Den großen Auftritt überlässt er lieber anderen: Als sein neuer Kinofilm „Karli & Marie“ Anfang Juli in München Premiere hatte, blieb Ulrich Limmer die meiste Zeit im Hintergrund. Dabei würde es die bayerische Roadmovie-Romanze mit Luise Kinseher und Sigi Zimmerschied in den Hauptrollen ohne ihn gar nicht geben: Limmer ist Drehbuchautor und Produzent, seit mehr als 40 Jahren begleitet er Filme von der ersten Idee bis zur Fertigstellung. Der gebürtige Ruhpoldinger liebt Filme und arbeitete mit Regisseuren wie Helmut Dietl, Joseph Vilsmaier oder Doris Dörrie. Er begeistert sich aber auch für andere Kunst-, Kultur- und Freizeitangebote.
Montag: Lustwandeln auf dem Friedhof

In freudiger Erwartung: Gleich der erste Blick in die Mails: Wie ist unser Film „Karli und Marie“, der am 17. Juli gestartet ist, am Wochenende im Kino gelaufen? Das erste Wochenende entscheidet über Erfolg oder Misserfolg. Ich bin sehr zuversichtlich. Dann, nach der ausführlichen Lektüre des Politikteils dieser Zeitung versuche ich, wie jeden Morgen, durch einen ausführlichen Spaziergang die düsteren Gedanken über den Zustand der Welt von den Sohlen zu laufen. Nach 5000 Schritten sind meist die düstersten Gedanken in den Hintergrund getreten.
Nach einem wunderbaren Cappuccino, den ich jeden Morgen gemeinsam mit meiner Frau trinke, werde ich mich daransetzen, dieser Welt ein Komödien-Drehbuch abzutrotzen. Das Leichte ist das Schwerste. Am Nachmittag noch mal frische Luft. Gehen Sie doch mal in den wunderbaren Alten Nördlichen Friedhof und suchen Sie die Grabstätte des Erbauers des ersten deutschen U-Bootes, Wilhelm Bauer. Am anderen Ende des Friedhofes finden Sie das Grab einer Frau, die Münchens Ballettleben geprägt hat: Lucile Grahn. Am liebsten mag ich die Berufsbezeichnungen auf manchem Grabstein: Privatier. Schöner Beruf, wo kann man das studieren?
Dienstag: Abend für einen Rebellen

Nach der Lektüre des Politikteils wird diesmal Fahrrad gefahren. Es geht in den Nordteil des wunderbaren Englischen Gartens, die großartige Vegetation, die herrlichen Bäume sind die pure Lebensfreude. Probieren Sie doch einmal nicht die Brücke über die Bausünde des Mittleren Rings zu nehmen, sondern radeln Sie durch die kleine Unterführung, die man hinter dem Osterwaldgarten findet. Knapp hinter der Unterführung gleich rechts. Und schon öffnet sich die Weite des Englischen Gartens. Welch ein Geschenk für München. Beim Radfahren denk’ ich an gar nix. Das tut gut. Und dann ist noch Markttag auf dem Josephsplatz. Einkaufen unter freiem Himmel, wunderbar! Nach der Arbeit freue ich mich am Abend auf einen Besuch im Literaturhaus, eine Lesung anlässlich des Geburtstages von Oskar Maria Graf, einem meiner Lieblingsschriftsteller.
Mittwoch: Kaffee im früheren Kino

Diesmal führen mich meine 5000 Schritte zum Café Zeitgeist in der Türkenstraße, in dem meine Tochter neben ihrem Studium arbeitet. Kaum einer weiß hier, dass sich vor vielen Jahren in diesen Räumlichkeiten das Traditionskino Türkendolch befunden hat. Sic transit gloria mundi. Meine Anwesenheit katapultiert das Durchschnittsalter der Gäste in ungeahnte Höhen. Abends schleiche ich mich in ein Münchner Kino, in dem „Karli & Marie“ läuft. Ich setze mich mitten rein und lausche, ob die Leute an den richtigen Stellen lachen oder nicht. Je nachdem, wie das Ergebnis ausfällt, gibt es danach Wasser oder Schnaps.
Donnerstag: Vortrag im Bergson

Nach harten inneren Kämpfen mit meiner Trägheit quäle ich mich in mein Fitnessstudio, um meine Muskeln herauszufordern. Danach Belohnung mit einem Cappuccino auf dem Elisabethmarkt. Am Abend geht’s ins Bergson, das neue, außergewöhnliche Kulturhaus am Rande der Stadt. Ein Vortrag mit dem Titel: „Mit Demenz leben“. Meine Frau kommt mit. Man kann gar nicht weitsichtig genug sein.
Freitag: Großmeister im Schloss

