieht auch Bayerns oberster Denkmalschützer, Generalkonservator Mathias Pfeil, so. Die Auflagen des Denkmalschutzes müssten erfüllt werden. Die Unesco würde diese Anforderungen nicht verschärfen.

Welche Erfahrungen andere Städte gemacht haben

Dass die Unesco "keine diktatorischen Anweisungen" gebe, hat Katja Römer, die Sprecherin der Deutschen Unesco-Kommission schon vor einiger Zeit im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung versichert. Aber ein intensiver Austausch mit der Unesco über die Zukunft des Parks sei sicher nötig. "Sie müssen bedenken, dass im Fall des Weltkulturerbe-Status andere bei ihren Planungen mitreden wollen", erklärte auch Jörn Walter, der ehemalige Leiter der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde.

Er schildert bei dem Hearing seine Erfahrungen, die Speicherstadt und das Kontorhaus-Viertel wurden 2015 in die Liste der Unesco aufgenommen. Als Stadt brauche man Mut und Zuversicht, dann könne man mit dem ehrenvollen Status gut umgehen: "Der Stolz wächst bei den Bürgern und der Stadt ungemein, denn man hat ja etwas Besonderes." Außerdem seien Entwicklungen weiter möglich. Im Umfeld der Speicherstadt entstand zum Beispiel das Wohnbaugebiet Hafencity.

Positive Erfahrungen mit dem Weltkulturerbe-Status hat auch Dagmar Tille gemacht, die Leiterin der Obersten Denkmalschutzbehörde in Berlin. Die begehrte Auszeichnung haben Schlösser und Parks in Berlin und Potsdam, die Museumsinsel und seit 2008 auch Wohnsiedlungen der Berliner Moderne. Mit dem Status erreiche man eine hohe Aufmerksamkeit und eine Steigerung der Wertschätzung für die Bauwerke, sagt sie.

Michael Petzet, der frühere bayerische Generalkonservator und langjährige Präsident von Icomos, dem Internationalen Rat für Denkmalpflege, rät der Stadt dringend, sich zu bewerben. Die Chancen stünden sehr gut, dass der Olympiapark zum Weltkulturerbe erklärt werde. Man solle sich auch nicht von Aussagen abschrecken lassen, dass die Verfahren angeblich sehr lange und kompliziert seien: "Das geht sehr zügig, und mit dem Olympiapark könnte endlich diese Lücke auf der Weltkulturerbe-Liste der Unesco geschlossen werden." Er werde sich jedenfalls entsprechend dafür einsetzen.

Diesen Optimismus teilen nicht alle bei dem Hearing. Eine lange Liste mit Anträgen müsse erst abgearbeitet werden, sagt Ministerialrat Andreas Baur aus dem bayerischen Kultusministerium. Bis die formalen Prozesse durchlaufen seien, dauere es eben einige Zeit. Die nächste Bewerbungsrunde stehe für das Jahr 2023 an.

Am Ende des Hearings äußert sich Bürgermeister Josef Schmid zufrieden über die Veranstaltung: "Viele meiner anfänglichen Bedenken sind ausgeräumt worden." Und auch Hans-Jochen Vogel lobt das Ergebnis: "Heute gehe ich mit sehr großer Freude nach Hause."

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