Film & Gespräch:Im Rhythmus des Krieges

Film & Gespräch: Der Film "Into the Darkness" von Mariia Shevchenko dokumentiert die Zerstörung rund um Charkiw.

Der Film "Into the Darkness" von Mariia Shevchenko dokumentiert die Zerstörung rund um Charkiw.

(Foto: Bayerische Akademie der Schönen Künste)

Mariia Shevchenko dokumentiert in "Into the Darkness" den ukrainischen Kriegsalltag. Ihr Film ist in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu sehen.

Von Anna Steinbauer

Mit Kamera und schusssicheren Westen bewaffnet mitten hinein ins Herz der Finsternis: Die ukrainische Filmemacherin Mariia Shevchenko und ihr Kameramann Sashko Brama begeben sich kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs an die Front. Auf der Suche nach den menschlichen Geschichten inmitten von Schrecken und Zerstörung dokumentieren die beiden in "Into the Darkness" den Alltag des Krieges, der so viele Leben schlagartig verändert hat und sich am 24. Februar jährt.

Etwa 20 Kilometer entfernt von der russischen Grenze in der Nähe von Charkiw fehlt das Trinkwasser; diejenigen, die nicht geflohen sind, wohnen in den Trümmern ihrer einstigen Häuser und versuchen, irgendwie zurechtzukommen. Immer wieder hört man Explosionen oder Sirenen. Entlang der Kampflinie haben sich die Soldaten in ihren Erdbunkern verschanzt. Schon seit drei Monaten folgen sie dem immer gleichen Rhythmus des Krieges: schießen, schlafen, essen. Die Sonne strahlt, die Landschaft ist betörend schön, obwohl doch der Tod so absurd nah ist. Ein Frontsoldat erzählt, er sei eigentlich Priester. Auf die Frage der Filmemacherin, wie er das Töten mit seinem Glauben vereinen könne, sagt er: "Im Krieg tötet man nicht, im Krieg liquidiert man."

Durch ein Auftragsstipendium der Friedrich-Baur-Stiftung in Kooperation mit der Bayerischen Akademie der Künste konnte die 1992 geborene Shevchenko den 40-Minüter drehen, der seine Premiere bei den 56. Internationalen Hofer Filmtagen im Oktober 2022 feierte und am 24. Februar in München gezeigt wird. Die sehr persönliche und bewegende Doku ist der filmische Versuch zu verstehen, wie man in dieser Zeit weiterleben und einen Sinn für sich finden kann.

Zerstörung und Leid haben sich in die Landschaft eingeschrieben und prägen die Gegend um Charkiw, die die junge Ukrainerin und ihr Kameramann erkunden. Warum sind die Menschen hiergeblieben? Ist das Sterben zu Hause weniger angsteinflößend, als fern von der Heimat zu leben? Die Kamera ist nah dran an den Menschen und ihren Schicksalen, egal ob sie bei einem Raketeneinschlag noch vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte im Haus der Verletzten die Verwüstung festhält oder die Neugeborenen in der zerbombten Kinderstation filmt, die bei Alarm nicht in den Bunker mitgenommen werden können, weil sie an lebensnotwendigen Maschinen hängen.

Neben all dem Leid keimt auch Hoffnung

Die junge Ukrainerin kommt dem Tod so nah wie nie zuvor und fängt die grausame Realität des Krieges ein: "Ich möchte ihn sehen, auch wenn es nicht zu ertragen ist", sagt Shevchenko im Film, der die Welt zum Hinsehen auffordern will. So wird "Into the Darkness" auch zur Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des Dokumentarfilms als Form von politischem Aktivismus.

Neben all dem Leid keimen im Film aber immer wieder auch Momente der Hoffnung, die sich vor allem aus der Erfahrung von Solidarität und der Gemeinschaft speisen: Alle Menschen helfen zusammen, übernehmen als Freiwillige die Essensversorgung oder helfen beim Wiederaufbau. Auch ein Künstler ist geblieben, der die Außenfassaden des zerstörten Charkiw mit bunten Botschaften und humorvollen Karikaturen verziert. Ein längliches Raketenüberbleibsel hat er als Stift bemalt mit der Aufschrift "Bleistift einer schrecklichen Realität". Der Krieg hinterlässt Spuren. Diese festzuhalten, haben sich sowohl der Künstler als auch die junge Dokumentarfilmerin zur Aufgabe gemacht.

"Into the Darkness" von Mariia Shevchenko, UA/40 Min, Fr., 24. Feb., 19 Uhr, Bayerische Akademie der Schönen Künste, Screening und Gespräch mit der Regisseurin und Philip Gröning

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