Übergang zum Kunstareal:Alte Wunden

Übergang zum Kunstareal: Die Straßenschneise am westlichen Tunnelausgang (rechts die Siemens-Zentrale) wirkt wie eine Barriere zwischen Innenstadt und Kunstareal.

Die Straßenschneise am westlichen Tunnelausgang (rechts die Siemens-Zentrale) wirkt wie eine Barriere zwischen Innenstadt und Kunstareal.

(Foto: Stephan Rumpf)

Große Pläne wie eine Überdeckelung der Straßenkluft sind längst vom Tisch - jetzt geht es um Details an der Oberfläche

Von Alfred Dürr, Stefan Mühleisen

Der Protest war massiv und er erwischte die Stadtregierung völlig unvorbereitet: Tausende Münchner empörten sich im Oktober 1966 über die "Verunstaltung Münchens", wie es damals in einer Erklärung des "Bürgerkomitees Prinz Carl Palais" hieß. Es war die erste breit organisierte Bürgerbewegung der Nachkriegszeit - und sie wandte sich wütend gegen den geplanten Altstadtringtunnel. Wortführer waren Professoren und Architekten, die gegen "brutale Eingriffe" ins Stadtbild wetterten. Der Protest zeigte Wirkung: Der Plan, die City sternförmig mit vierspurigen Trassen zur erschließen, wurde ad acta gelegt. Dennoch: Vom Altstadtringtunnel rückte die Stadt nicht ab, er wurde 1972 eröffnet - und viele sehen das Projekt bis heute höchst zwiespältig.

Mitte der Sechzigerjahre galt es als logisch, dass der Autoverkehr freie Fahrt haben muss, möglichst auf autobahnähnlichen Trassen bis hinein in die City. Mit Abstrichen denken manche im Rathaus bis heute in diese Richtung: freier Fluss für motorisierte Bürger auf dem Altstadtring von und zum östlichen Stadtrand. Doch die kritischen Stimmen sind nie verstummt. Das Röhrenbauwerk und die riesige Kreuzung am Westausgang zum Oskar-von-Miller-Ring wirken wie eine Barriere, vielen empfinden sie als Wunde im Stadtraum, die es zu heilen gilt. Denn die Straßenschneise riegelt die Innenstadt ab von der angrenzenden Maxvorstadt und vor allem vom Kunstareal.

Oft und gern rühmen Verwaltungsspitzen und Politiker die Ballung weltberühmter Sammlungen in und um die Pinakotheken. Als "Schatzkammer" hat Stadtbaurätin Elisabeth Merk das Gebiet einmal bezeichnet - allerdings eine, "die noch nicht angemessen entdeckt werden kann", wie sie einschränkte. Konkret heißt das: Touristen, die zumindest die Himmelsrichtung zum Kunst-Quartier gefunden haben, stehen ratlos vor der breiten Verkehrs-Kluft beim Landesbank-Komplex; nicht wenige übersehen die Zugänge zur Fußgängerunterführung.

Kein Wunder also, dass immer wieder über den "großen Wurf" bei der Beseitigung der alten Bausünde nachgedacht wurde. Bereits kurz vor der Eröffnung der Pinakothek der Moderne im Jahr 2002 kamen Vorschläge zur "Überdeckelung" des gesamten Bereichs nach der Tunnelausfahrt in Richtung Kunstareal. An der Oberfläche hätten Plätze für Fußgänger und Bauten entstehen können. Solche Ideen verschwanden aber schnell wieder in der Versenkung.

Gut zehn Jahre später war der Investor und Projektentwickler Gisbert Dreyer bereit zu handeln. Er legte konkrete Pläne vor, wie man die Zu- und Ausfahrtsrampen zum Altstadtring-Tunnel überbauen könnte. Die Stadtverwaltung nahm den Vorschlag mit Interesse zur Kenntnis, aber die Stadtbaurätin forderte eine grundsätzliche Auseinandersetzung über Verbesserungen an verschiedenen Stellen des Altstadtrings. Eine Lösung der Schneisen-Problematik im großen Stil war vom Tisch.

Über die Jahre sind die Bevölkerung und die Politik im Stadtviertel nicht müde geworden, sich für eine "umfassende Stadtreparatur" am Oskar-von-Miller-Ring einzusetzen. Zuletzt warben der Bezirksausschuss und das Münchner Forum darum, die Tunnelsanierung zu nutzen, um ein neues "Entree zum Kunstareal" zu schaffen. Beharrlich wurde auf der Forderung insistiert, die Details der Oberflächengestaltung nicht nur dem Baureferat zu überlassen: Die Bürger, so der Appell, sollen zumindest mitreden dürfen, wie das Areal künftig fußgängerfreundlich angelegt werden kann. Der Stadtrat hat nun einen Workshop in Aussicht gestellt, bei dem Vertreter des Stadtrates und des Bezirksausschusses mit Anwohnern verschiedene Vorschläge diskutieren. "Das kommt uns einen großen Schritt entgegen" sagte Martin Fürstenberg vom Münchner Forum.

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