Heute gibt’s zwei komödiantische Höhepunkte: Die SZ-Magazin-Kolumne meines alten Freundes Axel Hacke. Woche für Woche gelingt es ihm, nach der Lektüre des Politikteils die Welt ein wenig heller erscheinen zu lassen. Danach brauche ich nur 3000 Schritte. Und am Abend ein Besuch bei Polt und den Wellbrüdern im Schloss Schleißheim. Polt, der Großmeister! Ich bin voller Bewunderung für ihn. Er und die Wellbrüder. Was für eine Kombi!
Samstag: Schwungvoll durch die Stadt

Fitness muss man zweimal die Woche machen. Vielleicht habe ich Glück und mein Sohn kommt mit. Das macht's leichter. Ein Autor kennt kein Wochenende. Das Drehbuch wartet. Und ruft unüberhörbar, auch am Samstag. Immer will es gepflegt, beachtet, fortgesetzt, verbessert und auch beendet werden. Am späteren Nachmittag ein Besuch im Amerikahaus. Die Ausstellung der berühmten amerikanischen Kriegsfotografin Lee Miller. Höchste Eisenbahn, die Ausstellung endet im Juli. Da ich Fitness am Morgen absolviert habe, werden die 5000 Schritte erst am Abend abgelaufen. Es geht zum Königsplatz, wo man vielleicht, mit ein bisschen Glück, Salsa-Tänzer an der Glyptothek antrifft. Dann weiter Richtung Museen. Auch vor der Mensa der TU wird getanzt. Und auf der großen Wiese vor der Alten Pinakothek findet allabendlich ein Treffen der Wiesen-Sportarten statt. Entweder mitmachen, oder sich ins Gras legen in die letzten Sonnenstrahlen oder gegenüber, vor der HFF, in der Minna Thiel ein Bier trinken. Und dort den Altersdurchschnitt heben. Aber wenn Sie keine Lust auf einen Spaziergang haben, fahren Sie nach Freising. In der Kirche von St. Lantpert wird um 18 Uhr das Oratorium „The Peacemakers“ von Karl Jenkins aufgeführt, einem walisischen Meister der Chormusik. Es lohnt sich!
Sonntag: Wunderbare Kate Winslet

Wochenende. Heute keine SZ. Daher die 5000 Schritte ohne Anlass. Danach natürlich der Cappuccino mit meiner Frau. So gerüstet gibt’s einen Film: „Die Fotografin“ mit Kate Winslet als Lee Miller, deren Bilder mir seit dem gestrigen Ausstellungsbesuch noch im Kopf sind. Ein Abgleich ihrer Arbeit mit der Erzählung des Filmes, den ich schon im Kino gesehen habe. Kate Winslet ist wunderbar. Immer interessant für mich zu sehen, wie Kolleginnen und Kollegen die Übertragung von Biografie in das Medium Film bewerkstelligt haben. Was ich am Abend mache? Ich feiere mit der Familie, dass mir vor ziemlich genau zwei Jahren ein erfahrener Neurochirurg ein neues Leben geschenkt hat. Ich genieße jeden Tag. Ich versuche es zumindest.

Der Produzent und Drehbuchautor Limmer ist 1955 in Ruhpolding geboren. Nach seinem Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) München begann er als Produzent bei der Bavaria Film. Bei Helmut Dietls Film „Schtonk!“ war er Initiator, ausführender Produzent und Co-Autor des Drehbuches. Zusammen mit Paul Maar schrieb er die Drehbücher für die „Sams“-Filme, die er auch produzierte. Mit seiner Collina Filmproduktion brachte er zahlreiche Filme in unterschiedlichen Genres ins Kino, vom „Räuber Hotzenplotz“ bis zu „Nebel im August“, einem vielfach ausgezeichneten Film über ein jugendliches Euthanasieopfer. Zurzeit läuft die bayerische Komödie „Karli und Marie“ in den Kinos, zu der er das Drehbuch geschrieben und den er zusammen mit seinem Kollegen Ralf Zimmermann mit der Perathon Film produziert hat. Neben seiner Tätigkeit als Produzent und Drehbuchautor baute er an der Filmakademie Baden-Württemberg den Studiengang „creative producing“ auf. Er fungierte von 2013 bis 2022 als geschäftsführender Professor für Produktion und Medienwirtschaft an der HFF München, deren Vizepräsident er von 2020 bis 2022 war.

