Umstellung auf digitale Technik:Wie die Telekom ihre Kunden abklemmt

Telekom-Logo auf der Cebit in Hannover

Die Deutsche Telekom hat Probleme bei der Umstellung auf IP-Telefonie.

(Foto: AFP)
  • Weil die Telekom ihr Netz auf digitale Übertragungstechnik umstellt, fordert das Unternehmen Kunden auf, ihren Vertrag zu kündigen und einen neuen abzuschließen.
  • Das kann günstiger sein, allerdings kann es bei der Umstellung zu Problemen kommen, so dass Kunden zeitweise keinen Anschluss haben.
  • Die SPD sieht das Agieren der Telekom kritisch und will bei der Bundesnetzagentur nachhaken.

Von Inga Rahmsdorf

Acht Tage lang hatte Philine Meyer-Clason keinen Telefon- und keinen Internetanschluss. Bei ihr zu Hause wäre das nicht so schlimm gewesen, sagt sie. Aber Meyer-Clason führt die Schwabinger Buchhandlung Tucholsky. Ihre Kunden konnten in dieser Zeit nicht mit EC-Karte zahlen, die Buchhändlerin musste die Bestellungen per Handy aufgeben.

Für ihren Buchladen, der mit großen Ketten und Internethändlern wie Amazon konkurrieren muss, sei das geschäftsschädigend gewesen, sagt sie. Ums Geschäft geht es aber auch der Telekom - weshalb bald mehr Münchner Kunden Probleme wie die Schwabinger Buchhändlerin bekommen könnten.

Warum es zu dem Problem kommt

Das Unternehmen stellt derzeit sein Netz auf digitale Übertragungstechnik um, auf die sogenannte IP-Telefonie. Deshalb erhalten derzeit viele Münchner Anrufe oder Anschreiben von der Telekom, in denen sie zu einer Kündigung aufgefordert werden. Wegen der neuen Technologie muss das Unternehmen neue Verträge mit seinen Kunden abschließen. Finanziell muss das kein Nachteil für den Telefon- und Internetnutzer sein.

Die Tarife können sogar günstiger werden. Doch offenbar läuft die Umstellung nicht immer problemlos ab. Zudem wächst auch die Kritik daran, dass die Telekom die alten Anschlüsse, die auslaufen, kündigt und die Kunden so zu einem IP-Anschluss zwingt.

Stundenlang in der Warteschleife

Philine Meyer-Clason hatte zunächst gar nichts gegen die Umstellung auf das neue Netz. Der monatliche Tarif wurde bei der Buchhändlerin etwas günstiger, und zu Hause hatte sie bereits gute Erfahrungen mit dem Wechsel gemacht, dort hatte er einwandfrei funktioniert. Nicht so in ihrem Buchladen: Sie rief mehrmals täglich die Service-Hotline der Telekom an, musste lange in Telefonschleifen warten, schrieb mehrmals an das Unternehmen.

Zunächst hieß es, es gebe Probleme bei der Leitung, dann war es angeblich ein Kabel. Ein Techniker kam nie vorbei. Nach vier Tagen teilte ein Mitarbeiter der Telekom mit, es könnte am veralteten Router liegen, Meyer-Clason werde einen neuen per Post erhalten. Es dauerte weitere vier Tage, bis das Paket mit dem passenden Router bei ihr ankam.

"So etwas wäre eine krasse Fehlberatung"

Jede Woche stelle die Telekom bundesweit etwa 50 000 Anschlüsse auf die neue Technologie um, sagt Markus Jodl, Sprecher des Unternehmens. Natürlich könnte es da auch einmal zu Problemen kommen. Idealerweise erfolge die Umstellung aber nahtlos. "Wir haben 13 000 Mitarbeiter im Service, die rund um die Uhr zum Nulltarif erreichbar sind", sagt Jodl.

Aber wie kann es dann zu solchen Schwierigkeiten wie bei Meyer-Clason kommen? "So etwas wäre eine krasse Fehlberatung", sagt der Telekom-Sprecher. Eigentlich würden die Mitarbeiter schon vorab prüfen, ob der vorhandene Router des Kunden mit dem neuen Netz funktioniere.

Die SPD schaltet sich in das Thema ein

Florian von Brunn, der verbraucherschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sieht ein grundsätzliches Problem: "Mit der massenhaften Umstellung auf IP-Telefonie scheint die Telekom personell und technisch völlig überfordert zu sein", sagt er. "Ich kann keinen Vorteil oder Nutzen für den Verbraucher sehen." Stattdessen zwinge die Telekom den Kunden einen Anschluss auf. Es gehe nur um Kostenminimierung für das Unternehmen, sagt von Brunn.

Ihm selbst sei im November ein neuer Vertrag angeboten worden, allerdings mit schlechteren Bedingungen. Ende November sei ihm dann mitgeteilt worden, dass man sich um ein neues Angebot bemühe, seitdem habe er nichts mehr gehört. Sein alter Vertrag laufe im April aus, dann habe ihm die Telekom gekündigt. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel will nun, als Beiratsmitglied bei der Bundesnetzagentur, das Thema auf die Tagesordnung setzen und klären, ob es sich um ein weitverbreitetes Problem handelt und wie die Kunden geschützt werden können.

Betroffene Kunden sollen sich online melden

Wie viele Kunden bei der Telekom-Umstellung tatsächlich ähnliche Probleme haben wie die Buchhändlerin Meyer-Clason, sei noch unklar, sagt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Einzelfälle seien ihnen aber immer wieder gemeldet worden. Um einen besseren Überblick zu bekommen, ruft die Verbraucherzentrale seit einigen Tagen betroffene Telekomkunden auf ihrer Internetseite dazu auf, sich zu melden und ihre Probleme zu schildern.

Die Schwabinger Buchhändlerin hat eine Ausgleichszahlung von der Telekom gefordert. "Einige Kunden wollten in den Tagen, als ich keinen Anschluss hatte, mit EC-Karte zahlen, der Terminal funktionierte aber nicht, also haben sie die Bücher liegen gelassen und sind gegangen", sagt sie. Dadurch seien ihr Umsätze entgangen. Die Telekom teilte ihr jedoch mit, dass sie mit Belegen nachweisen müsse, dass ein Gewinnverlust entstanden sei.

"Aber wie soll ich das belegen?", fragt die Buchhändlerin. Zudem könne es sein, dass diese Kunden nun verärgert sind und nie wieder kommen. Fast zwei Monate nach der Umstellung auf ihren neuen IP-Anschluss - und nach vielen weiteren Briefen und E-Mails - hat die Buchhändlerin nun eine Entschädigungszahlung von 150 Euro erhalten. "Rein aus Kulanz", wie die Telekom der SZ mitteilt.

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