Schuldneratlas:Mehr Münchner verschulden sich

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Das Leben in München ist teuer, doch in München gibt es auch eine Besonderheit: Nicht nur arme Menschen, sondern auch vergleichsweise viele Schuldner mit einem hohen sozialen Status. (Foto: Florian Peljak)

Die Mieten sind hoch, die Lebenshaltungskosten steigen: Erstmals seit fünf Jahren können wieder mehr Menschen in der Stadt ihre Rechnungen nicht begleichen, wie der Schuldneratlas zeigt. Welche Stadtteile besonders betroffen sind.

Von Ekaterina Kel

Die vergangenen Jahre der Preissteigerungen hinterlassen nun auch messbare Spuren in den Portemonnaies der Münchnerinnen und Münchner. Erstmals seit fünf Jahren ist die Zahl der überschuldeten Verbraucher in der Stadt wieder angestiegen. Laut dem Schuldneratlas 2024, den die Unternehmensgruppe Creditreform am Dienstag veröffentlichte, wuchs die Zahl der Schuldner in der Stadt auf 94 036, das sind 7,58 Prozent der erwachsenen Einwohnerinnen und Einwohner.

Dies sei eine „Trendwende“, so Geschäftsführer von Creditreform München, Philipp Ganzmüller. Seit 2019 ist Zahl der überschuldeten Menschen in der Stadt von 8,96 Prozent eigentlich stetig zurückgegangen. Im Jahr 2023 waren es nur noch 7,24 Prozent. Und jetzt eben: der Anstieg. Doch überraschend kommt diese Trendwende für Ganzmüller nicht. Bereits im Jahr davor hatte er darauf hingewiesen, dass der Rückgang immer schwächer werde.

Dass die Auswirkungen der Corona-Jahre und der Inflation erst jetzt nachweisbar sind, liegt laut Ganzmüller auch daran, dass Überschuldung immer erst „mit einem Nachklapp“ sichtbar und messbar wird. Bis der Gerichtsvollzieher tätig werde, bis Pfändungen passierten, dauere es einfach lange.

Der Anstieg zeige „die zunehmend schwierige Situation der privaten Haushalte infolge der Preis- und Kostensteigerungen“, heißt es in der Analyse. Nach zwei Jahren Rezession sei zudem die Arbeitslosigkeit wieder stärker zu beobachten, ein typischer „Überschuldungsauslöser“. Weitere Ursachen sind laut Ganzmüller gescheiterte Selbständigkeit, Trennung oder Krankheit – auch langfristiges Niedrigeinkommen kann Menschen in Schulden stürzen.

Was heißt überhaupt Überschuldung? Laut Creditreform tritt sie ein, wenn ein Mensch seine Ausgaben durch seine Einnahmen nicht decken kann. Genauer, wenn er „die Summe seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen mit hoher Wahrscheinlichkeit über einen längeren Zeitraum nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen“. Wobei man zwischen Armut und Überschuldung unterscheiden müsse, so Ganzmüller.

Eine Besonderheit des reichen Münchens etwa sei, dass hier vergleichsweise viele Menschen mit unbeglichenen Rechnungen und Schulden lebten, die einen hohen sozialen Status aufwiesen, sich also in wohlhabenden Milieus bewegten. Ein großes, teures Auto etwa, werde dann auf Pump gefahren, um eine „Fassade“ aufrechtzuerhalten – so lange es eben noch geht.

Der Anstieg der Überschuldung in München ist laut der Analyse vorrangig auf Personen mit sogenannten weichen Überschuldungsmerkmalen zurückzuführen. Also etwa mindestens zwei unstrittige Inkassofälle von mehreren Gläubigern ohne gerichtliche Folgen. Das heißt, zu den ohnehin dauerhaft belasteten Haushalten sind viele neue dazugekommen, die es bislang vielleicht noch knapp über die Runden geschafft haben – und es in den vergangenen Jahren wegen der Inflation und den gestiegenen Mietkosten nicht mehr schaffen.

Besonders stark betroffen ist der Stadtbezirk Milbertshofen-Am Hart. In zwei Stadtteilen davon, Am Hart und Am Riesenfeld, verzeichnet der Schuldneratlas den stärksten Anstieg der Schuldnerquote. Aber auch in der Ludwigsvorstadt, wozu auch das Bahnhofsviertel mit vergleichsweise vielen ärmeren Haushalten gehört, war der Anstieg ähnlich stark. Dass die Quote in der Altstadt so hoch ist, liegt laut Ganzmüller unter anderem daran, dass hier mehrere große Einrichtungen für Menschen in prekären Lebenslagen angesiedelt sind. Weiterhin gesunken ist die Schuldnerquote in den Stadtteilen Daglfing, Bogenhausen oder Aubing.

(Foto: SZ-Grafik)

Eine Betrachtung auf Stadtteilebene zeigt, dass die Schere zwischen Arm und Reich auch räumlich in München immer weiter aufgeht. So sind Menschen in Daglfing, Obermenzing, der Au oder Solln insgesamt deutlich weniger überschuldet, die Quoten rangieren hier bloß im Bereich von vier Prozent. Am Hart dagegen sind 12,3 Prozent der Einwohner überschuldet. Auch in Ramersdorf, im Norden von Trudering-Riem oder in Hasenbergl-Lerchenau sind die Quoten hoch und zudem weiter gestiegen.

Ganz Deutschland hat diese Trendwende noch nicht erreicht: Die Überschuldung im bundesweiten Durchschnitt ist im vergangenen Jahr weiterhin gesunken, auf knapp mehr als acht Prozent. München zeige eben auch hier eine Besonderheit, so Ganzmüller. Dadurch, dass das Leben und die Mieten in der Stadt so teuer seien, gerieten die potenziell Gefährdeten stärker unter Druck – und fielen schneller in ein Ungleichgewicht.

Die Schuldenlast der Münchner bleibt im Vergleich zu früheren Erhebungen trotz Kehrtwende weiterhin niedrig. Beispielsweise war im Jahr 2007 jeder zehnte Münchner überschuldet, die Quote lag bei zehn Prozent. Davon ist die Stadt aktuell noch deutlich entfernt.

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