Unabhängigkeitstag:Rolls-Royce, Cricket und Lederhosen

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Im Englischen Garten feiern mehrere Hundert Besucher die Loslösung Indiens vom British Empire

Von Thomas Schmidt

Der Stolz der britischen Automobilindustrie tuckert mit Standgas über die Wiese. Die Spirit of Ecstasy, die wohl berühmteste Kühlerfigur auf Erden, glitzert im Sonnenlicht, der Chauffeur mit Strohhut rudert am gewaltigen, rechts montierten Lenkrad des Rolls-Royce und bremst sanft. Jemand öffnet die Tür des prachtvollen Oldtimers, Jahrgang 1936, heraus steigt Sugandh Rajaram, indischer Generalkonsul in München. Ob Ironie dahinter steckt, dass er sich ausgerechnet in einem britischen Wagen zur Feier des indischen Unabhängigkeitstages kutschieren lässt? Schließlich ist es die Lossagung vom Empire, die jedes Jahr am 15. August zelebriert wird. Vermutlich passen der Konsul - güldene Weste, Sonnenbrille - und die Limousine einfach nur gut zusammen. So wie das indische Räucherstäbchen, das ein paar Schritte entfernt in einer leeren Münchner Bierflasche glimmt.

Wie viele Inder in der Stadt leben, das könne er nur grob schätzen, sagt Ramesh Korya. "5000 vielleicht?" Jedes Jahr, nun schon zum 17. Mal, feiert die Gemeinde gemeinsam den Unabhängigkeitstag, ihren Swatantrata Divas, in der Stadt. Korya wird später das geplante Cricket Match am Mikrofon kommentieren, doch zuerst bahnt sich Konsul Rajaram einen Weg durch die Menge, schüttelt warm lächelnd eine Hand nach der anderen. Es sind ein paar Hundert Besucher, die am Mittwoch in einer Schulsportanlage im Englischen Garten zusammenkommen. Mädchen in bunten Kleidern wuseln umher, mittendrin ein blonder Bub in Lederhosen. Ältere Herren mit Hüten fachsimpeln, ab wann beim Cricket ein weiter Schlag nun wirklich weit sei. Und auf einer kleinen Bühne zeigen indische Frauen in prachtvollen Gewändern traditionelle Tänze.

Innerhalb der indischen Gemeinde Münchens hat sich das Cricketspiel zum Unabhängigkeitstag inzwischen als Tradition etabliert. Doch es sind auch viele deutsche Familien hier. Ein kleiner Bursche fetzt im FC-Bayern-Trikot über den Rasen, während sich seine Eltern die Cricketregeln von einem Spieler erklären lassen. Im Vergleich zu Fußball ist das ungefähr so kompliziert wie Schleifenquantengravitation. Abgesehen davon, dass die Spiele je nach Austragungsform mehrere Tage dauern können.

An diesem Tag, wenn die Munich International Cricketers (MIC) gegen eine Auswahl aus Bayern aufs Feld ziehen, soll es natürlich schneller gehen. Zuerst aber betritt noch MIC-Präsident Rajendra Nath die Bühne und greift das Mikrofon. "Namaste und Grüß Gott", sagt er. Auch das passt gut zusammen.

© SZ vom 16.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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