Umwelt:Wie grüne Hauswände zu gutem Klima beitragen sollen

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Umwelt: Wilhelm Zimmermann hat die Fassade seines Hauses fast komplett bepflanzt.

Wilhelm Zimmermann hat die Fassade seines Hauses fast komplett bepflanzt.

(Foto: Wilhelm Zimmermann)

Damit München auch 2050 noch lebenswert ist, braucht die Stadt nicht nur Wohnungen, sondern auch Grünflächen. Manche Menschen nutzen deswegen jede freie Wand.

Von Thomas Anlauf

Die Luft flirrt. Im Englischen Garten, wo sich vor langer Zeit einmal die Nackerten sonnten, tanzen Staubfahnen über die fast baumlose Savannenlandschaft. Ein Hurrikan hatte vor zwei Jahren weite Teile des Parks verwüstet. Am Horizont leuchtet der Himmel dunkelrot. Seit Tagen wüten Waldbrände im Perlacher Forst, immer wieder angefacht vom heißen Saharawind.

München liegt unter einer Hitzeglocke, selbst nachts kühlt es nicht unter 30 Grad ab. Die Klimapolizei hat deswegen eine Ausgangssperre verhängt, ältere und kranke Menschen werden per Katastrophenwarndienst aufgefordert, sich zu Hause an die Überlebensstationen anzudocken. Die Stadt ist wie ausgestorben, nur hin und wieder heulen Sirenen durch die heißen Häuserschluchten.

Ein Horrorszenario für München in einer nicht allzu fernen Zukunft? "Wenn wir jetzt zu feige und zu zögerlich sind, wird München an heißen Sommertagen ächzen und wir werden froh sein über jede Regenperiode", sagt Martin Hänsel vom Bund Naturschutz in München. Angesichts des Klimawandels, der Metropolen wie München besonders hart treffen wird, fordert er ein radikales Umdenken in der Umweltpolitik, um auch im Jahr 2050 eine lebenswerte Stadt vorzufinden. Der wichtigste Schritt für den Naturschützer ist "die Abkehr von der autogerechten Stadt und der damit einhergehenden Denkweise".

Nur wenn der Autoverkehr in München massiv zurückgedrängt werde, könnte die Stadt nach Ansicht von Hänsel den erwarteten Temperaturanstieg noch in den Griff bekommen. Weniger Autos in den Straßen würden seiner Meinung nach "ein unglaubliches Plus an frei werdenden Flächen" bedeuten. Die Sonnenstraße etwa könnte einseitig gesperrt und begrünt werden, der alte unterirdisch fließende Stadtbach wieder an die Oberfläche geholt werden. "Wir brauchen die Flächen der Straßen, sie müssen massiv begrünt werden", glaubt Martin Hänsel.

Der Münchner Naturschützer steht nicht allein mit seiner radikal klingenden Forderung da. Um dem Temperaturanstieg in den kommenden Jahrzehnten wirksame Mittel entgegenzusetzen, vertrauen auch die Umweltexperten der Stadtverwaltung vor allem auf die kühlende Wirkung von Parks, Grünzügen und Wasserflächen.

Da zu befürchten steht, dass bei der massiven Nachverdichtung vor allem private Immobilienbesitzer Bäume und Grünanlagen auf ihren Grundstücken für mehr Bebauung opfern werden, müsste im Gegenzug die Stadt auf öffentlichem Grund mehr Raum für Grün und vor allem für Bäume schaffen.

Denn der Kühlungseffekt eines Baums sei mittlerweile wissenschaftlich erwiesen. "Er transpiriert und so entsteht Verdunstungskälte", sagt Leander Wilhelm. Der ausgewiesene Baumexperte im städtischen Baureferat sitzt in seinem Büro und deutet auf eine Liste mit lateinischen Namen vor sich.

Ostrya carpinifolia steht dort, Malus tschonoskii und Alnus spaethii, auf Deutsch: Hopfenbuche, Zierapfel und Purpur-Erle. "Die machen sich ganz gut", sagt Wilhelm. Aber auch der Zerreiche (Quercus cerris) bescheinigt der Abteilungsleiter im Baureferat eine blühende Zukunft in München. Die Zerreiche wächst eigentlich auf dem Balkan, ebenso wie die Hopfenbuche. Die Bäume halten Hitze ebenso aus wie anhaltende Trockenheit, aber auch kalte Winter. Ideale Voraussetzungen für das München von Morgen, in dem wochenlange Hitzeperioden vermutlich zur Normalität werden, auch wenn die Winter kalt und feucht bleiben werden.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten untersuchen Experten aus ganz Deutschland, welche Baumarten sich für Großstädte besonders eignen. Dort sind sie von jeher extremem Stress ausgesetzt: höhere Temperaturen, Platzmangel und immer wieder Trockenperioden. Mittlerweile stehen bundesweit an die 50 Arten auf der Liste für die Stadtbäume der Zukunft. München untersucht sogar bis zu 100 Arten, weil die Stadt wegen ihrer hohen Temperaturschwankungen - Hitze im Sommer und teilweise eiskalte Winter - als Extremstandort gilt.

Wegen des Klimawandels beginnen die städtischen Baumbeauftragten bereits jetzt, mehr Arten als die bislang im Stadtbild vorherrschenden Winterlinden und Spitzahorne zu pflanzen. Auch, um mehr hitze- und dürreresistente Bäume zu haben. Die größte Angst der Stadtgärtner sind die wegen der bereits steigenden Temperaturen aus dem Mittelmeerraum importierten Baumkrankheiten.

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