Anna Fleckenstein, 52, hat vergangenes Wochenende bewiesen, dass sie perfekt Geschichten erzählen kann. Die Münchnerin ist im schwedischen Borås Europameisterin in freier Rede geworden. Sie hat sich bei dem Wettbewerb von Toastmasters international in ihrer Kategorie gegen acht Konkurrenten aus Europa durchgesetzt. Thema ihres siebenminütigen Vortrags: eine Reise nach Skandinavien.
SZ: Frau Fleckenstein, was haben Sie dem Publikum erzählt?
Anna Fleckenstein: Wie ich als 20-jährige, abenteuerlustige Frau in Hamburg unter einen Zug geraten bin und um ein Haar zerstückelt worden wäre. Ich war auf dem Weg nach Skandinavien. Beinahe wäre es mein letztes Abenteuer geworden. Die Sekunden unter dem rollenden Zug haben mein Leben verändert.
Nicht gerade lustig, diese Geschichte.
Aber sie hat eine wichtige Botschaft: Nimm den nächsten Zug und erfülle dir deinen Traum, auch wenn es manchmal gefährlich wird.
War der Rede-Wettbewerb jetzt auch ein Abenteue r?
Ja, insbesondere, weil ich zwei Wochen davor ständig an dieser Rede gebastelt habe. Ich hatte sie zuvor nur zwei Mal öffentlich gehalten, und dann gleich vor großem Publikum bei der Europameisterschaft. Das ist ziemlich ungewöhnlich.
Auf Deutsch?
Ja, ich hatte mich für den deutschen Wettbewerb qualifiziert. Vielleicht versuche ich es nächstes Jahr auf Englisch.
Wie haben Sie sich qualifiziert?
Erst auf Club-Ebene als Mitglied der Münchner Brainstormers. Dann München- und bayernweit und schließlich als Siegerin für den Europawettbewerb. In der Kategorie Deutsch waren neben Deutschen übrigens auch Schweden, Polen und eine Türkin dabei.
Auf was kommt es bei einem guten Vortrag an?
Alles muss zusammenpassen: die Dramaturgie, die Struktur der Rede, der Inhalt, die Botschaft, die Körpersprache, der Umgang mit Sprache. Vielleicht auch die Glaubwürdigkeit - wie sehr man in Kontakt mit dem Publikum ist.
Was hat der Jury gefallen?
Das ist geheim geblieben. Aber in den Stunden danach sind immer wieder Leute auf mich zugekommen und haben mir gesagt, dass ich sie berührt habe mit meiner Geschichte.
Hatten Sie den Text auswendig gelernt?
Ja, aber irgendwann ist das wie Autofahren, man hat den Text im Kopf.
Sie arbeiten als Impro-Schauspielerin und Trainerin. Da sind Sie sicher im Vorteil, weil Ihre Stimme geschult ist.
In der Stimme liegt bestimmt meine Stärke. Ich habe zum Beispiel das schrille Quietschen des Zuges ein paar Sekunden lang nachgemacht. Auf so einer Ebene muss der Vortrag auch ein wenig Show sein. Aber man kann mit der Stimme spielen, wie man will, wenn die Geschichte keinen guten Aufbau hat, nützt das nicht viel. Es ist ja ein Redewettbewerb.
Wie bereitet man sich auf so einen Wettbewerb vor?
Das Thema habe ich eher zufällig gewählt. Dann habe ich Tag- und Nacht daran geschrieben. Ich habe die Rede noch drei Tage vor dem Wettbewerb in meinem Club gehalten und bekam ziemlich präzise Rückmeldung, das hat sehr geholfen. Und, ich es gebe zu, ich hatte einen Coach.
Hatten Sie weiche Knie?
Die habe ich immer. Man braucht eine gewisse Nervosität und Ruhe zugleich. Ich beruhige mich mit Gesangsübungen und singe zum Beispiel "Summertime" von Gershwin. Und ich übe die Tonleiter mit dem Wort Sahne.
Geht es jetzt zur Weltmeisterschaft?
In der Kategorie Deutsch ist der Europa- Titel die höchste Auszeichnung.