Zwischen Welten:Die Verbindung zwischen Freundschaft und Kultur

Zwischen Welten: Emiliia Dieniezhna findet, dass Kunst helfen kann, das Schicksal ihres Landes zu begreifen.

Emiliia Dieniezhna findet, dass Kunst helfen kann, das Schicksal ihres Landes zu begreifen.

(Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))

Je länger der Krieg dauert, umso wichtiger werden neue Kontakte für unsere ukrainische Kolumnistin, zu Geflüchteten genauso wie zu Einheimischen. Welche wohltuenden Erlebnisse das mit sich bringt und wie sie damit auch im Land herumkommt.

Von Emiliia Dieniezhna

Dass meine ukrainische Freundin Kateryna Semeniuk in Stuttgart eine Kunstausstellung organisieren wird und dass ich unbedingt hinfahren muss, wusste ich schon im vorigen Herbst. Kateryna genießt in der Kunstszene einen guten Ruf als Kuratorin, sie ist außerdem Co-Gründerin der Erinnerungsplattform "Past/Future/Art". Wir beide waren im Jahr 2022 Hospitantinnen beim Cross-Culture Programm (CCP) des Instituts für Auslandsbeziehungen, so haben wir einander kennengelernt. Kateryna war auch Hospitantin im Kunstmuseum Stuttgart. Während dieser Zeit hat sie die Sonderschau geplant, um die Tragödie des russischen Krieges gegen die Ukraine durch die Augen der Kunst sichtbar zu machen.

Vorigen Freitag war die Vernissage von "From 1914 till Ukraine", die nun von Kateryna gemeinsam mit Anne Vieth und Oksana Dovgopolova kuratiert worden ist. Die Ausstellung zeigt, wie ukrainische Künstlerinnen und Künstler auf den völkerrechtswidrigen russischen Einmarsch in die Ukraine blicken und welche Parallelen sich dabei zum Werk von Otto Dix ziehen lassen.

Zwischen Welten: Emiliia Dieniezhna (Mitte) mit Christina Vogelmann (links) und Kateryna Semeniuk im Stuttgarter Kunstmuseum.

Emiliia Dieniezhna (Mitte) mit Christina Vogelmann (links) und Kateryna Semeniuk im Stuttgarter Kunstmuseum.

(Foto: privat)

Ich bin am Samstag nach Stuttgart gefahren, mit meiner Freundin Christina Vogelmann, einer queerfeministischen Fahrradaktivistin aus Stuttgart und ebenfalls CCP-Alumna. Es war wirklich schön, in dem Team der kleinen CCP-Familie die Ausstellung zu besuchen und unsere Eindrücke miteinander zu teilen. Je länger der Krieg in der Ukraine läuft und je länger ich meine Familienmitglieder und Freunde in der Ukraine nicht sehe, desto wichtiger wird es für mich, neue Kontakte zu knüpfen, und zwar nicht nur zu geflüchteten Landsleuten in Deutschland, sondern auch zur einheimischen Bevölkerung. Deswegen empfinde ich es als echten Luxus, Freundinnen wie Kateryna und Christina zu haben und mit ihnen die wichtigen Momente im Leben zu teilen.

Das Erste, was mir in der Ausstellung auffiel, ist die Gemeinsamkeit zwischen den Arbeiten des berühmten deutschen Malers Otto Dix und den modernen ukrainischen Künstlern. Dix hat in vielen Werken die beiden Weltkriege thematisiert, die modernen ukrainischen Künstler zeigen die aktuelle Situation in der Ukraine.

Ich war auch sehr beeindruckt von einem einzigartigen Panzer-Archiv, das direkt für die Ausstellung zusammengestellt wurde. Das Archiv besteht aus Fotos von Panzern aus dem Zweiten Weltkrieg und aus Russlands Krieg gegen die Ukraine. Die Künstler, die an diesem Archiv gearbeitet haben, haben herausgefunden, dass die Ukraine im vorigen Jahrhundert das Land mit der größten Anzahl zerstörter Panzer weltweit war. Im Zweiten Weltkrieg hat mein Land unter der Vernichtungskraft der deutschen Panzer gelitten. Nun können deutsche Panzer helfen, dass die Ukraine sich gegen die Vernichtungskraft der russischen Panzer wehren kann.

Zwischen Welten: Das Plakat zur Ausstellung, die noch bis Ende Juli zu sehen ist.

Das Plakat zur Ausstellung, die noch bis Ende Juli zu sehen ist.

(Foto: Emiliia Dieniezhna / oh)

Das Bild des ukrainischen Künstlers Denys Selivanov mit dem Titel "Rückzugsort" wird noch lange in meinem Gedächtnis bleiben. Es zeigt Ukrainer, die unter einer von Raketen zerstörten Brücke Schutz suchen. Sicherheit finden sie nicht, weil die nächsten Raketen bereits unterwegs sind. Dieses Bild ist für mich ein Symbol für die Situation der Ukraine, so lange der Krieg andauert. Gut, dass auch die Kunst dazu beiträgt, dass das Leid in meinem Land nicht in Vergessenheit gerät. Die Ausstellung ist bis zum 23. Juli im Stuttgarter Kunstmuseum zu sehen.

Emiliia Dieniezhna, 34, flüchtete mit ihrer damals vierjährigen Tochter Ewa aus Kiew nach Pullach bei München. Sie arbeitet ehrenamtlich für die Nicht-Regierungs-Organisation NAKO, deren Ziel es ist, Korruption in der Ukraine zu bekämpfen. Außerdem unterrichtet sie ukrainische Flüchtlingskinder in Deutsch. Für die SZ schreibt sie einmal wöchentlich eine Kolumne über ihren Blick von München aus auf die Ereignisse in ihrer Heimat.

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