Die Zahl der überschuldeten Verbraucher in München, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können, ist im vergangenen Jahr weiter zurückgegangen, sie verringerte sich um rund 1700 auf 90 362 Personen. Die Schuldnerquote fiel damit um 0,12 Prozentpunkte auf 7,24 Prozent, den niedrigsten Stand seit Beginn der Datenerhebungen im Jahr 2004. Doch Philipp Ganzmüller, Geschäftsführer von Creditreform München, sieht darin "nur bedingt Anlass zur Freude". Denn der Rückgang habe sich abgeschwächt, in manchen Bereichen steigen die Werte bereits wieder, weshalb Ganzmüller erste Anzeichen für eine Trendwende sieht. Ursache für die in einigen Münchner Stadtvierteln höhere Schuldnerquote könnte "nachgeholter Konsum" bei gleichzeitig stärkerer finanzieller Belastung durch höhere Kredit- und Lebenshaltungskosten sein.
"Es sieht sonniger aus, als es ist", bekräftigte deshalb Ganzmüller bei der Vorstellung des "Schuldneratlas München 2023" im Presseclub. Zwar sei die Schuldnerquote seit 2019 (8,96 Prozent) kontinuierlich zurückgegangen und der wegen der Folgen der Pandemie befürchtete Anstieg ausgeblieben, aber dies sei auf ein zurückhaltenderes Konsumverhalten zurückzuführen. "Viele Verbraucher mussten bei finanziellen Ausgaben Einschränkungen vornehmen und agierten entsprechend vorsichtiger."
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Dies korreliere auch mit den Wachstumsvoraussagen für die Wirtschaft. Zudem habe das Bevölkerungswachstum durch Zuzug hoch qualifizierten Fachpersonals den Rückgang der Schuldnerquote beschleunigt. Und nicht zuletzt schlage sich in den Zahlen auch nieder, dass die Speicherfrist für die Restschuldbefreiung auf nur noch sechs Monate statt bisher drei Jahre begrenzt worden sei. Zwischen 15 und 30 Prozent der Personen, die im Insolvenzverfahren eine Restschuldbefreiung erhalten haben, würden aber erneut auffällig, erklärte Ganzmüller.
Viele "gescheiterte Selbständige" gemeldet
Bei der Betrachtung der von Creditreform untersuchten 47 Stadtteile zeigt sich diesmal ein uneinheitliches Bild: In 13 Vierteln ist die Schuldnerquote gestiegen, in 31 hat sie abermals abgenommen, während drei Stadtteile unverändert blieben. Den stärksten Rückgang, minus 0,69 Prozentpunkte, ermittelten die Statistiker in der Altstadt, die andererseits aber weiterhin die höchste Schuldnerquote (11,92 Prozent) in ganz München hat. Leichte Rückgänge gab es auch für die Schwanthalerhöhe (minus 0,52 Prozentpunkte), für Am Hart (minus 0,5), Aubing und Au (jeweils minus 0,39).
Für die Altstadt dürfte laut Ganzmüller eine Rolle spielen, dass bei vergleichsweise geringer Einwohnerzahl "viele Betroffene hier nicht freiwillig leben". So umschrieb Ganzmüller, dass dort verhältnismäßig viele Menschen in Heimen, Unterkünften und Pensionen untergebracht sind, darunter auch viele von Überschuldung Betroffene. Zudem seien in der Altstadt auch viele "gescheiterte Selbständige" zuletzt gemeldet gewesen. Gerade in München komme dieser Ursache für Überschuldung, wie auch dem längerfristigen Niedrigeinkommen, inzwischen besondere Bedeutung zu. Hauptursachen sind aber Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung oder Scheidung und unwirtschaftliche Haushaltsführung.
Die wenigen Stadtteile, in denen die Schuldnerquote anstieg, seien sehr heterogen verteilt, meinte Ganzmüller. So hat Ramersdorf, ohnehin schon auf hohem Niveau, ein wenig (0,25 Prozentpunkte) zugelegt - aber auch das weit unterdurchschnittlich betroffene Bogenhausen (um 0,28). Der Stadtteil mit der geringsten Quote bei den privaten Verbrauchern bleibt auch weiterhin Obermenzing (3,95 Prozent), gefolgt von der Au und Solln.
Männer sind fast doppelt so häufig überschuldet wie Frauen, was Ganzmüller vor allem auf ihre höhere Risikobereitschaft zurückführt. Überschuldete Frauen wiederum seien meist Alleinerziehende, die oft auch unter Unterhaltsrückständen zu leiden hätten. Einen bedenklichen Effekt sieht der Creditreform-Geschäftsführer darin, dass Senioren in München häufiger verschuldet sind als bundesweit.
Erhöhte Baukosten schlagen auf die Mieten durch
Insgesamt gab Ganzmüller einen pessimistischen Ausblick, "wir werden wieder steigende Schuldnerzahlen sehen". Die von der Zinsentwicklung in die Höhe getriebenen Baukosten würden auf die Mieten durchschlagen, zudem sehe er viele Pleiten im Bausektor. Viele Unternehmen "stellen gerade aus", würden also Mitarbeitende entlassen.
Fast 20 000 Beratungen erbrachten die Schuldnerberater bei Stadt und Verbänden 2023, rund 1000 mehr als im Jahr zuvor, erklärte Marc Wichlajew, Leiter der städtischen Schuldnerberatung. Hilfe suchten vor allem Haushalte mit Niedrigeinkommen, wie etwa eine fünfköpfige Familie, die auf 43 Quadratmetern wohnt, aber auch Alleinerziehende und Senioren. Viele Menschen würden darunter leiden, dass die Löhne nicht mit der Inflation Schritt halten, und sich vor existenzbedrohenden Rechnungen von Energieversorgern fürchten.
So hätten bei der repräsentativen Befragung des Sozialreferats zur sozialen Lage in München aus dem Jahr 2023 zehn Prozent der Haushalte angegeben, ihre Wohnung nicht angemessen heizen zu können. Wichlajew riet deshalb Betroffenen dazu, neben staatlichen Hilfen auch die umfassenden Unterstützungsangebote für Münchner Bürger, wie etwa den Wärmefonds, in Anspruch zu nehmen.