Umweltzone:Fahrverbot für 37.000 Autos

Lesezeit: 2 min

Für saubere Luft: Ohne Feinstaubplakette ist die Innenstadt künftig tabu - Kontrollen gibt es allerdings erst von Januar 2009 an.

Dominik Hutter

"Low emission zone", "Zone écologique" oder auch "Zona ambientale" - wer ratlosen Wiesngästen mit ausschließlich englischen, französischen oder italienischen Sprachkenntnissen erklären will, was da plötzlich in München vor sich geht, kann auf diese Ausdrücke zurückgreifen. Und auch gleich den einfachsten Ausweg aufzeigen: ein rotes, gelbes oder grünes Wapperl an der Windschutzscheibe, das auch environmental badge, pastille écologique oder placchetta ambientale heißt. Damit ist eine unbeschränkte Zufahrt ins Innere der Stadt erlaubt.

Jetzt wird es ernst für die Münchner Altauto-Besitzer: Vom heutigen Mittwoch an ist die gesamte Innenstadt innerhalb des Mittleren Rings eine Umweltzone. (Foto: Foto: dpa)

Die umstrittene Umweltzone innerhalb des Altstadtrings soll die Feinstaubbelastung und - im Vorgriff auf neue EU-Grenzwerte ab 2010 - die Stickoxidbelastung in der Innenstadt vermindern. Zufahrtsberechtigt sind deshalb nur noch Autos, die mindestens einen geregelten Katalysator haben (Benziner) oder aber die Diesel-Euronorm 2 erreichen (ersatzweise Euro 1 plus Rußpartikelfilter). Nach Schätzungen des Kreisverwaltungsreferats können knapp 37.000 in München zugelassene Fahrzeuge diese Anforderung nicht erfüllen, erhalten also keine Plakette. Etwa 14.000 davon sind Lkws.

Besonders hart trifft es die Anlieger der Umweltzone. Denn auch wer dort wohnt oder ein Geschäft unterhält und nur über ein emissionstechnisch zweifelhaftes Auto verfügt, darf künftig innerhalb des Mittleren Rings seinen Wagen nicht mehr bewegen. Gut 10.000 Leute, schätzt das Kreisverwaltungsreferat, können bald die eigene Wohnung oder das eigene Geschäft nicht mehr mit dem Auto erreichen.

Eine kostenpflichtige Ausnahme für Anlieger gibt es nur im ersten Jahr - und auch nur, wenn eine Werkstatt bestätigt hat, dass eine Nachrüstung des Autos technisch unmöglich ist. Von Herbst 2009 an ist eine erneute Ausnahme nur noch "zur Vermeidung einer unzumutbaren Härte im Einzelfall" möglich - ein Passus, den der Freistaat gegen den Willen der Stadt und quasi in letzter Sekunde in den Luftreinhalteplan aufgenommen hat.

Wie ein solcher Härtefall aussieht, ist nicht im Detail festgelegt. Sandra Brandt, Sprecherin des Umweltministeriums, geht aber davon aus, dass beispielsweise ein "Rentnerpaar in schwieriger finanzieller Situation, das einmal im Monat mit dem Auto zum Arzt fahren muss", von dieser Regelung profitieren könnte. Das Kreisverwaltungsreferat hat bereits eine restriktive Handhabung der ungeliebten Ausnahme angekündigt.

Was in der Praxis bedeutet: Die meisten Anwohner und Gewerbetreibenden der Umweltzone müssen nach spätestens einem Jahr ihr altes Auto entweder in Richtung Stadtrand parken, verschrotten oder aber für einen zweifellos geringen Erlös verkaufen. Der ADAC findet, dass derart radikale Eingriffe "einer Enteignung gleichkommen".

Ob die Umweltzone die Luftqualität wirklich spürbar verbessern kann, ist strittig. Stadt und Freistaat gehen davon aus, dass das Fahrverbot die Partikelbelastung um etwa 17 Prozent senkt. Oder anders ausgedrückt: Die Zahl der Tage, an denen die EU-Grenzwerte überschritten werden, geht in der Umweltzone um bis zu fünf zurück. Der ADAC dagegen beziffert die Wirkung auf "gleich null", der Anteil des Autoverkehrs an der Feinstaubbelastung sei nur gering.

Für die Stadt ist die Umweltzone freilich nur ein Baustein unter vielen im Bemühen um bessere Luft. Ebenfalls im großen Anti-Feinstaubpaket enthalten sind das bereits geltende Transitverbot für Lkws, die Förderung des Radverkehrs und der Ausbau des MVV.

© SZ vom 01.10.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: