Übergriffe bei Fußballspiel:Amnesty kritisiert Polizeigewalt

Was im Dezember 2007 im Grünwalder Stadion passierte, ist noch immer unklar. Jetzt schaltet sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty ein: Die USK-Beamten sollen gefährliche Schlagstöcke eingesetzt haben.

S. Wimmer

Jetzt beschäftigt sich Amnesty International (AI) mit dem Münchner Unterstützungskommando (USK): Nach den mutmaßlichen Übergriffen der Polizeieinheit bei einem Fußballspiel im Grünwalder Stadion im Jahr 2007, etlichen Fan-Anzeigen und zwei Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft hat sich die Menschenrechtsorganisation eingeschaltet und den Fall eines geprügelten Fußballfans aufgegriffen.

Amnesty kritisiert vor allem, dass Beamte mit einem Spezialschlagstock, einer "hochgefährlichen Waffe", auf den Kopf des Opfers eingeknüppelt hätten und dass die Staatsanwaltschaft seit mehr als zwei Jahren die Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßlichen Täter in Uniform "schleppend und mit geringer Intensität" führe.

Fußballfan Markus H. (Name geändert) war an jenem 9. Dezember 2007 aus dem Raum Illertissen angereist, um das Amateur-Derby 1860 München II gegen Bayern München II live mitzuerleben. Dass sein elfjähriger Sohn nicht dabei war, bezeichnet er heute als "Glück".

Um die rivalisierenden Fans auf dem Heimweg zu trennen, verhängte die Polizei während des Spiels eine Blocksperre bei den "Blauen". Als sich der Ausgang dann öffnete, erzählt H., sei plötzlich von hinten eine Gruppe schwarz-gekleideter Polizisten gekommen und habe ohne Grund in die Menge, darunter Frauen und Kinder, geschlagen. Markus H. wurde von hinten angegriffen und erlitt eine Kopfplatzwunde.

Markus H. war einer von mehreren Fans, die nach dem Spiel Strafanzeige erstatteten, doch die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen die USK-Beamten zweimal ein. Zwar räumte man "massive Aggressionshandlungen von "schwarz-gekleideten Polizeibeamten mittels Schlagstöcken" ein, jedoch könne man keinen Schuldigen ermitteln, zumal das USK weder durch Namen oder Nummern gekennzeichnet sei.

Fälle von "erheblicher Polizeigewalt"

Nach anwaltlicher Beschwerde und öffentlichem Druck ermittelte die Staatsanwaltschaft erneut - erfolglos. "Bis heute sind die eingesetzten Beamten nicht zu den Vorfällen befragt worden, nur deren Vorgesetzte", kritisiert H.s Anwalt Marco Noli. Die vom USK vorgelegten Einsatzvideos seien an entscheidenden Stellen lückenhaft, bislang habe die Einheit der Staatsanwaltschaft nicht einmal die Originalkassetten vorgelegt. Noli: "Dieses Verfahren ist eines Rechtsstaats nicht würdig."

"Wir beobachten den Fall schon länger", sagt Martin Herrnkind von Amnesty International. "Wir", das ist die Fachkommission Polizeirecherche, die im Sommer einen Deutschlandbericht herausbringen und darin wohl auch den Münchner Fall auflisten wird. Man recherchiere Fälle von "erheblicher Polizeigewalt", sagt Herrnkind, und als man gehört habe, dass mit dem sogenannten "Tonfa" auf Köpfe eingeschlagen wurde, "war der Erheblichkeitsgrad erfüllt".

Der Tonfa, so erklärt Herrnkind, sei ein asiatisches Kampfgerät, das eine "sehr hohe Energie" beim Schlagen entwickle. Nur wenn sich ein Beamter in akuter Lebensgefahr befinde, sei ein Tonfa-Schlag auf den Kopf als gerechtfertigt anzusehen. Herrnkind fragt, ob die Staatsanwaltschaft sich der Wirkung dieses Gerätes überhaupt bewusst sei. Außerdem entstehe der Eindruck, die Staatsanwaltschaft schenke den Aussagen der Polizisten mehr Glauben.

Herrnkind, selbst Polizist, warnt generell vor der Gefahr, dass in solch geschlossenen Einheiten "Subkulturen" entstehen könnten. "Wenn die sich gegenseitig nicht mehr kontrollieren, wird es problematisch." Amnesty hat an die Münchner Staatsanwaltschaft einen Brief mit Fragen geschrieben. Seit etwa vier Wochen wartet man auf Antwort. Nun will sich Herrnkind mit dem Opfer unterhalten und an die Polizei wenden mit der Forderung, dass sich diese Einheiten mehr mit Menschenrechten auseinandersetzen sollten.

Markus H. jedenfalls will weiterkämpfen, "bis der Schuldige gefunden ist". Dem könnte entgegenstehen, dass die Uniformierten in schwarzen Anzügen, Helmen und Visieren nicht voneinander zu unterscheiden sind. "Wir werden in unserem Deutschlandbericht eine individuelle Kennzeichnungspflicht für alle Polizisten fordern", sagt Herrnkind.

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