Kolumne "Das ist schön":Wenn Kultur kämpft

Kolumne "Das ist schön": Im neuen Ukrainischen Generalkonsulat München: die Journalistin Anne Urbauer (links) und Modemacherin Alina Oborska, zwischen beiden, mit dem Rücken zur Kamera Regisseurin Daria Onyshchenko. Auf ihrer Jacke steht: "Arm Ukraine", zu deutsch: "Bewaffnet die Ukraine".

Im neuen Ukrainischen Generalkonsulat München: die Journalistin Anne Urbauer (links) und Modemacherin Alina Oborska, zwischen beiden, mit dem Rücken zur Kamera Regisseurin Daria Onyshchenko. Auf ihrer Jacke steht: "Arm Ukraine", zu deutsch: "Bewaffnet die Ukraine".

(Foto: Susanne Hermanski)

Eindrücke von einem Abend im Ukrainischen Generalkonsulat, das in München gerade umgezogen ist.

Von Susanne Hermanski

Vor dem 24. Februar 2022 hat der Ukrainische Generalkonsul Yuriy Yarmilko von München aus 30 000 Landsleute betreut, die in Bayern und Baden-Württemberg lebten. Seit Kriegsausbruch hat sich die Zahl verzehnfacht, auf 300 000. "Die meisten von ihnen sind Frauen und Kinder", sagt Yarmilko, ihre Männer und Väter stehen an der Front. Eine 24/7-Aufgabe. An manchen raren Abenden kann man ihn und seine Frau Ljubov dennoch auf Kulturveranstaltungen treffen - ebenfalls in der dienstlicher Mission. "Wir wollen unsere Künstlerinnen doch unterstützen", sagen die beiden.

Welche Rolle in diesem Krieg, den Putins Russland gegen die Ukraine führt, auch der Kampf um die kulturelle Identität der Ukrainer spielt, darüber ist viel gesagt. Wie zart und voller Power zugleich deren Blüten in München sind, konnten wenige geladene Gäste, vornehmlich aus anderen Konsulaten und der lokalen Politik am Donnerstag erleben. Weil das ukrainische Generalkonsulat in neue Büroräume gezogen ist, gab es dort einen kleinen, warmherzigen Empfang.

Geladen waren auch ukrainische Künstlerinnen, von denen manche erst jüngst vor den Bombardements ihrer Heimat nach München geflohen sind. Mit dabei waren die Sängerin Oksana Stebelska, die eine kraftvolle A-cappella-Einlage gab, die Dokumentarfilmerin Daria Onyshchenko, die Malerin Yuljia Grzmehle, die sich mit Veranstaltungen für geflüchtete Kolleginnen einsetzt, und die Modedesignerin Alina Oborska.

Alina Oborska, mit ihren beiden Kindern seit dem Frühjahr in München, macht weiter Mode - in einer einzigartigen Kooperation mit dem Designer Bodo Sperlein. Der gebürtige Bayer hat sein Studio in London und gestaltet Gebrauchsobjekte, die auch in der Sammlung des Designmuseums in der Pinakothek der Moderne zu finden sind. Stoffe, eigentlich fürs Interieur entworfen, gehören dazu. Ruth Gommringer, eine Besitzerin eines ungewöhnlich sozial und multinational engagierten Münchner Concept Stores, hat die beiden zusammengebracht.

Das Ergebnis ist nicht nur tolle, tragbare Mode, in deren Mustern der Kostümgeschichte-Bewanderte Sperleins Bezug zum Kubismus erkennt, der einst als Reaktion auf den Ersten Weltkrieg entstand. Die Effekte dieser Begegnung auf Augenhöhe zwischen den beiden Kreativen reichen noch viel weiter. "Mein Team in Kiew kann weiter arbeiten", sagt Alina Oborska, "wenn es Strom gibt, sitzen sie an den Rechnern und Nähmaschinen. Und jedes dieser Kleider drückt aus: Wir sind da, und wir werden es sein, wenn der Krieg aus ist." Das ist wichtig - und schön.

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