Und jetzt?:Mathematik hinter Türchen

Und jetzt?: Jürgen Richter-Gebert hat sich auf das Visualisieren von mathematischen Strukturen spezialisiert.

Jürgen Richter-Gebert hat sich auf das Visualisieren von mathematischen Strukturen spezialisiert.

(Foto: Heddergott/TUM)

Interview von Martina Scherf

Der TU-Professor Jürgen Richter-Gebert hat einen Mathe-Adventskalender online gestellt (ma.tum.de/adventskalender). Hinter jedem Türchen gibt es ein Video mit Phänomenen aus der Welt der Mathematik - Spiegelungen, Spiralen, optische Täuschungen. Der Professor hat in seinem Garchinger Institut auch die Ausstellung "ix-quadrat" konzipiert, die seit Jahren Jung und Alt spielerisch an die Mathematik heranführt. Das Visualisieren von mathematischen Strukturen für die Hochschullehre ist sein Spezialgebiet. Die von ihm entwickelte App iOrnament hat eine halbe Million Nutzer.

SZ: Herr Richter-Gebert, an wen haben Sie mit Ihrem Adventskalender gedacht. An frustrierte Matheschüler?

Richter-Gebert: Ach, ich hatte da kein Sendungsbewusstsein. Ich wollte nur zeigen, wie schön und überraschend Mathematik sein kann, ganz ohne Zahlen. Im Adventskalender ist ja normalerweise Schokolade drin, nichts schwer Verdauliches. So sehe ich das auch: einfach genießen. Die Erfahrung zeigt: Manche wollen dann mehr wissen. Für die stelle ich den einen oder anderen Link dazu.

Erst das Staunen, dann Suchen nach Gründen. So war das schon bei den alten Griechen. Wie kamen Sie zur Mathematik?

Meine Mutter war Schneiderin. Ich habe schon als Drei- oder Vierjähriger mit ihren Nadeln und einem Magneten gespielt und war fasziniert, wie sich da Muster und Strukturen bilden. Dann gab es das Bertelsmann-Lexikon "Ich sag dir alles", da waren mathematische Zahlenspiele drin. Die habe ich schon als Grundschüler studiert. So ging es weiter bis zu "Jugend forscht". Und dann habe ich Mathematik studiert, weil man damit so vieles machen kann.

Und heute ist für Sie alles Mathematik? Rühren Sie beim Frühstück in der Kaffeetasse und berechnen die Strudel?

Morgens bin ich dafür noch zu müde. Aber wenn wir gerade über Kaffee reden: Mögen Sie Latte Macchiato? Dann stoßen Sie das nächste Mal vor dem Trinken mit dem Löffel auf den Boden des Glases. Das klingt zunächst hoch. Rühren Sie den Milchschaum unter und stoßen noch einmal auf den Boden. Wenn alles vermischt ist, wird der Ton tiefer. Die Luftblasen bremsen die Schallwellen. Ich denke, das macht einen Forscher aus: Er sucht immer nach dem Warum hinter solchen Phänomenen.

Und was sagt Ihre Frau zu dieser Mathe-Manie?

Sagen wir so: Sie erträgt es mit wohlwollender Kritik. Manchmal hilft sie aber auch mit. Den Latte-Macchiato-Effekt haben wir gemeinsam entdeckt.

Ordnen Sie etwa auch die Nudeln auf dem Teller nach Mustern?

Nein! Aber im Ernst: Spaghetti eignen sich hervorragend für die Knotentheorie.

Und was raten Sie nun Schülern mit Mathe-Problemen?

Sich nicht vom Unterricht abschrecken zu lassen. Für viele fängt Mathe erst dort an, wo Zahlen im Spiel sind. Aber man kann auch spielerisch entdecken, wie schön Mathematik sein kann, und durch die ästhetische Erfahrung strukturell denken lernen. Man sollte Schülern sagen: Du kannst viel mehr Mathe als du denkst!

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